In seiner eigenen Rede versuchte Merz dann, Führungsstärke und Zuversicht zu vermitteln. Zwischen außenpolitischer Krisenrhetorik und innenpolitischem Pflichtprogramm zog er auch in der anschließenden Regierungsbefragung eine erste Zwischenbilanz der schwarz-roten Bundesregierung. Dabei wechselte er zwischen Innen- und Außenkanzler und zwischen altem und neuem Merz.
Abarbeiten an der AfD: Merz konterte nicht nur die Angriffe von Parteichefin Weidel, er bezog sich auch inhaltlich immer wieder auf die AfD, etwa beim Thema Migration. „Sie werden jetzt langsam ihr politisches Kampfthema los, dem Sie Ihre Existenz verdanken“, sagte Merz. Er will klare Kante zeigen, läuft allerdings Gefahr, die Themen der AfD damit noch weiter in den Mittelpunkt zu rücken.
Alt und neu: Während Merz in seiner Rede am Vormittag austeilte, blieb er in der Regierungsbefragung sehr ruhig. Die meisten Fragen beantwortete er kurz und knapp. „Ja“, sagte er etwa, als die AfD-Abgeordnete Beatrix von Storch ihn fragte, ob er es vor seinem Gewissen verantworten könne, die Juristin Frauke Brosius-Gersdorf für das Amt einer Richterin am Bundesverfassungsgericht zu wählen. Merz antwortete nüchtern, ohne auf Konfrontation zu setzen: „Wir tun alles, um Menschen, die queer sind, ein gutes und auch ein sicheres Leben in unserer Gesellschaft zu ermöglichen“, sagte er, als es um die Bedrohungen queerer Menschen ging.
Innen und Außen: Einen wesentlichen Teil seiner Rede widmete Merz dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine und der deutschen Außenpolitik insgesamt. „Die Mittel der Diplomatie sind ausgeschöpft, wenn ein verbrecherisches Regime mit militärischer Gewalt das Existenzrecht eines ganzen Landes offen infrage stellt“, sagte er. Innenpolitisch betonte er vor allem die Wachstumspläne, das Thema Migration sowie das Bürgergeld. Merz verteidigte die Wiedereinführung der Grenzkontrollen, stellte aber klar, es soll sie nur so lange geben, bis eine gemeinsame europäische Lösung gefunden werde. Das Bürgergeld soll schon im Herbst reformiert werden.
Zwischenbilanz: 65 Tage seiner Kanzlerschaft sind bereits vergangen, 70 Tage hatte sich die schwarz-rote Regierung als erste Zielmarke gesetzt. „Wir haben viel angepackt, wir haben einiges erreicht, aber es bleibt noch sehr viel zu tun“, sagte Merz. In den kommenden Monaten wird es wohl stärker um Innenpolitik gehen. Er wirkte bemüht, Tempo und Tatkraft zu vermitteln. Die offenen Baustellen zeigten sich dann in den Fragen der Opposition.
Dissens beim Klimaschutz: Etwa zur Stromsteuer, die Merz verteidigte, oder zu den Maskeneinkäufen von Jens Spahn. Auch beim Klimaschutz zeigten sich Differenzen: Merz sagte, selbst „wenn wir alle zusammen morgen am Tag klimaneutral wären in Deutschland, würde keine einzige Naturkatastrophe auf der Welt weniger geschehen“ – der SPD-Abgeordnete Karl Lauterbach reagierte auf X, damit könne „kein Wissenschaftlicher einverstanden" sein: „Mit dieser Argumentation könnten hunderte Länder den Klimaschutz sofort beenden“, schrieb Lauterbach.