Beginnen wir mit Emmanuel Macron. Die „strategische Ambiguität“, die sich eine Atommacht leisten kann und muss, habe ihn getrieben, von der Möglichkeit der Präsenz westlicher Truppen in der Ukraine zu sprechen, so sagten seine Leute zunächst. Gegen Ende der Woche hielten sie auch in Paris echtes Zurückrudern für angemessen. Der französische Präsident: Stärke im Wort, übers Geld nicht so sehr.
Oder doch mit Olaf Scholz: Der sprach ungewöhnlich viel, gleich am Montag dieser Woche. Er sah Anlass sich zu erklären, wir Sterbliche verstehen ihn sonst ja nicht: keine Truppen, da stimmte auch die Opposition zu. Er werde aber nicht einmal Marschflugkörper liefern, sagte Scholz. Verantwortung, Kriegspartei, drohender Weltenbrand, der Taurus keine Wunderwaffe. Führung durch Ablenkung.
Na dann. Er erlebe „erstens einen Streit darüber, was die Ukraine nicht braucht und zweitens einen Streit darüber, was die Ukraine nicht bekommt“, sagte Michael Roth, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, von der SPD, gestern Abend im ZDF bei Maybrit Illner. „Wir sollten lieber die Zeit nutzen, darüber zu reden, was die Ukraine dringend braucht – nämlich Munition, Munition, Munition.“
Europas Armeen sind unterbesetzt und unzureichend ausgerüstet, gerade die Bundeswehr. Die französische Debatte „kommt dem eigentlichen Problem vielleicht sogar näher“, sagte ein Diplomat eines der Parteinahme zwischen den beiden unverdächtigen dritten Landes: „Tun wir genug?“
Hier drei Schlüsse aus der Woche:
1. Spoiler, die Antwort ist nein. Reichen die im Vergleich zu Berlin mickrigen Beiträge anderer reicher europäischer Länder? Aber reichen denn die über sieben Milliarden Euro, die Deutschland dieses Jahr für die Ukraine ausgibt? Für Verteidigungspolitiker, mit denen wir sprachen, war die Frage vor allem, was eigentlich gemeint sein könnte mit Scholz’ „as long as it takes – außer“.
Eine Frage über die Woche hinaus. Wladimir Putin „pflastert den Weg nach Kyiv mit den Leichen seiner Soldaten“, sagte ein in Deutschland stationierter Diplomat. Statische Verteidigung kostet Menschenleben, und die Ukraine hat einen großen Nachteil gegenüber der angreifenden Diktatur. Ihr helfen weder eineinhalb Dutzend Leos noch Scalp, Storm Shadow, oder Taurus – Macrons Polemik zu „Helmen und Schlafsäcken“ war selbst von daher nicht nötig.
2. Ja, ist teuer. Was die Ukraine braucht, ist Munition in sehr großen Mengen (wir hatten es hier vergangene Woche davon), für vielleicht viele Jahre; nach Transnistrien haben wir dabei noch gar nicht eigens geschaut.
Das hieße für Berlin, wenn man das wollte, die europäische Verteidigungsindustrie mit einer langfristigen Perspektive auszustatten und so lange in Amerika einzukaufen, trotz Bauernprotesten, trotz industriepolitischer Konkurrenz mit Frankreich – und trotz der SPD-Fraktion des Kanzlers, die einen Gegensatz aufmacht zwischen Sozialem und Sicherheit.
3. Leider binär: Sicherheit gibt es oder es gibt sie nicht. So verhält es sich auch mit der Freiheit jedenfalls für diejenigen, die sie einmal genießen durften.
Das ist keine Erkenntnis, die wir exklusiv haben. Der Rest der Legislaturperiode sollte zeigen, ob sie durchschlägt auf kommende Bundeshaushalte. Halbe Sicherheit jetzt könnte heißen, so fürchten es im Gespräch nicht CDU-Falken, die dem Bundeskanzler übel wollen, sondern Verantwortliche in hohen europäischen Regierungsämtern: vielleicht bald keine mehr.