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Briefing

Platz der Republik,

Die SPD will sich neu erfinden

Guten Morgen. Die Präsidentschaftswahl in Polen zieht erste Konsequenzen nach sich: Ministerpräsident Donald Tusk sagte gestern im polnischen Fernsehen, er werde demnächst im Parlament die Vertrauensfrage stellen. Die Arbeit seiner Regierung unter dem neuen Präsidenten werde „Einheit und Mut“ der Dreier-Koalition erfordern. Die Vertrauensabstimmung solle dafür ein erster Test sein.

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Die deutsche Bundesregierung verschickte ihre Glückwünsche an Wahlsieger Karol Nawrocki gestern Abend. Allerdings war es in Betreff und Titel zunächst noch „Bundeskanzler Scholz“, der gratulierte. Im zweiten Anlauf wurde der Fehler korrigiert.

Gleich mehr dazu, wie Vertreter aus Deutschland den Wahlausgang in Polen einschätzen. Vorher aber noch ein Veranstaltungshinweis in eigener Sache: Mit dem Präsidenten des Kiel Instituts für Weltwirtschaft, Moritz Schularick, spricht Felix Lee, Redakteur im Dossier Geoökonomie, am Donnerstag über das Thema Wachstum durch Aufrüstung. Es wird darum gehen, ob es Panzer braucht, um die Konjunktur anzukurbeln und wie sich Europas Streitkräfte modernisieren lassen – möglichst ohne Technik aus den USA.

Die beiden diskutieren ungefähr eine Stunde lang. Beginn ist um 14 Uhr. Anmelden können Sie sich hier.

Herzlich willkommen am Platz der Republik.

1.

Es war eines der zentralen Themen der Union im Wahlkampf und eines der ersten, das Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) nach seiner Amtsübernahme anpackte: die Zurückweisungen an der Grenze. Die hat das Berliner Verwaltungsgericht gestern allerdings für rechtswidrig erklärt. Es ist das bundesweit erste Gerichtsurteil in dieser Frage. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Um wen geht es? Um zwei Männer und eine Frau aus Somalia. Die drei kamen mit dem Zug aus Polen nach Deutschland. Am 9. Mai kontrollierte sie die Polizei am Bahnhof Frankfurt (Oder). Die Somalier äußerten ein Asylgesuch, wurden aber am selben Tag von der Polizei nach Polen zurückgewiesen – mit der Begründung, sie seien aus einem sicheren Drittstaat eingereist. Dagegen wehrten sich die drei mit Eilanträgen, wie das Gericht gestern mitteilte.

Wie begründet das Gericht die Entscheidung? Mit der Dublin-Verordnung. Wer auf deutschem Boden ein Asylgesuch äußert, dürfe nicht zurückgewiesen werden, ohne dass per Dublin-Verfahren ermittelt wurde, welcher Staat für die Prüfung des Falls zuständig ist, heißt es in der Mitteilung des Gerichtes. Konkret bedeutet das: Die deutschen Behörden müssen Geflüchtete – wenn sie Asyl begehren – erst einmal ins Land lassen und klären, ob ein anderer Staat für sie zuständig ist. Sollte das der Fall sein, wird ein sogenanntes Übernahmeersuchen gestellt. Erst, wenn der betreffende Staat dem zustimmt, kann ein Asylbewerber theoretisch abgeschoben werden. Die Beschlüsse des Gerichts sind nicht anfechtbar.

Und was ist mit der Notlage? Die lässt das Gericht nicht als Begründung gelten. Die Bundesrepublik Deutschland könne sich nicht darauf berufen, die Dublin-Verordnung angesichts einer Notlage nicht anzuwenden, sagten die Richter. Insbesondere könne sie sich bei den Zurückweisungen nicht auf Art. 72 AEUV stützen. Laut dem Gericht fehlt es an der „hinreichenden Darlegung einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung.“

Wie reagiert die Bundesregierung? Innenminister Dobrindt sagte gestern, die drei Somalier hätten bereits am 2. und am 3. Mai versucht, die Grenze zu überqueren – und zwar ohne Asylbegehren. Das hätten sie erst bei ihrem Versuch am 9. Mai geäußert. An den Zurückweisungen will Dobrindt festhalten. Er strebt eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren an. Das Gericht habe ausführlichere Begründungen für die Zurückweisungen verlangt, die werde man liefern, sagte Dobrindt.

