von Valerie Höhne, Tim Frehler und Gabriel Rinaldi
Diese Meldung stammt aus dem folgenden Briefing des Dossiers Platz der Republik:
Mehr als 100 Vereine haben sich in einem offenen Brief an Kanzler Olaf Scholz gewandt. Sie fürchten um ihre Existenz. Darunter sind Naturfreunde, Kreisverbände der AWO oder die Ortsgruppe Freiburg von Omas gegen rechts.
Warum das wichtig ist: Die Vereine sehen sich immer wieder mit Zweifeln an ihrer Gemeinnützigkeit konfrontiert, wenn sie sich politisch engagieren. Zu „einseitig“ sei ihr Einsatz, heißt es dann. In der Folge müssen sie sich gegenüber Finanzämtern und Rechnungshöfen rechtfertigen. Das kostet „viel Kraft und Arbeit“, sagt Michael Nattke vom Kulturbüro Sachsen, das zu den Unterzeichnern des Briefs gehört. Verlieren Vereine und Organisationen jedoch ihre Gemeinnützigkeit, fallen Steuervergünstigungen weg, Unterstützer können ihre Spende nicht mehr von der Steuer absetzen.
Besonders problematisch: Angesichts des anhaltenden Rechtsrucks wird das Problem immer drängender. Denn laut den Verfassern des Briefs hat die AfD es als Methode für sich entdeckt, den Vereinen das Leben schwer zu machen, indem die Partei Zweifel an ihrer Gemeinnützigkeit schüre. „Wir werden von der AfD beim Finanzamt angezeigt, weil wir ein lokales Bündnis gegen Rechtsextremist*innen aufgebaut haben“, hieß es in dem Brief.
Politische Einflussnahme kein gemeinnütziger Zweck: 2019 sprach der Bundesfinanzhof in der Sache ein wegweisendes Urteil. Demnach ist die Einflussnahme auf politische Willensbildung und die öffentliche Meinung kein eigenständiger gemeinnütziger Zweck. Das Engagement müsse vielmehr auf einen der 26 Zwecke ausgelegt sein, die per Gesetz als förderfähig gelten. Zum Beispiel Tierschutz, Sport oder Heimatpflege. Die Vereine und verschiedene Stiftungen fordern, den Zweckkatalog zu erweitern.
Die Zeit läuft ab: Die Ampel hat sich in den Koalitionsvertrag geschrieben, das Gemeinnützigkeitsrecht zu modernisieren. Im „Jahressteuergesetz 2024“ kommt das Thema aber nicht vor. Die Grünen sehen nun Finanzminister Lindner in der Pflicht: Die Bundestagsabgeordnete Sabine Grützmacher sagte SZ Dossier, sie erwarte, „dass die im Koalitionsvertrag versprochene Gemeinnützigkeitsreform in das Jahressteuergesetz-II eingearbeitet wird“.
In der FDP hat man es nicht so eilig. „Dass sich steuerbegünstigt Vereine gründen, die Politik machen, ist nicht der Deal“, sagte der Abgeordnete Max Mordhorst. Der Sinn von Gemeinnützigkeit liege in der Überparteilichkeit.