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Meldung

Von der Leyen muss sich erklären

Ursula von der Leyen ist in Rechtfertigungsnot: Europaabgeordnete und, das ist neu, Verfahrensbeteiligte bezweifeln, dass bei einer Personalentscheidung der Kommissionspräsidentin die fachliche Eignung der Bewerberinnen und Bewerber und das Geschlechterverhältnis in Führungspositionen die gewichtigsten Argumente waren.

Hors Classe: Es geht um den Posten eines EU-Beauftragten für Kleine und Mittlere Unternehmen. Den Job – nun neu eingestuft als Berater Hors Classe mit Grad AD 15, Generaldirektor-Ebene, zu Kosten von demnach einer guten Million Euro über die sechs Jahre Amtszeit plus Spesen – bekam am 31. Januar Markus Pieper, Europaabgeordneter der CDU, via Beschluss des Kommissionskollegiums.

🚨 „Ich lege hiermit Beschwerde gegen die Ernennung ein, um eine begründete Entscheidung zu erhalten und die oben genannte Ernennung zu revidieren“, schrieb Martina Dlabajová mit Datum vom 28. Februar an die zuständige Generaldirektion für Personal. Ihr Brief liegt SZ Dossier vor.

„Piepergate“: Die tschechische Europaabgeordnete, Mitglied der liberalen Renew-Fraktion, war wie Pieper auf der Shortlist, wie die Kommission bestätigt. Sie sei die Favoritin des zuständigen Binnenmarkt-Kommissars Thierry Breton und habe in der unabhängigen Evaluation als beste abgeschnitten, berichtete La Matinale Européenne. Das Morgenbriefing für den lateinischen Reichsteil kommt aus der Feder zweier Veteranen des Brüsseler Pressecorps, die als erste über „Piepergate“ berichteten. Die Kommission versicherte seither mehrfach, das im Herbst gestartete Auswahlverfahren sei über die Zweifel erhaben.

Auch wahr: Pieper brauchte keinen Versorgungsposten und der Sache besonders sicher war er sich auch nicht. Er war zum Zeitpunkt seiner Ernennung auf dem sicheren Listenplatz 5 der NRW-CDU für die anstehende Wahl zum Europaparlament gesetzt. Erst danach machte der Landesvorstand einen Vorschlag, den Platz neu zu besetzen: in einer Sondersitzung, im Silbersaal der Westfalenhalle, wie ein Teilnehmer sagte, unmittelbar vor der Landesvertreterversammlung Anfang Februar, die dann die neue Liste annahm. Auf ihr konnten Frauen weiter aufrücken, nicht zur Unzufriedenheit der Parteiführung.

Aber: Es ist ein sehr gut bezahlter Job. Von der Leyen habe einem Parteifreund den Vorzug gegeben (vor, nun, anderer Leute Parteifreunde), mutmaßen Europaabgeordnete. „Medienberichten zufolge soll die Parteizugehörigkeit des erfolgreichen Kandidaten bei seiner Ernennung eine entscheidende Rolle gespielt haben. Können Sie bestätigen, dass diese Medienberichte falsch sind?“, wollen 14 liberale, grüne und sozialdemokratische Abgeordneter in einer gemeinsamen schriftlichen Anfrage von der Kommission wissen; eine herrlich hinterfotzige Frage.

Verbatim: Die unterlegene Dlabajová interessiert sich in ihrer Beschwerde dafür, ob „die objektive Bewertung meiner Verdienste“, also Ergebnisse von Tests und Auswahlgesprächen, „und die sich daraus ergebenden Rangfolge der drei in die engere Wahl gezogenen Bewerber“ berücksichtigt wurden. Plus, ob das in der Ausschreibung erklärte Ziel, den Anteil von Frauen in Führungspositionen weiter zu erhöhen auch galt, wenn ein Bewerber der Partei der Chefin angehört.

Dem Ranking muss die Kommission nicht folgen. Die Genderbalance ist ebenso ein Soll. Dlabajová hat da eine Frage: „Falls das Kommissionskollegium seine Entscheidung nicht auf die oben genannte objektive Bewertung und das erklärte Ziel gestützt hat, welche anderen Erwägungen waren dann ausschlaggebend für diese Entscheidung?“