Die SPD hatte sich viel vorgenommen: einen Neustart, neue Stärke, frische Ideen, unbelastetes Personal. Nach dem Desaster bei der Bundestagswahl wollte sie wieder Gewicht gewinnen – und der Union etwas entgegensetzen. Dafür hat die Partei ein neues Leitmotiv ausgegeben: „Gerechtigkeit“. Unter Olaf Scholz war es noch „Respekt“, jetzt soll es wieder nach mehr klingen: Der Parteitag 2025 stand ganz im Zeichen der Erneuerung.
Das Motto: „Veränderung beginnt mit uns“. Zurück zu den Wurzeln – oder, wie es heute heißt, zu den „fleißigen Menschen“. So war der Plan. Er ging nicht ganz auf.
Der Parteitag, ein Drama in drei Akten.
Erstens: Parteichef Lars Klingbeil wollte sich im Amt bestätigen lassen. Ihm war klar, dass seine Machtfülle (Parteichef, Vizekanzler, Finanzminister) zu Lasten von Esken, Heil und anderen intern für Unmut sorgt. Also sprach er den Elefanten im Raum direkt an: „Ich weiß, dass ich euch einiges abverlangt habe die vergangenen Monate. Und ich kann euch nicht versprechen, dass es nach vorne nicht auch immer wieder so sein wird.“ Genutzt hat es nichts.
Klingbeil wurde abgewatscht. Warum genau – unklar. Von wem – hat er in der vorhergehenden Aussprache jedenfalls nicht erfahren. Das Ergebnis: 64,9 Prozent Zustimmung ohne Gegenkandidat. Bärbel Bas bekam als neue Co-Vorsitzende 95 Prozent. Klingbeil, sichtlich angefressen, dachte dem Vernehmen nach kurz über einen Rücktritt nach. Nur: Wer hätte ihn ersetzt? Und was hätte das für die Koalition mit der Union bedeutet? Ein abgewählter Parteichef – das wäre auch wieder keine gute Ausgangslage neben dem selbstbewussten Merz, um sich für die nächste Wahl aussichtsreich aufzustellen.
Also, zweiter Akt: Wunden lecken, weitermachen. Statt Aufbruch erst einmal Abschied – von Scholz und Saskia Esken. Scholz lobte sich selbst und verteilte einen Seitenhieb in Richtung Klingbeil: „Ich habe alles, was ich getan habe, niemals in einer Profilierung gegen die SPD getan.“ Aua.
Die Partei rang mit sich: über das Friedensprofil, über das Russland-"Manifest" von Rolf Mützenich und Ralf Stegner, über die Wehrpflicht. Ein Kompromiss zwischen Jusos und Pistorius wurde gefunden. In der Partei hoffte man, das schlechte Klingbeil-Ergebnis werde sich „über die Sommerpause versenden“.
Die Vorsitzende der NRW-SPD, Sarah Philipp, seit Samstag Mitglied des Parteivorstands, sagte SZ Dossier am Samstag: „Ich finde das Ergebnis für Lars Klingbeil nicht schön, es war jetzt auch nicht hilfreich, gar keine Frage.“ Im Nachgang müsse man nun gemeinsam dafür sorgen, den Parteitag gut zu Ende zu bringen.
Das schien zunächst gelungen – dritter Akt. Ein Stück Einigkeit gab es am Ende doch: Mit breiter Mehrheit beschloss der Parteitag, die Prüfung eines AfD-Verbotsverfahrens zu fordern. Klingbeil sprach erneut, nannte das Vorhaben eine „historische Aufgabe“, der Applaus war merklich lauter als zuvor. Auf den Kampf gegen rechts konnten sich alle verständigen – und klatschten sich mit Verve durch den Schlussakt.
Doch die Euphorie hielt nicht lange. Alexander Schweitzer, der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, warnte vor Aktionismus: „Ich bin nicht gegen ein AfD-Verbotsverfahren, ich bin dafür, wenn man es nutzt, es aber auch zum Erfolg bringt – und nicht vorzeitig damit beginnt und womöglich eine harte juristische, aber auch politische Niederlage in Kauf nimmt“, sagte er. So viel zum schärferen Profil.
Generalsekretär Tim Klüssendorf hatte angekündigt, die SPD müsse über die Regierungsarbeit hinaus wieder erkennbar werden. Die AfD-Debatte böte Potenzial – auch für Streit mit der Union. Ob der Erneuerungsprozess, der bis zum nächsten ordentlichen Parteitag 2027 abgeschlossen sein soll, das Potenzial hat, die Union als Volkspartei ernsthaft herauszufordern, bleibt auch nach drei Tagen SPD-Drama offen.