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Briefing

Platz der Republik,

Die Prioritäten des Außenkanzlers

Guten Morgen. Als Friedrich Merz gestern Abend in Amsterdam landete, ging es für den Bundeskanzler direkt weiter per Wagenkolonne nach Den Haag zum Nato-Gipfel. Derweil startete Nato-Generalsekretär Mark Rutte per Messenger eine Charmeoffensive, die Trump offenbar so gut gefiel, dass er sie gleich mit der Weltöffentlichkeit teilte.

Der US-Präsident veröffentlichte die private Korrespondenz auf Truth Social: Rutte gratuliert darin dem US-Präsidenten zu seinen Errungenschaften im Nahen Osten. Die Luftangriffe auf die iranischen Atomanlagen seien „wahrhaft außerordentlich gewesen“ – niemand außer Trump hätte gewagt, so etwas zu tun. Zudem kündigte Rutte an, Trump werde „zu einem weiteren großen Erfolg in Den Haag“ fliegen.

Rutte, dem ein guter Draht zu Trump nachgesagt wird, schmeichelt dem US-Präsidenten recht direkt: „Donald, du hast uns zu einem wirklich, wirklich entscheidenden Moment für Amerika, Europa und die Welt geführt. Du wirst etwas bewerkstelligen, was KEIN anderer amerikanischer Präsident in Jahrzehnten geschafft hätte“, heißt es in der Nachricht. Europa werde „GEWALTIG“ Geld hinlegen.

Merz sollte sich jedenfalls gut überlegen, was er Trump schreibt: Komplimente sind noch immer der Goldstandard. Wir schauen heute darauf, was der Kanzler gestern im Bundestag gesagt hat und worum es in Den Haag geht.

Willkommen am Platz der Republik.

1.

Bundeskanzler Friedrich Merz hat einen Waffenstillstand im Gazastreifen gefordert. Dazu sei „gerade heute und in diesen Tagen“ der Moment gekommen, sagte er bei seiner Regierungserklärung im Bundestag. Deutschland stehe weiter an der Seite Israels, aber erlaube sich, „kritisch nachzufragen, welches Ziel Israel im Gazastreifen erreichen will“. „Und wir mahnen einen menschenwürdigen Umgang mit den Menschen im Gazastreifen an, vor allem mit den Frauen, den Kindern und den Älteren“, sagte Merz.

Krieg im Nahen Osten: Israel habe ein Recht darauf, seine Existenz und die Sicherheit seiner Bürgerinnen und Bürger zu verteidigen, sagte Merz. Iran dürfe deshalb keine Nuklearwaffen besitzen, die Auslöschung Israels sei über Jahre die Staatsräson des Mullah-Regimes.

Merz‘ Hoffnung: „Wir hoffen, dass das Vorgehen Israels und der Vereinigten Staaten von Amerika in den letzten Tagen Iran dauerhaft davon abbringt, seinem zerstörerischen Ziel noch näherzukommen.“

EU-Israel-Beziehungen: Merz rief Iran und Israel auf, dem Aufruf von US-Präsident Donald Trump zu einem Waffenstillstand zu folgen. Gleichzeitig stellte der Kanzler vor dem Europäischen Rat klar, Deutschland sei dagegen, die im EU-Assoziierungsabkommen mit Israel vereinbarten erleichterten Handelsbeziehungen auf Eis zu legen. „Ein Außerkraftsetzen oder gar eine Kündigung dieses Abkommens kommt mit der Bundesregierung nicht infrage“, sagte Merz.

Back to business: In seiner Regierungserklärung legte er den Schwerpunkt auf die Nato. „Wir dürfen uns nie an Kriegsgräuel gewöhnen“, sagte der Kanzler. Deutschland könne aus Bündnissen wie der EU und der Nato heraus mitgestalten, wie sich die Welt in den nächsten Jahren entwickelt. Um dies zu tun – es folgt das Leitmotiv der Regierungserklärung – brauche es Stärke und Verlässlichkeit nach innen und nach außen. Deutschland, sagte Merz, sei zurück auf der europäischen und internationalen Bühne.