2.

„Die Auswirkungen werden sich vor allem als Herausforderung für die Innenpolitik Polens darstellen“, sagte der neue Polen-Beauftragte der Bundesregierung, Knut Abraham (CDU), über das Ergebnis der polnischen Präsidentschaftswahl. Sein Fazit: „Präsident und Regierung werden nunmehr weiterhin nicht aus einem gemeinsamen politischen Lager kommen, sondern stark rivalisieren. Das wird eine Kohabitation nicht einfach machen.“

Knappes Ergebnis: Bei der Wahl lag Karol Nawrocki, der Kandidat der rechtsnationalistischen PiS-Partei, im zweiten Wahlgang mit 50,89 Prozent der Stimmen vor dem Warschauer Bürgermeister Rafał Trzaskowski mit knapp 49,11 Prozent (mehr dazu hier). Abraham erwartet für Berlin und Brüssel keine schweren Zeiten: „Außenpolitisch werden sich keine wesentlichen Veränderungen ergeben. Die Grundkonstanten für Polen bleiben die Mitgliedschaft in EU und Nato und die Unterstützung der Ukraine“, sagte er SZ Dossier. Dabei werde es „mit Sicherheit“ auch unter Karol Nawrocki bleiben.

Steinmeier und Merz gratulieren: Regierungssprecher Stefan Kornelius sagte gestern in der Regierungspressekonferenz, Merz schließe sich der Gratulation von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier an. Die Bundesregierung sei angesichts des Wahlergebnisses „weder überrascht noch erfreut“. Gleichwohl ließ er sich einen Kommentar zur Innenpolitik nicht nehmen: „Wir hoffen, dass, nachdem der Wahlkampf jetzt vorbei ist, auch wieder ein bisschen Gelassenheit und Vernunft einzieht und der Blick auf Deutschland wieder an Sachthemen gemessen wird und in eine ruhigere Beobachtung hineinkommt.“

Auch Abraham blieb gelassen. „Wir sollten die Zusammenarbeit mit dem neuen polnischen Staatspräsidenten pragmatisch angehen“, sagte er. Es sei positiv, dass Steinmeier Nawrocki schon nach Berlin eingeladen habe. Die bilateralen Beziehungen seien gut, aber immer sehr sensibel. „So erwarte ich, dass die polnische Kritik an den von uns für dringend erforderlich gehaltenen Grenzkontrollen und Zurückweisungen eher zunehmen wird“, sagte Abraham. Zugleich erwartet er eine neue Debatte über Entschädigungen für die von Deutschland zu verantwortenden Verwüstungen während des Zweiten Weltkrieges.

Zentrales Thema Migration: Besonders wichtig für die künftige Zusammenarbeit zwischen Berlin und Warschau sei es aus Sicht des Polen-Beauftragten, einen gemeinsamen Ansatz bei der Migration zu finden. „Das bedeutet vor allem eine dauerhafte Lösung bei der effektiven Kontrolle der EU-Außengrenzen. Sowohl Deutschland als auch Polen haben doch die gleiche Herausforderung“, sagte Abraham. Da sollte es doch möglich sein, sich auch über Lösungen zu verständigen. Polen sei ein für die Zukunft Europas zentrales Land. „Mit einer boomenden Wirtschaft, mit einer starken Armee“, betonte Abraham. „Wir Deutsche können froh sein, ein solches Partnerland an unserer Seite zu haben.“

3.

Innerhalb der Union bahnt sich ein Richtungsstreit über die Unterstützung Israels an. „Freunde kann man kritisieren, aber nicht sanktionieren. Das wäre das Ende der Staatsräson gegenüber Israel und das ist mit der CSU nicht zu machen“, sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann dem Spiegel. Zuvor hatte CDU-Außenminister Johann Wadephul angekündigt, Waffenlieferungen nach Israel auf den Prüfstand zu stellen. Es ist nicht das erste Mal, dass sich die CSU kritisch äußert.

Was zuvor geschah: Wadephul hatte in einem Interview mit der SZ eine Überprüfung der deutschen Waffenexporte an Israel angekündigt. Es werde geprüft, sagte Wadephul, „ob das, was im Gazastreifen geschieht, mit dem humanitären Völkerrecht in Einklang zu bringen ist“. An dieser Prüfung ausgerichtet, würden gegebenenfalls weitere Waffenlieferungen genehmigt. Auf die Nachfrage, ob das auch dazu führen könne, dass Lieferungen nicht genehmigt werden würden, betonte Wadephul, das sage ja die Formulierung.

