Bundeskanzler Olaf Scholz dringt also auf eine Vertiefung des europäischen Binnenmarkts, auf „zügige“ Vollendung vor Jahrzehnten begonnener Vorhaben in Sachen Banken und Kapitalmärkten: Der größte Binnenmarkt der Welt „hat seine Potenziale und Möglichkeiten noch lange nicht ausgeschöpft“, sagte er nach dem Gipfel in Brüssel.
Aufgepasst: Die „Zeit der Ausflüchte“ sei vorbei, sagte Scholz, jetzt müsse was passieren, da sei er sich im Übrigen einig mit dem französischen Präsidenten – und da sollte man doch aufhorchen und eine Plausibilitätsprüfung machen, denn das sind die beiden ja sonst selten, wenn es nicht gerade um Banalitäten geht.
So sieht es aus … Der geplante Beitritt der Ukraine erfordert eine grundlegende Reform der Ausgaben und Einnahmen der EU. Die nötige massive Militärhilfe, damit es die Ukraine zu dem Zeitpunkt auch noch gibt, lässt sich im heutigen EU-Budget nicht abbilden. Ohne kräftiges und anhaltendes Wirtschaftswachstum in den kommenden Jahren wird beides politisch schwer vermittelbar sein: Die EU hat große Pläne und heute nicht das Geld dafür.
… und alle Regierungschefs wissen es: Es geht um kurzfristige Mittel und langfristige Strukturen. In der Regel vergehen einige Jahre und eine Großkrise, bis die EU-Staaten die Lücke zwischen Ehrgeiz und Mittelausstattung schließen. Die Zeichen deuten darauf hin, dass wir uns nicht mehr ganz am Anfang dieses Prozesses befinden. Dass die USA ein riesiges Subventionsprogramm für die grüne Transformation aufgelegt haben, könnte ihn beschleunigen.
Aber noch ist die Not nicht so groß, dass etwa Eurobonds viele Fans hätten. Und auch der erneute Versuch einer „Kapitalmarktunion“, die eine mindestens zum Teil gemeinsame Aufsicht zur Folge hätte, wurde in Brüssel recht kritisch debattiert. Die Tabus werden allerdings weniger, je öfter eines davon fällt, wie begrenzte gemeinsame Kreditaufnahme oder abseits des normalen Haushalts finanzierte Sondertöpfe; mit dem Kanzler sitzt da ja ein Experte für letzteres am Tisch.
Fürs Erste soll es der Kapitalmarkt richten. Man werde das Thema nach den Europawahlen auf die Tagesordnung der nächsten Kommission setzen, sagte Scholz noch. Europa brauche mehr privates Geld, um bestehen zu können. „Ich glaube, dass wir also in diesem Feld jetzt endlich Fortschritte sehen werden.“