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Meldung

In Thüringen setzen sich die Pragmatiker durch

Soweit kam es dann auch nicht, als die Brombeer-Verhandler nur wenige Stunden später in Erfurt vor die Presse traten. Gut eine Woche hatten sie da bereits über der Präambel eines möglichen Koalitionsvertrags gebrütet. Gestern nun die Einigung. Heute bereits sollen sieben Arbeitsgruppen mit den Koalitionsverhandlungen beginnen. Knackpunkt war bis zuletzt, ob und welche Formel die Verhandler für das Thema Krieg und Frieden finden werden.

Die Friedensformel: Heraus kam eine durchaus unkonventionelle Lösung, die deutlich weicher ist als jene in Brandenburg. Die drei Parteien betonen, was sie verbindet – und, was sie trennt, ein Eingeständnis also, dass man sich nicht einig ist. So heißt es in der Präambel nun: „CDU und SPD sehen sich in der Tradition von Westbindung und Ostpolitik. Das BSW steht für einen kompromisslosen Friedenskurs.“ Die gemeinsame Klammer folgt im Satz darauf: Hinsichtlich der Notwendigkeit von Waffenlieferungen an die Ukraine seien die Verhandler zwar unterschiedlicher Auffassung, sie eine aber das Ziel, eine diplomatische Lösung des Kriegs voranzutreiben „mit dem Ziel eines Waffenstillstandes“.

Und die Raketen? Bei der Frage der Stationierung von US-Mittelstreckenraketen ist den Verhandlern ein ähnlicher Kompromiss gelungen: Die Verteidigungsfähigkeit des Landes sei von großer Bedeutung, steht in der Präambel. Man erkenne aber an, dass viele Menschen in Thüringen die geplante Stationierung von Mittelstrecken- und Hyperschallraketen kritisch sehen beziehungsweise ablehnen. Anders als in Brandenburg hilft man sich also mit einem Kniff an dieser Stelle: Es sind die Menschen, die die Raketen kritisch sehen, nicht die Verhandler – jedenfalls nicht alle. Und die Thüringer haben sich noch einen weiteren Kniff ausgedacht: BSW-Landeschef Steffen Schütz kündigte an, dass es in dieser Frage auch noch ein Bürgerbeteiligungsverfahren geben soll.

Der Elefant im Raum: Wie sieht Wagenknecht das alles? Die BSW-Chefin sagte SZ Dossier gestern Mittag, das Ergebnis in Brandenburg sei „ein guter Kompromiss“, der zeige, „dass wir nicht mit Maximalforderungen unterwegs sind, wie Herr Merz uns unterstellt“. Sie hoffe, sagte Wagenknecht, dass es „angelehnt an die Brandenburger Formulierungen auch in Sachsen und Thüringen eine Einigung geben wird“. Wagenknecht sagte das zu einem Zeitpunkt, als die Einigung in Erfurt noch nicht bekanntgegeben war, die Einladung zur Pressekonferenz noch nicht einmal verschickt war. Klar war also: Brandenburg ist Wagenknechts Maßstab.

Ihr Plan ging anders: Wagenknecht wollte, dass sich die CDU auf das BSW zubewegt – wie die SPD in Brandenburg. Wenn die CDU die Meinung der übergroßen Mehrheit der Menschen in den betreffenden Bundesländern – gemeint waren Sachsen und Thüringen – ernst nehme, „sollte sie kein Problem haben, das zu unterschreiben“, sagte sie. Also das, worauf sich die Verhandler in Potsdam geeinigt hatten.

Pragmatismus first: So kam es aber nicht. Fürs Erste haben sich die pragmatischen Kräfte in Thüringen durchgesetzt. Die Chefin findet das falsch. Dem Spiegel sagte sie, es sei ein „Fehler“ gewesen, sich nicht an Brandenburg zu orientieren.