von Florian Eder, Gabriel Rinaldi und Tim Frehler
Diese Meldung stammt aus dem folgenden Briefing des Dossiers Platz der Republik:
Vor der zweiten Runde der französischen Parlamentswahl am Sonntag geht es den anderen Parteien, anders als vergangene Woche, nicht mehr darum zu verhindern, dass Marine Le Pens Rechtspartei Rassemblement National (RN) die Wahl gewinnen könnte. Diesmal ist die Frage, ob und wie eine absolute Mehrheit zu verhindern sei und damit die Regierungsübernahme.
Ambitionsniveau: Hauptsache, der RN bleibt in der Nationalversammlung unter 289 Sitzen, das wäre die absolute Mehrheit der Abgeordneten. Dafür nehmen das zweit- und drittplatzierte Bündnis in Kauf, eigene Kandidaten zurückzuziehen, um so die „republikanischen“ Kräfte zu bündeln. Nach einer Auswertung von Le Monde treten mehr als 200 Kandidaten in der zweiten Runde nicht an, obwohl sie könnten. So sinkt die Zahl der Wahlkreise, in denen eine Stichwahl zwischen drei Bewerbern angesetzt war, von etwa 300 auf noch gut 90. Damit gibt es mit 400 doppelt so viele Duelle wie vom Wahlergebnis in Runde I gedeckt.
Geschwätz von gestern: Präsident Emmanuel Macron, der vergangene Woche noch zwischen den Auswirkungen des Erfolgs extremer Rechter wie Linker kaum einen Unterschied sah, spricht sich nun selbst für den Verzicht seiner Partei Renaissance dort aus, wo ihre Kandidaten nur den dritten Platz belegten. Umgekehrt kündigte Jean-Luc Mélenchon, Gründer von La France Insoumise den Verzicht an. „Unbeugsam“ meint explizit: gegenüber EU und dem Nachbarn Deutschland.
Es werde nach der Wahl kein Bündnis mit den Linkspopulisten geben, sagte Macron (vor der Wahl). Dennoch: „Es ist interessant zu sehen, wie in Frankreich über mögliche Koalitionen gesprochen wird. Das wäre für Frankreich ein Novum und potenziell die Entstehung einer neuen politischen Kultur“, sagte Franziska Brantner SZ Dossier, Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium und Vorstandsmitglied der deutsch-französischen Parlamentarischen Gesellschaft.
Erst wird gewählt. Die Frontbildung gegen den RN gelang jahrzehntelang. Dank des Mehrheitswahlrechts war der RN trotz wachsender Erfolge, in Stimmen gemessen, in Sitzen kaum vertreten. Es gelang aber etwa bei der jüngsten Wahl zur Nationalversammlung 2022 immer weniger – weil die nachlassende Parteienbindung auch den Effekt hat, dass Wählerinnen und Wähler derlei Empfehlungen dankend ablehnten und den RN in 89 Wahlkreisen zum Sieger machten.