Bedrohung aus Moskau: Was die höheren Verteidigungsausgaben angeht, betonte der Kanzler, man tue das nicht, um den USA und Trump einen Gefallen zu tun. „Wir tun das aus eigener Anschauung und Überzeugung“, sagte Merz. Vor allem Russland bedrohe die Sicherheit und Freiheit des gesamten euroatlantischen Raums „aktiv und aggressiv“. Man müsse befürchten, „dass Russland den Krieg über die Ukraine hinaus fortsetzen wird“.

Sein Fazit: „Wir müssen gemeinsam so stark sein, dass es niemand wagen kann, uns anzugreifen.“

Aus einem Guss: „In diesen Zeiten führt kein Weg an Diplomatie vorbei“, sagte SPD-Fraktionschef Matthias Miersch in der Aussprache. Außerdem mahnte er zum Einhalten des Völkerrechts. Auffällig: Miersch lobte ausdrücklich die Arbeit von CDU-Außenminister Johann Wadephul, der sich in den vergangenen Tagen stets vorsichtiger geäußert hatte als der Kanzler. „Machen Sie bitte so weiter, wie Sie begonnen haben“, sagte Miersch. Zuvor hatte auch Merz seinem Außenminister gedankt.

2.

Weil Russland in Europa Krieg führt und mit Drohungen selbst gegen Nato-Mitgliedstaaten nicht spart, muss schnell aufgerüstet werden. So lautet seit Wochen der Spin von Nato-Generalsekretär Mark Rutte und der meisten der 32 Staats- und Regierungschefs, die heute in Den Haag das Ziel beschließen wollen, bis 2035 die Ausgaben für Sicherheit auf fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen. Aus Den Haag berichtet Peter Ehrlich.

Faktor Trump: Aber der größte Unsicherheitsfaktor bei internationalen Gipfeln ist heutzutage nicht Wladimir Putin, sondern Donald Trump. Man nimmt hin, dass die Bedrohung in der Abschlusserklärung durch Russland nur halbherzig als „Langfristbedrohung“ beschrieben wird. Man freut sich, wenn das Wort Ukraine überhaupt auftaucht und damit die wesentlich klareren Formulierungen vom letzten Gipfel in Washington ihre Gültigkeit behalten.

Selenskij musste bangen: Alle hatten sich schon darauf eingestellt, dass der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij wie schon vergangene Woche bei den G7 in Kanada nur halb dabei sein würde. Beim Treffen mit der Rüstungsindustrie (dazu mehr in unserem Dossier Geoökonomie) oder morgen Nachmittag mit den wichtigsten Europäern. Erst im Anflug auf den Gipfel verriet Trump dann Journalistinnen und Journalisten: „Wahrscheinlich werde ich ihn sehen.“ Vielleicht meinte er aber auch nur das Staatsbankett bei König Willem Alexander, zu dem Selenskij gestern Abend unmittelbar vor Kanzler Friedrich Merz erschien.

Rutte spielt MAGA: Nachdem Trump genervt ins Flugzeug Richtung Niederlande gestiegen war, weil Israel und Iran seine Waffenstillstandsankündigung nicht einwandfrei umgesetzt hatten, erreichte ihn eine persönliche Nachricht von Rutte, die ganz in Trumps MAGA-Stil verfasst war (siehe Intro). Ruttes größte Sorge ist, dass die Zweifler an den fünf Prozent – etwa Spaniens Ministerpräsident Pedro Sanchez – trotz der Vorab-Einigung auf den Abschlusstext ihre Bedenken äußern. Schon gestern nannte Trump die spanische Haltung „unfair“. Sanchez hatte erklärt, Spanien könne die Anforderungen mit nur gut zwei statt 3,5 Prozent einhalten, was auch im Nato-Hauptquartier stark bezweifelt wird.

Dann könnte der Fünf-gegen-Fünf-Deal infrage stehen, die inoffizielle Leitlinie des Dokuments. Alle geben fünf Prozent und dafür bekennt sich Trump klar zu Artikel 5, der gegenseitigen Beistandsverpflichtung. Im Flugzeug nach Europa sagte Trump kryptisch, es gebe „mehrere Interpretationen des Artikel 5“, aber er habe viele Freunde in Europa, denen er helfen werde. Wie es sich anhört, wenn man nicht nach Trumps Pfeife tanzt, bekam gestern ja erst Israel zu spüren: Als Trump den Eindruck gewann, Israel werde die Waffenruhe nicht einhalten, verkündete er im Befehlston: „Holt die Piloten zurück“. Sollte diese Waffenruhe bis morgen gehalten haben, wird es viele Dankadressen in der Nato-Runde geben.

