von Tim Frehler und Gabriel Rinaldi
Diese Meldung stammt aus dem folgenden Briefing des Dossiers Platz der Republik:
Ein Pariser Gericht hat Marine Le Pen, Frontfrau des extrem rechten Rassemblement National (RN), schuldig gesprochen und verurteilt: Vier Jahre Haft, davon zwei auf Bewährung, der Rest unter Hausarrest beziehungsweise mit Fußfessel, dazu 100 000 Euro Geldstrafe, lautete das Urteil, wie Oliver Meiler in der SZ berichtet. Für Le Pen und die politische Landschaft in Frankreich am gravierendsten aber ist: Das Gericht entzog ihr mit sofortiger Wirkung das passive Wahlrecht für fünf Jahre.
Worum ging es? Das Gericht sah es als erwiesen an, dass erst ihr Vater Jean-Marie und dann die Tochter über Jahre hinweg ein System betrieben, mit dem sie Geld des Europäischen Parlaments veruntreuten. Le Pens Partei habe vom Europäischen Parlament Geld für die Arbeit parlamentarischer Assistenten im Europaparlament erhalten. Das sei aber eingesetzt worden, um Parteimitarbeiter in Frankreich zu bezahlen.
Und nun? Zwar kann das Urteil angefochten werden, Le Pens Anwalt kündigte auch bereits Berufung an. Es gilt aber als unwahrscheinlich, dass ein Berufungsprozess zu einem schnellen Ergebnis kommen würde. Aller Voraussicht nach kann Le Pen damit nicht bei der Präsidentschaftswahl 2027 kandidieren.
Die Bedenken: Die Verurteilung berge die Gefahr, der RN könnte seine seit Langem erhobenen Vorwürfe von politischer Verfolgung und einer voreingenommenen Justiz erneuern, sagte Camille Lons aus dem Pariser Büro des European Council of Foreign Relations (ECFR). Außerdem verstärke das Urteil das Argument des RN, das System sei manipuliert. Das wiederum könnte die Parteibasis aufrütteln und die Unterstützung des RN 2027 sogar verstärken, so Lons. Gleichwohl handelt es sich dabei mehr um politische als um rechtsstaatliche Überlegungen.
Wer füllt die Lücke? In die Lücke bei der Wahl 2027 könnte der 29-jährige Jordan Bardella, Vorsitzender des RN, springen. Es sei allerdings fraglich, ob er sie ausfüllen könne, sagte Lons – der RN sei lange Zeit um Le Pen herum gebildet worden. Außerdem könnte eine solche Konstellation Spannungen innerhalb der Partei erzeugen. Schließlich sei es unwahrscheinlich, dass Le Pen sich komplett aus dem politischen Leben zurückziehe.
Le Pen reagierte wie erwartet: Im französischen Sender TF1 sagte Le Pen gestern Abend, das Gericht habe eine politische Entscheidung gefällt. Sie solle ganz bewusst von der Wahl ferngehalten werden. Das Urteil bedeute aber nicht, dass sie sich aus der Politik zurückziehe.
Auch interessant: Ins Rollen brachte die Ermittlungen übrigens vor Jahren der damalige Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz (SPD). Er sei darauf aufmerksam gemacht worden, dass viele der parlamentarischen Mitarbeiter im Organigramm der Partei in Paris aufgeführt wurden, berichtet die FAZ. Daraufhin habe Schulz OLAF eingeschaltet, die EU-Behörde, die für Betrugsfälle zuständig ist. Und er habe die französische Justizministerin informiert.