Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben
Meldung

Koalition in Panik

Diese Meldung stammt aus dem folgenden Briefing des Dossiers Platz der Republik:

„Ich bin sehr dafür, dass wir die FDP vor die Frage stellen, ob sie noch Kompromisse machen will oder nicht“, sagte der Bundestagsabgeordnete Axel Schäfer der SZ und drängte Scholz dazu, angesichts der eigenen Niederlage die Koalitionsfrage zu stellen – der FDP. „Ich glaube, der Haushalt ist die Stunde der Wahrheit“, sagte er. Fehler machen immer die anderen: Es dürfe am Ende nicht so sein, dass Herzensanliegen der SPD nicht zu bezahlen seien „und die FDP mit der Schuldenbremse durchkommt“.

Mit der Ruhe in der Koalition ist es vorbei, in der SPD vor allem. Es war risikoreich für die SPD, die Europawahl zu einer Abstimmung über die Europa-, die Sicherheits- oder „Friedens“-Politik des Bundeskanzlers zu machen.

Wer war’s nochmal? Ob nun die Leute Scholz den postulierten großen Einfluss auf den Gang der Dinge in Brüssel („Deutschlands stärkste Stimmen“) nicht abnahmen oder mit den Themen und Inhalten seiner Kampagne nichts anzufangen wussten, werden sich die Großstrategen noch anzuschauen haben. Das Scheitern aber SPD-Spitzenkandidatin Katarina Barley oder EU-Frontmann Nicolas Schmit anzuhängen, trauten sich noch die Forschesten nicht. Barley stand gestern im Foyer des Willy-Brandt-Hauses, eine Gruppe junger Sozialdemokraten prostete ihr mit vollen Sektgläsern zu. „An Dir lag's nicht“, sagte einer.

Es macht keinen Unterschied für das Drama: Die Kanzlerpartei kommt in einer bundesweiten Wahl rund 15 Monate vor der nächsten Bundestagswahl nur auf Platz 3, landet hinter der AfD. Bei einer bundesweiten Wahl war die SPD noch nie so schlecht.

Am Wahlabend waren erste Risse in den Beschwörungen zu hören, die Menschen würden sich schon für den Bewährten und „Besonnenen“ entscheiden, wenn sie nur vor die Wahl zwischen Scholz und Merz gestellt würden. Die Frage, ob die Bundesregierung eine neue, womöglich nicht zu heilende Wunde davon getragen hat, teilt der Sozialdemokrat Schäfer allerdings mit den Verantwortlichen der Union.

Ist es drinnen oder draußen kälter? Für die FDP stellt sich wieder die Frage. Wenn, dann soll es jedenfalls nicht die SPD anstoßen: „Erstens wird keine Vertrauensfrage gestellt“, sagte Bijan Djir-Sarai in der ARD und hatte eine Geheimformel parat, die er auf die knapp fünf Prozent anwandte: Es kämen „sieben oder acht“ heraus, wenn die Wahl eine zum Deutschen Bundestag gewesen wäre, sagte er. Die Formel verriet er wohlweislich nicht.

Die Grünen litten leise. Ein Minus von acht Prozentpunkten auf nur noch zwölf Prozent sorgte für Trauer in Berlin und für eine Annäherung an die EVP in Europa. Co-Fraktionschef Bas Eickhout beteuerte, die Grünen wollten an Gesprächen zur Bildung einer Koalition im Europäischen Parlament beteiligt werden und verbat sich konservative Fragen an die Zuverlässigkeit seiner Partei. „Wir sind bereit für Kompromisse, wir sind bereit Verantwortung zu übernehmen“, sagte Grünen-Chefin Ricarda Lang.

Zu Hause hinterfragten die ersten die Struktur der vielen Köpfe. Zwei Fraktionsvorsitzende, zwei Parteivorsitzende, dazu Außenministerin Annalena Baerbock und Wirtschaftsminister Robert Habeck. Es gibt Grüne, die glauben, sie müssten nun vor allem mehr Sozialpolitik machen, andere, siehe den Vorstoß zum Lieferkettengesetz von Robert Habeck, sehen das gänzlich anders. Ist die Sechserrunde, bei den Grünen das mächtigste informelle Gremium, noch zeitgemäß? Sie hat viel zu besprechen, inklusive Nabelschau.