Es passt in die neue Linie der Regierung. Auch Bundeskanzler Friedrich Merz hatte sich in der vergangenen Woche kritischer geäußert – und den militärischen Einsatz im Gazastreifen in Zweifel gestellt. Die im Gazastreifen ankommenden Hilfslieferungen seien nur „ein Tropfen auf den heißen Stein“, sagte Wadephul der SZ. „Dabei geht es um die Gewährung grundlegender Menschenrechte. Die Kranken und die Schwachen und die Kinder sterben als Erstes“, sagte Wadephul. Als Konsequenz habe Deutschland die Sprache verändert und werde „im nächsten Schritt wahrscheinlich auch das politische Handeln ändern“.

Keine Einigkeit in der Koalition: Wie der Spiegel weiter berichtet, soll auch CSU-Innenminister Alexander Dobrindt Merz darauf hingewiesen haben, dass er eine solche Einschätzung nicht teile. Dobrindt hatte öffentlich erklärt, dass er einen Stopp der Waffenlieferungen ablehnt – Zusagen für die Unterstützung Israels mit Waffen müssten „weiter eingehalten werden“. Demnach soll in der Kabinettssitzung vergangenen Mittwoch auch Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) vor allzu großer Härte gegenüber Israel gewarnt haben. Seine Partei hat derweil gestern eine Resolution zur Haltung im Konflikt verabredet.

Israel habe das Recht auf Selbstverteidigung. Das gehe aber mit der Verantwortung einher, selbst das Völkerrecht zu achten und die Verhältnismäßigkeit des Einsatzes in Gaza zu wahren. „Diese Verhältnismäßigkeit ist nicht mehr gegeben“, heißt es im Papier des SPD-Präsidiums. Die „katastrophale humanitäre Lage“ sei „absolut inakzeptabel“ und müsse sofort beendet werden – ein Aushungern der Bevölkerung des Gazastreifens lasse sich unter keinen Umständen rechtfertigen. Zudem dürften aus Deutschland gelieferte Rüstungsgüter nicht für „völkerrechtswidrige Militäraktionen“ eingesetzt werden.

4.

Beim zentralen Smart-City-Programm der Bundesregierung fehlen ein politisches Bekenntnis und die nötigen Mittel. Die hunderte Millionen Euro schwere Initiative, die 2019 vom damaligen Innenminister Horst Seehofer (CSU) gestartet wurde, steht beispielhaft für viele Digitalvorhaben der vergangenen Jahre: Es floss zwar viel Geld; auf welche übergeordnete Strategie die Mittel und Förderprojekte konkret einzahlen sollen – und wie das Ganze langfristig weiterläuft – ist aber nicht definiert worden. Matthias Punz von unserem Dossier Digitalwende berichtet.

Wertvolle Reallabore: In mehreren Förderstaffeln finanziert der Bund Smart-City-Vorhaben in 73 Modellkommunen – von der smarten Parkbank, über Park-Apps bis hin zu vernetzten Klimaprojekten. Im Koalitionsvertrag der Ampel war festgehalten worden, dass ein Stufenplan und ein eigenes Kompetenzzentrum zum Thema dafür sorgen sollen, dass die Förderprojekte bundesweite Wirkung erzielen, Wissen zentral gesammelt und eine Anlaufstelle für Kommunen geschaffen wird. Beides wurde nie umgesetzt. Im neuen Koalitionsvertrag fehlt das Thema komplett.

Stillstand: Einen Anlauf für den Stufenplan und ein Kompetenzzentrum gab es vergangenes Jahr. Ein Beirat aus Expertinnen und Experten segnete einen Stufenplan aus dem Bundesbauministerium ab. Darin enthalten war auch ein Vorschlag, wie das Kompetenzzentrum aufgebaut werden soll. Die Digitalministerkonferenz (DMK) hat den Stufenplan im Herbst beschlossen – und vom Bund eine Anschubfinanzierung unter anderem für das geplante Kompetenzzentrum gefordert. Aus dem BMWSB kam seitdem aber nichts mehr, weshalb die Länder das Thema nicht auf die Agenda der Digitalministerkonferenz (DMK) gesetzt haben, die kürzlich stattfand.