3.

Die Arbeitsgruppe von Bund und Ländern hat sich darauf geeinigt, wie die Einnahmeausfälle, die das Investitionspaket bei Ländern und Kommunen verursacht, ausgeglichen werden sollen. Spoiler: Vor allem für den Bund wird es teuer: Er ersetzt den Kommunen vollständig die 13,5 Milliarden Euro, die ihnen bis 2029 durch die Steuersenkungen des Investitionsboosters fehlen. Geregelt wird das über die Umsatzsteuer.

Worauf sich die Verhandler noch geeinigt haben:

Länder können sich freuen: Auch sie erhalten Geld. Acht Milliarden zwischen 2026 und 2029 – also gut die Hälfte ihrer Einnahmeausfälle. Das Geld kommt aus dem Sondervermögen für Infrastruktur und Klima. Die eine Hälfte erhalten die Länder über ein neues Förderprogramm für Investitionen in ihre Bildungs- und Betreuungsinfrastruktur sowie Kitas. Die andere Hälfte bekommen sie, indem der Bund die Summe erhöht, die er jährlich in den Fonds zur Modernisierung der Krankenhäuser bezahlt. Außerdem übernimmt der Bund die Kosten für Zinsen und Tilgung des 100-Milliarden-Sondervermögens für die Länder, das die auch noch ohne Rücksicht auf die Zusätzlichkeit der Investitionen ausgeben dürfen – und zwar auch für Bereiche wie Sport und Kultur und Innere Sicherheit.

Grüße nach Düsseldorf: Vor allem Nordrhein-Westfalen hatte im Vorfeld der MPK auf Fortschritte beim Thema kommunale Altschulden gepocht. Dort sind in diesem Jahr Kommunalwahlen. Laut dem Ergebnispapier soll nun umgesetzt werden, was Union und SPD bereits im Koalitionsvertrag festgehalten haben: Der Bund wird sich mit 250 Millionen pro Jahr zur Hälfte an Maßnahmen jener Länder beteiligen, die ihre hoch verschuldeten Kommunen entlasten.

Geld ebnet den Weg: Fortschritte bei diesem Thema waren stets schwierig. Hoch verschuldete Kommunen sind nur in wenigen Ländern ein Problem – eine Lösung braucht aber die Zustimmung des Bundesrates. Entsprechend stellte sich lange die Frage, wie man Länder wie Bayern oder Baden-Württemberg ins Boot bekommt, die nicht davon profitieren, wenn sich der Bund an Maßnahmen zur Entschuldung der Kommunen beteiligt. Ein unter Finanzminister Christian Lindner (FDP) erstelltes Eckpunktepapier schloss im vergangenen Jahr noch aus, dass auch sie Geld vom Bund erhalten sollen. Das aber ist jetzt geplant.

Grüße nach München: Der Bund will die Geberländer im Finanzausgleich um 400 Millionen Euro pro Jahr entlasten – das betrifft derzeit Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Hamburg. Auch darauf hatte sich Schwarz-Rot im Koalitionsvertrag geeinigt. Die Summe wird entsprechend dem Anteil des jeweiligen Landes am Finanzausgleich verteilt. Weil Bayern am meisten in den Ausgleich einzahlt, fließt der größte Batzen nach München. Auch für die ostdeutschen Länder hat die Arbeitsgruppe eine Vereinbarung getroffen: Der Bund will einen um zehn Prozentpunkte höheren Anteil an der Finanzierung von Sonderrenten aus DDR-Zeiten übernehmen – ebenfalls ein Versprechen aus dem Koalitionsvertrag.

Was bleibt? Die Länder können mit den Ergebnissen zufrieden sein, sie haben durch ihre Blockademacht im Bundesrat viel für sich herausgeholt. Für die Städte und Gemeinden bedeutet der Beschluss der Arbeitsgruppe: Auf sie kommen zwar zunächst keine neuen Belastungen zu, ihre strukturellen Haushaltsprobleme aber bleiben. Der Bund hat sich die Einigung teuer erkauft – dafür soll sie noch vor der Sommerpause durch den Bundesrat.

