Klar, die Verhandlerinnen und Verhandler von Union und SPD betonen gerade, zuerst gehe es um die Inhalte, erst zum Schluss ums Personal. Gleichwohl schießen die Spekulationen darüber ins Kraut, wer mit Friedrich Merz am Kabinettstisch sitzen wird. Anlass für die nächste Runde des Personalkarussells ist eine Liste, die in Berlin kursiert und über die gestern zuerst die FAZ berichtet hat. Demnach wird es neben dem Kanzleramt 15 Fachministerien geben. Die Verhandler werden zwar einen Teufel tun und diese Liste für wahr oder falsch erklären, aber an ihr lässt sich ablesen, wie einige Fallstricke bei der Besetzung der Ministerien aufgelöst werden könnten.
Das Niedersachsen-Problem der SPD: Mit Lars Klingbeil, Boris Pistorius, Hubertus Heil und Matthias Miersch kommen gleich vier Männer in der ersten Reihe der SPD aus Niedersachsen. Angesichts der Größenverhältnisse scheinen fünf Ministerien für die Sozialdemokraten eine realistische Zielmarke zu sein. In der letzten großen Koalition unter Angela Merkel erhielt die SPD sechs Ministerien – allerdings mit einem Wahlergebnis von 20,5 Prozent. Bei fünf zu besetzenden Häusern dürfte die Obergrenze für Sozialdemokraten aus Niedersachsen aber bei zwei liegen: Laut der Liste würden sie an Lars Klingbeil (Finanzen) und Boris Pistorius (Verteidigung) gehen. Dazu müsste die SPD aber erst einmal beide Häuser bekommen. Lars Klingbeil würde in so einem Szenario wahrscheinlich die Fraktionsspitze abgeben – und müsste erklären, warum er sie für ein paar Wochen übernommen hat.
Regionalproporz nicht vergessen: Mit Bärbel Bas (Arbeit), Svenja Schulze (Entwicklung) und Sonja Eichwede (Justiz) würde die SPD mehr Frauen als Männer ins Kabinett entsenden. Bas und Schulze kommen beide aus Nordrhein-Westfalen, damit wäre also der mitgliederstärkste Landesverband der SPD versorgt. Eichwedes Wahlkreis liegt in Brandenburg, geboren und aufgewachsen ist sie aber in Bremen. Ohne Ministeramt blieben demnach die derzeitigen Kabinettsmitglieder Hubertus Heil, Nancy Faeser, Karl Lauterbach, Klara Geywitz und Jörg Kukies.
Das ist eine gute Ausgangslage für die Union. Sie könnte ihre Schlüsselthemen besetzen: Innen, Außen, Wirtschaft. Während Carsten Linnemann schon seit Monaten für das Wirtschaftsministerium gehandelt wird, könnte die CDU mit Johann Wadephul auch nach dem Auswärtigen Amt greifen. Es wäre das erste Mal seit 1966, würde Merz aber entgegenkommen: Deutschland hätte in der ungewissen geopolitischen Lage eine einheitliche Stimme in der Außenpolitik. Auch der Aufbau eines Nationalen Sicherheitsrats wäre damit einfacher. Gut für den Proporz: Wadephul kommt aus Schleswig-Holstein. Die CSU hingegen könnte mit dem Innenministerium ihr wichtigstes Thema besetzen.
Zu viele Männer aus NRW? Die CDU hat ein ähnliches Problem wie die SPD, bei ihr geht es aber um einen Überschuss an Männern aus Nordrhein-Westfalen. Mit Merz und Linnemann wären schon zwei von ihnen gesetzt. Die Union braucht aber auch Frauen im Kabinett: Eine ist Ina Scharrenbach, die Infrastrukturministerin werden könnte. Auch sie kommt allerdings aus Nordrhein-Westfalen. Sollte sie nominiert werden, wären wohl Jens Spahn und Armin Laschet, beide aus NRW, raus. Spahn könnte den Fraktionsvorsitz übernehmen, mit dem er dem Vernehmen nach ohnehin kokettiert. Gehandelt werden auch Silvia Breher als Familienministerin und Kristina Sinemus als Digitalministerin. Sinemus ist seit 2019 Digitalministerin in Hessen, hat das Ressort dort neu aufgebaut.
Nicht genannt wird Karin Prien. Für die schleswig-holsteinische Bildungsministerin ist mit einem Außenminister Wadephul möglicherweise kein Platz mehr. Dafür könnte Dorothee Bär Bildungsministerin werden. Für die CSU keine schlechte Idee, da sie so bei Forschungsprojekten mitreden und sie möglicherweise nach Bayern lotsen könnte. Zuletzt war das in der Partei diskutiert worden. Als Landwirtschaftsministerin gehandelt wird nach dem Felßner-Rückzug die bayerische Landesministerin Michaela Kaniber. Der mögliche Innenminister Alexander Dobrindt fühlt sich zwar in seiner parlamentarischen Rolle als CSU-Landesgruppenchef wohl, in der CSU wünschen sich aber viele eine herausgehobene Stellung für ihn.
Fazit: Sollte es zu dieser Zusammensetzung kommen, wäre das Kabinett Merz nahezu paritätisch besetzt. Und auch sonst wären die Ministerinnen und Minister im Westen geografisch gut verteilt: Mit dem möglichen Kanzleramtsminister Thorsten Frei und Umweltminister Andreas Jung wären auch zwei CDU-Vertreter aus Baden-Württemberg dabei. Dafür sieht es im Osten mau aus: Lediglich Tino Sorge wird als Gesundheitsminister aufgeführt, Sonja Eichwede ist jedenfalls gebürtig keine Ostdeutsche. Und: Neben Michaela Kaniber hätte nur Joe Chialo, der als Staatsminister für Kultur genannt wird, einen Migrationshintergrund.