Die Bundeswehr möchte sich ihre Wehrdienstleistenden selbst aussuchen. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) plant ein neues Wehrpflichtmodell, in dessen Mittelpunkt die vor 13 Jahren ausgesetzte Wehrerfassung steht, schreibt Gabriel Rinaldi. Ab 2025 sollen alle 18-jährigen Deutschen einen Brief samt Online-Fragebogen bekommen. Männer müssen ihn ausfüllen, Frauen dürfen.
Die Uhr tickt: „Man muss davon ausgehen, dass Russland 2029 in der Lage sein wird, einen Nato-Staat anzugreifen“, sagte Pistorius gestern bei der Vorstellung seiner Pläne. Die aktiven Streitkräfte sollen deshalb von derzeit 181.000 auf 203.000 Soldatinnen und Soldaten steigen; zudem soll die Reserve stabiler werden. Angepeilt sind durch den „neuen“ Wehrdienst zunächst 5000 Soldaten zusätzlich pro Jahrgang. Dieses Jahr hat die Truppe rund 10.000 freiwillige Soldaten, die einen Grundwehrdienst leisten.
Auswahlverfahren: Wenn es nach Pistorius geht, sollen sich die 18-Jährigen zunächst Gedanken machen über einen Grundwehrdienst, der sechs Monate dauern würde, oder im besten Fall gleich über eine verlängerte Dienstzeit von bis zu 23 Monaten. Dafür will Pistorius besondere Anreize schaffen, etwa einen kostenlosen Führerschein oder Vorteile bei der Studienplatzvergabe. 40.000 Männer und Frauen eines jeden Jahrgangs sollen zur Musterung eingeladen werden, die Männer verpflichtend, von denen die Bundeswehr diejenigen auswählen will, die am geeignetsten und motiviertesten sind.
Dienstpflicht-Debatte: Der Verteidigungsminister erwartet, dass die Debatte um eine generelle Dienstpflicht oder eine verpflichtende Musterung für Frauen in der nächsten Legislatur kommen wird. Dafür müsste das Grundgesetz geändert werden. Für seinen Plan müsste die Ampel nur an das Wehrpflichtgesetz ran.
Verpflichtende Elemente: Die neuen Soldaten sollen laut Pistorius zwar insgesamt 1,4 Milliarden Euro kosten, im Haushalt 2025 aber vom laufenden Etat getragen werden. In einem Konzeptpapier des Ministeriums heißt es, das neue Modell setze auf Freiwilligkeit, beinhalte „im Bedarfsfall aber auch verpflichtende Elemente“. Dieser Punkt dürfte in der Ampel noch für Diskussionen sorgen. Über die Pläne könne man diskutieren, findet Marcus Faber (FDP). „Bis dahin ist Konsens, und alles, was danach folgt, ist dann das, was nicht so konsensual ist“, sagte der neue Vorsitzende des Verteidigungsausschusses bei Phoenix. Auch aus dem Willy-Brandt-Haus kam zuletzt Kritik.