Es werden drei Tage Dauerspagat: Von Freitag bis Sonntag will die SPD nach der Wahlniederlage ihren Erneuerungsprozess einläuten. Es sollen neue Linien und eine große Erzählung gefunden werden, mit der die Sozialdemokratie das Vertrauen der Wählerinnen und Wähler und auch der Mitglieder wiedergewinnen will.

Fast 20 Jahre nach dem Hamburger Programm von 2007 soll ein neues Parteiprogramm erarbeitet werden, der Anfang wird am Wochenende gemacht. Die SPD will sich als Partei der Arbeit reformieren, so steht es im Leitantrag und so proklamierte es die Parteispitze in den vergangenen Tagen. In Vorbereitung auf den Parteitag in Person des designierten Generalsekretärs Tim Klüssendorf – auf der Regierungsbank übernimmt dies Arbeitsministerin Bärbel Bas.

Doch hier ist die Krux: Die SPD ist in der schwarz-roten Regierung an die Kompromisse des Koalitionsvertrags gebunden. „Extrem schmerzhafte Kompromisse“, wie Klüssendorf gestern im Willy-Brandt-Haus betonte. Da geht nur so viel, schließlich hat sich die Koalition ebenso dazu verpflichtet, in Stille und ohne öffentlichen Streit ihre Arbeit zu verrichten, um die Fehler der Ampel nicht zu wiederholen.

Brav unter der Union arbeiten und Kompromisse umsetzen – da fragt sich, wie sich die gestutzte SPD aus der Profil- und Bedeutungslosigkeit kämpfen will. Nicht ohne Reibung zu erzeugen, das ist auch der Parteispitze klar. Es gehe darum zu differenzieren, was die Partei an Programmatik neu erarbeite und dem, was als Regierungsauftrag für die kommenden vier Jahre festgehalten sei, so Klüssendorf. „Wir müssen immer eine Balance zwischen den Zwängen des Koalitionsvertrags und dem freien Denken halten.“

Drei Themen, mit denen die Partei ihr Profil schärfen könnte:

Antifaschismus: Beim Thema Kampf gegen Rechts hat die Linke der ehemaligen Widerstandspartei SPD bei der Wahl gehörig den Rang abgelaufen. Jetzt treiben die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ein mögliches AfD-Verbotsverfahren voran. Nachdem sich in den vergangenen Tagen Parteiprominente wie der Vorsitzende Lars Klingbeil, Justizministerin Stefanie Hubig und Thüringens Innenminister Georg Maier dafür ausgesprochen haben, soll auf dem Parteitag ein Initiativantrag des Parteivorstandes verabschiedet werden.

„Wenn rechtsextreme Ideologie nicht nur auf der Straße, sondern auch in Parteien und Parlamenten Fuß fasst, wird politische Pluralität nicht gelebt, sondern gezielt missbraucht – von Kräften, die sich außerhalb unserer Verfassungsordnung stellen und darauf hinarbeiten, ebendiese Ordnung abzuschaffen“, heißt es in dem Antrag. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe soll Material für ein Feststellungsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht sammeln. Sollte es zu einem Verbotsverfahren kommen, wäre das in der Tat ein Erfolg für die Partei – von dem sie allerdings erst spät profitieren würde: In der Regel dauern diese Prozesse mehrere Jahre.

Faire Löhne: Wenn es schon Verschärfungen in der Arbeitswelt geben muss, um die Wirtschaft zu retten, wie es die Union fordert (mehr und länger arbeiten), dann soll diese Arbeit aus Sicht der Arbeitervertreter wenigstens gut entlohnt werden. Die SPD verweist an dieser Stelle oft auf den Gewerkschafterbegriff „Tariftreuegesetz“, den sie in den Koalitionsvertrag hineinverhandelt hat: „Tariflöhne müssen wieder die Regel werden und dürfen nicht die Ausnahme bleiben“, steht da.

Und dann ist da noch der Mindestlohn. Als wäre es abgesprochen, verkündet die Mindestlohnkommission am Freitagmittag in der Bundespressekonferenz ihre Einschätzung dazu, wie hoch der Mindestlohn in Zukunft ausfallen sollte. Knapp zwei Stunden später spricht die Genossin und DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi ein Grußwort auf dem Parteitag. Eine Chance für die SPD, die Debatte in die gewünschte Richtung zu lenken.

