Wählerbeschimpfung habe noch keine Stimme zurückerobert, sagte Roberta Metsola SZ Dossier. „Sagen Sie ihnen nicht, dass sie falschliegen. In dem Moment, in dem Sie das tun, zeigen Sie Respektlosigkeit“, riet die Präsidentin des Europäischen Parlaments der Politik. „Und Sie beweisen, dass Sie nichts verstanden haben.“
Ganz Europa, eine Frage: Nämlich ob und wie Wählerinnen und Wähler von den Rändern zurückzugewinnen sind. Metsola folgt jener Schule, wonach die Menschen ihre wichtigsten Anliegen selbst am besten kennen, dafür keine Einflüsterung durch vermeintlich rechte „Narrative“ brauchen – und wonach es Aufgabe der Parteien im Wahlkampf ist, Lösungsvorschläge anzubieten.
Ignorieren hilft nicht: „Wenn Menschen in einer traditionellen Partei oder Denkrichtung keine Antworten auf ihre dringendsten Anliegen finden, werden sie diese auch nicht wählen“, sagte sie. „Ich möchte das Gegenteil erreichen. Wo Frustrationen geäußert werden, halte ich sie zunächst für richtig.“
Politische Realitäten: Metsola kam gestern während eines Berlin-Besuchs zum Gespräch in unsere Redaktion. Sie steht seit drei Jahren einem Parlament vor, in dem Wähler zuletzt die Ränder stärkten und das Gewicht nach rechts verschoben. Metsola begegnet dieser Herausforderung als Präsidentin, als führende Politikerin der Europäischen Volkspartei und als Abgeordnete und Wahlkämpferin in ihrer Heimat Malta.
„Bequem“ wird Politik bestimmt nicht mehr: „Die traditionellen etablierten Parteien haben viele Jahre lang nur mit ihrem Publikum gesprochen“, sagte sie. „Sie wussten, wie ihr Wählersegment aussieht, in welchem Teil des Landes sie beliebter sind, welcher Wahlkreis sicher ist. Und haben alles andere im Wesentlichen ignoriert. Das hat dazu geführt, dass die Wähler abgewandert sind.“
Ihr Trost: Es sei ein Fehler zu glauben, diese Wähler seien auf ewig verloren. Aber sie zurückzuholen, bedeute harte und sehr fordernde Arbeit, ob beim Haustürwahlkampf oder auf sozialen Plattformen. „Sich auf einen bequemen Amtsbonus zu verlassen, das gibt es nirgendwo mehr, in keinem politischen System.“