Es gibt sie noch, die Debatte über das Heizungsgesetz. Sie zieht die Grünen runter, in Umfragen, bei Wahlergebnissen, begegnet ihnen auf Marktplätzen. „Als geflügeltes Wort werde ich nach wie vor auf das Heizungsgesetz angesprochen“, erzählt Schleswig-Holsteins Energieminister Tobias Goldschmidt, Habecks Nachfolger in diesem Amt, SZ Dossier. Vor gut einer Woche hat CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann versprochen, das Gesetz zu stoppen, sollte die Union die nächste Wahl gewinnen. Für die Union ist das Heizungsgesetz eine Metapher für angeblich überfordernde Klimapolitik.
Im Wahlkampf kommt es wenig darauf an, dass das Gesetz inzwischen wachsweich ist. Und auch nicht darauf, dass unionsgeführte Länder Gesetze beschließen, die schärfer sind. Wie Schleswig-Holstein, wo die Grünen Juniorpartner von CDU-Ministerpräsident Daniel Günther sind. „Wir haben beim Wärmeplanungsgesetz im Vergleich zu den Vorgaben des Bundes noch einmal nachgeschärft, die Kommunen müssen für das Jahr 2040, nicht 2045, ihre Pläne zur Klimaneutralität vorlegen. Ab 2035 dürfen zum Beispiel keine Taxis und Mietwagen mehr genehmigt werden, wenn sie nicht CO2-frei unterwegs sind“, sagt Goldschmidt.
Für die Grünen wird der Wahlkampf 2025 besonders herausfordernd. Sie haben sich in drei Jahren Regierungszeit verloren, es wirkt, als wüssten sie nicht mehr, wer sie sein wollen. Das Heizungsgesetz hängt ihnen nach, Habeck hat noch immer keinen Umgang damit gefunden, der die Grünen damit abschließen ließe. Er hat Fehler eingeräumt, entschuldigt hat er sich nicht. Er hat es dem Vernehmen nach auch nicht vor.
„Beim Heizungsgesetz wurde der Moment verpasst, die Bevölkerung mitzunehmen“, sagt Goldschmidt. Sie seien nach dem russischen Angriff auf die Ukraine im Krisenmodus gewesen, als der Gesetzentwurf erarbeitet worden sei, doch als er in die Öffentlichkeit drang – in einem frühen Stadium, wie die Grünen betonen – sei die Gesellschaft nicht mehr im Krisenmodus gewesen. „Kommunikativ waren die Grünen zu dieser Zeit in einem Boxkampf mit der FDP gefangen. Da kam man nicht mehr raus“, kritisiert Goldschmidt.
Dabei wäre ein guter Umgang damit eine Voraussetzung für einen erfolgreichen Wahlkampf 2025. Wie will die Partei sonst erklären, dass sie für die nächsten vier Jahre Verantwortung übernehmen will? Die Grünen, sagt Goldschmidt, müssten dafür sorgen, dass in einem Wirtschaftswahlkampf „auch der Klimaschutz zu seinem Recht kommt“. Die Themen gehörten ohnehin „untrennbar“ zusammen. „Die Leute haben Klimaschutz nicht satt. Sie wollen mehr Umwelt- und Klimaschutz“, sagt er. Er klingt überzeugt.
Doch wo sind diese Leute? Elf bis 13 Prozent würden die Grünen derzeit wählen. Das Ziel der Partei ist es aber nach wie vor, um Platz 1 bei der Bundestagswahl 2025 zu kämpfen. „Wir Grüne können das Ausgreifen in die Mitte komplett vergessen, wenn wir als Elitenprojekt wahrgenommen werden“, sagte die scheidende Grünen-Chefin Ricarda Lang vergangene Woche der Zeit. Goldschmidt plädiert für mehr Ehrlichkeit, um die Zuschreibung loszuwerden. Klimaschutz bedeute Veränderung: „Es ist unehrlich, wenn man suggeriert, alles könne bleiben, wie es ist, ohne dass man etwas tut. Das stimmt nicht.“
Im vergangenen Jahr erlebte Schleswig-Holstein eine Jahrhundertflut an der Ostseeküste. „Wenn wir den Klimawandel nicht in den Griff kriegen, wird es diese Jahrhundertsturmfluten künftig alle paar Jahre geben. Schleswig-Holstein ist ein Land zwischen zwei Meeren, die Klimakrise ist hier schon heute sehr real. Wenn ich Hunderte von Millionen Euro in die Deiche investiere, fehlen die am Ende in den Kitas oder Schulen. Die Menschen wissen das“, sagte er. Gleichzeitig müssten Klimaschutzmaßnahmen sozial flankiert werden.
Er sieht durchaus Leerstellen in der Kommunikation der Grünen dazu bislang. „Wenn man zu häufig sagt, dass die eigene Politik nicht sozial sei, fangen die Menschen an, es zu glauben. Dabei sind wir Grüne die Partei, die den Menschen am stärksten in den Mittelpunkt stellt: Unsere politische Leitidee ist der Erhalt der Lebensgrundlagen“, sagte er.
Er warnt seine Partei auch vor neuen Zielsetzungen in der Klimapolitik. Ein Wahlkampf wie 2021, bei dem Veränderung das Hauptargument der Grünen für ihre Wahl war, würde 2025 nicht funktionieren. „Wir dürfen nicht anfangen, uns mit Forderungen zu überschlagen, zum Beispiel nach einem noch früheren Erreichen der Klimaneutralität im Land. Wir sind jetzt in der nächsten Phase“, sagte er. Es gebe dank Habeck eine „komplett neue Dynamik beim Ausbau der Erneuerbaren Energien“, sagte er. Nun müssten sie für die Industrie und die Wärmeplanung genutzt werden.
Einer Klimapolitik unter schwarzer Führung sieht er nach siebeneinhalb Jahren Regierungserfahrung im Land gelassen entgegen: „Ich glaube nicht, dass die Klimapolitik einer schwarz-grünen Koalition zwingend hinter die Klimapolitik der Ampel zurückfallen muss.“