Klüssendorf sagte gestern dazu: „Wenn das geeinte Ergebnis in die richtige Richtung geht, dann sind wir sehr zufrieden damit, auch wenn dann 14,92 statt 15 Euro dabei rauskommen.“ Die Partei hatte kurz nach der Konstituierung der Regierung für einen ersten Dissens mit der Union gesorgt, als sie proklamierte, der Mindestlohn von 15 Euro komme auf jeden Fall – und werde zur Not gesetzlich festgeschrieben. Im Sinne des geräuschlosen Regierens wird man dieses Versprechen nicht halten können. Aber sollte ein zumindest annäherndes Ergebnis am Ende der Mindestlohn-Gleichung stehen, kann die SPD dies als Erfolg ihres Einsatzes für die „hart arbeitenden Menschen“ (Klingbeil) verbuchen.

Linkes Spitzenpersonal: So pointiert wie der Linken um ihren Shootingstar Heidi Reichinnek wird es der SPD wohl nicht gelingen, über Persönlichkeiten ihr Profil zu schärfen. Aber mit der qua Ressort mächtigsten Frau in der Regierung – der parteilinken Bildungsaufsteigerin Bas – und dem ebenfalls linken Generalsekretär Klüssendorf ist Parteichef Klingbeil schon mal einen Schritt in diese Richtung gegangen.

Sie setzen regelmäßig ihre Themen und sind weniger belastet als der ewig aneckende Ralf Stegner oder die parteiintern abgesägte Saskia Esken. Komplettiert werden Bas und Klüssendorf vom Klingbeil-Vertrauten Matthias Miersch. Ebenfalls ein Parteilinker und nun als Fraktionschef an entscheidender Stelle.

Zwar ist Verteidigungsminister Boris Pistorius weiterhin der beliebteste Politiker Deutschlands, doch mit dem neuen Personaltableau an der Spitze der Partei könnte es der SPD gelingen, ihre Positionen immer wieder prominent zu platzieren. Auch das sind schließlich Ziele des Leitantrags: personelle Erneuerung und eine klarere Kommunikation über die eigene Politik. Der Plan steht also. Wie gut die Umsetzung klappt, wird sich spätestens bei den nächsten Landtagswahlen im Frühjahr 2026 zeigen.

von Elena Müller

4.

Kürzungen in Entwicklungspolitik: Gegen den gestern im Kabinett beschlossenen Haushaltsentwurf 2025 und die Eckwerte 2026 regt sich Widerstand. „Mit dem heute verabschiedeten Entwurf für den Haushalt 2025 zerstört die Bundesregierung Vertrauen, gefährdet mühsam erreichte Fortschritte und bricht mit dem jahrzehntelang verfolgten internationalen Ziel, mindestens 0,7 Prozent der Wirtschaftskraft für Entwicklungszusammenarbeit bereitzustellen“, sagte Tobias Hauschild, Leiter Soziale Gerechtigkeit bei Oxfam Deutschland, am Dienstag.

Zeichen aus dem BMZ: Deutschland folge damit dem Beispiel vieler wohlhabender Staaten, die ihre Entwicklungsausgaben zurückfahren. „Der Wegfall internationaler Unterstützung wird für zahllose Menschen Hunger und Armut bedeuten sowie die Lernchancen von Kindern gefährden“, sagte Hauschild. SPD-Entwicklungsministerin Reem Alabali Radovan sagte hingegen, Deutschland bleibe verlässlicher Partner für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in der Welt.

Der Anteil sinkt weiter: „Wir stehen zu unserer Verantwortung in der Welt – trotz schmerzhafter Vorgaben für Haushaltseinsparungen im Entwicklungsbereich durch die Vereinbarungen des Koalitionsvertrages“, sagte sie. Die deutsche Entwicklungspolitik bleibe dennoch verlässlich. Das BMZ muss mit 900 Millionen Euro weniger auskommen: Im Entwurf sind 10,3 Milliarden Euro vorgesehen, 2024 waren es noch 11,2 Milliarden Euro. Bereits im vergangenen Jahr wurde die 0,7-Prozent-Vorgabe mit 0,67 Prozent nicht eingehalten – der Anteil dürfte weiter sinken.

5.

