von Valerie Höhne, Fabian Löhe und Gabriel Rinaldi
Diese Meldung stammt aus dem folgenden Briefing des Dossiers Platz der Republik:
Wie konnte die SPD derart deklassiert werden? Das fragt sich die Partei seit dem Wahlsonntag. 13,9 Prozent, eine Katastrophe, entsprechend ist die Stimmung. Die Partei hat einen Hang zur Aufarbeitung, nach dem – damals ebenfalls als desaströs empfundenen – Wahlergebnis der Bundestagswahl 2017 (20,5 Prozent) setzte sie eine Arbeitsgruppe ein, die auf 108 Seiten die Fehler analysierte. Dafür hat die SPD nun keine Zeit, die Landtagswahlen im Osten sind schon im September. Ziemlich offen diskutiert die Partei Fehler trotzdem.
Ein Fehler: „Frieden sichern“ auf Plakate drucken, gleichzeitig aber betonen, wie viele Waffen Deutschland der Ukraine liefert. Künftig müsse stärker betont werden, dass Deutschland Frieden wiederherstellen wolle, „aber natürlich wissen wir auch, dass wir das als Deutschland nicht beeinflussen können“, sagte die Abgeordnete Elisabeth Kaiser während eines Pressegesprächs der Parlamentarischen Linken der SPD-Fraktion. Man müsse betonen, dass man auch diplomatische Gespräche führe, da heiße es eben auch, Friedenspartei sein zu wollen. „Was ist gemeint mit Frieden?“, fragte die Abgeordnete Wiebke Esdar, „eben nicht, dass wir die Waffen fallenlassen“, es brauche einen „gerechten und einen freien Frieden“.
Besonders geärgert haben sich Teile der Partei darüber, dass Scholz nicht erklärte, warum die Ukraine jetzt deutsche Waffen auf russischem Staatsgebiet rund um die angegriffene Stadt Charkiw einsetzen darf, sondern eine dürre Mitteilung über Regierungssprecher Steffen Hebestreit verschicken ließ. „Wenn ich damit als einem von drei Kernpunkten werbe, muss ich massive Investitionen kommunikativ leisten, und die wurden nicht geleistet“, sagte Tim Klüssendorf, ebenfalls Abgeordneter und Teil der Parlamentarischen Linken.
Mehr Fehler: Die SPD hat im Vergleich zur Bundestagswahl viele Menschen ans Lager der Nichtwähler verloren, von rund 2,6 Millionen gehen Demoskopen aus. 77 Prozent fanden, die Partei habe viel versprochen, aber bei den Menschen käme wenig an. „In meiner Eigenwahrnehmung haben wir eine Menge getan“, sagte Klüssendorf, er nannte die Mindestlohnerhöhung, die Wohngeldreform, die Steuersenkungen, um die Inflation auszugleichen. „Es ist überhaupt nicht angekommen“, sagte er. Stattdessen glaubten viele nun, durch die Bürgergeldreform lohne es, nicht mehr zu arbeiten. „Wir haben einfach die gesamte Deutungshoheit verloren“, sagte er. „Es gibt tausende Berechnungen, die zeigen, dass es sich immer lohnt zu arbeiten, und trotzdem schaffen wir es nicht, das in der Mitte der Gesellschaft zu verankern.“
Was folgt daraus? An der Basis, so hört man, schwelt die Diskussion über den Kanzler. Doch in der Fraktion ist man sich nach wie vor sicher, dass Scholz antreten wird. Das Prozedere – mindestens außerhalb einer Vertrauensfrage – wäre schlicht nicht vorstellbar.