Union und SPD wollen das „Spannungsverhältnis zwischen sicherheitspolitischen Erfordernissen und datenschutzrechtlichen Vorgaben“ neu austarieren. Das steht so im Koalitionsvertrag. Konkret eingeführt werden soll eine „verhältnismäßige und europa- und verfassungsrechtskonforme dreimonatige Speicherpflicht für IP-Adressen und Portnummern“. In der Opposition sorgt das für Kritik. „Ehemalige schwarz-rote Bundesregierungen sind bereits mehrfach mit dem Ansinnen einer anlasslosen Speicherung der Telekommunikationsdaten aller Bürgerinnen und Bürger gescheitert“, sagte Konstantin von Notz (Grüne), Vorsitzender des parlamentarischen Kontrollgremiums, SZ Dossier.
Großes Risiko: Auch die Regierung Merz erkläre nun, dieses Risiko erneut eingehen zu wollen. „Die Gefahr, dass auch diesmal wieder den Strafverfolgungsbehörden ein Instrument in die Hand gegeben wird, das ihnen Gerichte schnell wieder nehmen, erscheint relevant groß“, sagte von Notz. „Durch den Rückgriff auf ein Quick-Freeze-Verfahren, dem keine vergleichsweise großen Bedenken begegnen, würde man diese Gefahr stark minimieren“, sagte von Notz. Das war die Kompromisslösung der Ampel gewesen, die aber nicht mehr beschlossen wurde. Dabei werden bereits vorhandene Daten erst nach behördlicher Anordnung und einem konkreten Verdacht gespeichert.
Sicherheit vs. Datenschutz: Die Speicherung von sogenannten Verbindungsdaten ist seit Jahrzehnten rechtlich umstritten. Zentral ist ebenjenes Spannungsverhältnis, das Schwarz-Rot selbst anführt: Sicherheit versus Datenschutz. Wenn es um die Vorratsdatenspeicherung geht, beinhalten diese Verbindungsdaten etwa die Punkte, wer wann mit wem telefoniert hat oder welche IP-Adresse auf welchen Internetseiten unterwegs war. Die Theorie: Die Telekommunikationsunternehmen speichern die Daten für einen begrenzten Zeitraum, und Behörden rufen sie unter Einhaltung strenger Regeln ab, um Straftaten aufzuklären.
So weit, so umstritten. Verschiedene Gerichtsurteile haben in der Vergangenheit eingegrenzt, inwieweit eine solche Speicherung von Verbindungsdaten stattfinden darf. Das jüngste Urteil des Europäischen Gerichtshofs sieht etwa vor, dass eine flächendeckende anlasslose Speicherung solcher Daten nur in Ausnahmefällen möglich ist – etwa beschränkt auf bestimmte Personen oder Orte. Die Ausnahme von der Ausnahme stellen aber IP-Adressen dar, die laut des Gerichts flächendeckend und anlasslos gespeichert werden dürfen. Die Ampel lehnte eine solche Speicherung vor allem aufgrund des Widerstandes von FDP und Grünen ab, obwohl sich Innenministerin Nancy Faeser (SPD) regelmäßig dafür aussprach.
Von Notz geht das zu weit. „Aus unserer Sicht ist eine derart lange Speicherfrist solcher Datenmengen mit den gerichtlichen Vorgaben nur sehr schwer zu vereinbaren“, sagte er. Die Speicherdauer sieht er auch nur als eine der Hürden, die Gerichte aufgezeigt haben. Es gebe noch weitere: „Die Frage beispielsweise, wie Berufsgeheimnisträger nicht miterfasst werden sollen, ist gänzlich unbeantwortet“, sagte er. Auf eine Regelung zu solchen Personen, also beispielsweise Politikern, Journalistinnen oder Polizisten geht der Koalitionsvertrag nicht ein. Es werde auch darauf ankommen, wie andere Vorgaben höchster Gerichte konkret gesetzgeberisch umgesetzt werden. „Die Frage, ob ein neuer Gesetzesentwurf vor Gericht Bestand haben wird, ist aus heutiger Perspektive damit vollkommen offen.“