Sudhof-Bericht im Haushaltsausschuss: Bei den Haushälterinnen und Haushältern des Deutschen Bundestages ist gestern die Mail eingegangen, auf die viele von ihnen seit Monaten gewartet hatten. Der Bericht der Sonderermittlerin Margaretha Sudhof zur Maskenaffäre um den ehemaligen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Dieser soll in der heutigen Sitzung zu dem Bericht befragt werden, das Dokument liegt SZ Dossier vor.

Gegenmeinung im Anhang: Das Bundesgesundheitsministerium unter Leitung von Nina Warken (CDU) hat es sich nicht nehmen lassen, dem Bericht eine 16-seitige Stellungnahme beizufügen. Darin distanziert sich das Haus explizit von Sudhof, springt Spahn in diversen inhaltlichen Punkten zur Seite – und wirft dabei nur noch mehr Fragen auf, wie Christina Berndt, Markus Grill und Vivien Timmler in der SZ schreiben.

Wer wusste was? So steht in dem Begleitschreiben, es sei „dem BMG nicht bekannt“ gewesen, dass im Innenministerium damals bereits ein funktionsfähiges Konzept zur Lagerung und Verteilung der Masken vorlag. Auch daran weckt der Sudhof-Bericht Zweifel. Demnach war das Konzept mehrmals explizit Thema im Corona-Krisenstab, dem auch Vertreter des Gesundheitsministeriums angehörten.

6.

Linke hat Fraktionsvorstand gewählt: Die Bundestagsfraktion der Partei die Linke hat gestern ihren Vorstand gewählt, oder eher: die Interimsführung im Amt bestätigt. Heidi Reichinnek (94,8 Prozent Zustimmung) und Sören Pellmann (72,4 Prozent) behalten ihre Posten. Erste Parlamentarische Geschäftsführerin ist Ina Latendorf (87,9 Prozent).

Stellvertretende Vorsitzende sind die Leiterinnen und Leiter der Arbeitskreise: Janine Wissler (Arbeit, Umverteilung und soziale Sicherheit), Luigi Pantisano (Wohnen, Mobilität und Klimaschutz), Nicole Gohlke (Gesundheit, Bildung und Lebensweisen), Clara Bünger (Recht, Demokratie und Antifaschismus), Desiree Becker (Internationales, Menschenrechte und Frieden). Auch die frauenpolitische Sprecherin der Fraktion, Kathrin Gebel, gehört als stellvertretende Fraktionsvorsitzende zum Fraktionsvorstand.

Jede Friedenstaube, die wir nach Moskau geschickt haben, ist vom russischen Bären zerfetzt worden.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann ordnet im Bundestag die Gesprächsversuche mit Moskau ein

Berlins Innensenatorin sieht nach Sturm Zios am Montag Aufklärungsbedarf. Sie befürchtet, im Umgang mit dem Sturm seien Fehler begangen worden – jedoch nicht in der eigenen Behörde, sondern beim Deutschen Wetterdienst (DWD). „Wir haben wirklich die Situation gehabt, dass alle Fahrzeuge in Berlin unterwegs waren“, sagte Iris Spranger (SPD) gestern nach einer Senatssitzung. In der Hauptstadt war die Feuerwehr am Montag zu mehr als 500 Einsätzen ausgerückt. Eine Frau kam ums Leben, weitere Menschen wurden schwer verletzt. Der S-Bahn-Verkehr fiel stundenlang aus.

So wie am Montag sei die Situation selten und müsse deshalb noch einmal analysiert werden, sagte Innensenatorin Spranger. Sie hat Fragen: „Auch ich möchte natürlich wissen, war das jetzt eine Fehleinschätzung des Deutschen Wetterdienstes?“ Schließlich habe die Feuerwehr ihre Maßnahmen auf Grundlage des DWD entschieden.

Der Wetterdienst hatte eigenen Angaben zufolge schon am Sonntag vor hohen Windstärken gewarnt, am Montagvormittag dann vor schweren Sturmböen: „Wir haben die Feuerwehr in einer Videokonferenz auf das Wetterereignis am Abend hingewiesen. Wir haben unsere Informationspflicht erfüllt“, sagte ein DWD-Meteorologe der Bild. Fest steht: Warnungen gab es, Entscheidungen auch. Jetzt geht es darum, wer welche getroffen hat.

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