Relevanz bleibt: Ein Sprecher der hessischen Digitalministerin Kristina Sinemus (CDU) sagte SZ Dossier, dass die Initiative weiterhin die „Grundvoraussetzung für eine flächendeckende Digitalisierung der kommunalen Daseinsvorsorge“ sei. Der Ansatz sollte „unbedingt weiterverfolgt werden“. Hessen fordert zudem, dass das BMWSB das neue Bundesdigitalministerium in der Sache einbinden soll.

Verwundert: Im Bundesbauministerium zeigte man sich wiederum überrascht, warum die Länder das Thema nicht auf die DMK-Agenda gesetzt haben. Eine Sprecherin verwies darauf, dass bisher nicht klar sei, in welchem Umfang sich die Länder beteiligen würden. Sie räumte allerdings auch ein, dass bisher unklar sei, ob vom Bund künftig überhaupt Geld kommen wird. Darüber entscheiden die Bundeshaushalte 2025 und 2026.

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Den „Fortschritt“ aus der Ampel-Zeit konnte die SPD nicht in die schwarz-rote Regierung hinüberretten, die nennt sich jetzt ja Arbeitskoalition. Deshalb beansprucht die SPD den Fortschritt nun für die eigene Neuausrichtung: Die Partei soll „mit ihrem Fortschrittsversprechen als treibende Kraft für eine freie, gerechte, solidarische und nachhaltige Zukunft erkennbar sein“.

So steht es im Leitantrag, der beim Bundesparteitag in Berlin in rund vier Wochen verabschiedet werden soll. Jenes Wochenende Ende Juni ist zugleich der Startschuss für eine programmatische Überarbeitung der Partei, an deren Ende nach zwei Jahren ein neues Grundsatzprogramm stehen soll.

Der Leitantrag unter dem Claim „Veränderung beginnt mit uns“ verspricht, dass die SPD auch als Juniorpartnerin in einer Koalition mit der Union „endlich strukturelle Ungerechtigkeiten und lange bestehende Probleme“ angehen könne – ein hehres Ziel, angesichts der Tatsache, dass sie zuletzt die größte der drei Ampelparteien war und den Bundeskanzler stellte. In dieser Zeit konnte sie die Wählerinnen und Wähler aber offensichtlich nicht von sich überzeugen und fuhr mit 16,4 Prozent ein niederschmetterndes Ergebnis ein.

Nach dem Wahldebakel sollte eine Kommission aufarbeiten, was schiefgegangen war. „Wir haben schonungslos aufgeschrieben, dass wir nicht zufrieden sind“, sagte der designierte Generalsekretär Tim Klüssendorf nach der gestrigen Sitzung des SPD-Parteivorstands.

Das Gremium hat mit der Verabschiedung des Leitantrags das offizielle Go für die Neuausrichtung gegeben. Es bedürfe einer grundsätzlichen programmatischen Klärung, wofür die SPD steht und für wen sie Politik macht, sagte Klüssendorf: „Nach der katastrophalen Wahlniederlage darf kein Stein mehr auf dem anderen bleiben.“

Man habe viel Vertrauen verspielt. Auch deshalb gibt das Papier vor, dass sich die programmatische Arbeit der SPD nicht in der „konstruktiven Begleitung von Regierungspolitik erschöpfen“ dürfe. Die Zeit in der Verlegenheitskoalition mit der Union will die SPD nutzen, um sich zur Vorwärtspartei zu mausern, deren Kern die soziale Gerechtigkeit ist. Doch auch wenn Co-Parteichef Lars Klingbeil unentwegt von den „hart arbeitenden Menschen“ spricht, will sich die SPD nicht mehr nur auf das Erbe der Arbeiterpartei, die sie einmal war, verengen lassen.

Im Papier sind insbesondere „Arbeitnehmende, junge Menschen und von sozialer Verunsicherung betroffene Gruppen“ genannt, die sich von der SPD abgewandt hätten. Die SPD stehe weiterhin für das Versprechen, „dass Herkunft nicht über Zukunft entscheidet.“ Klüssendorf formulierte es am Montag so: „Wir wollen ein Gesellschaftsbild entwickeln, dass sich nicht nur auf eine Gruppe fokussiert.“

Doch nicht nur beim Fokus auf die Wählerschaft soll es einen Shift geben, auch die Akteure in der Partei sollen andere werden. Klüssendorf selbst ist bereits Teil der personellen Veränderung, die Klingbeil seit dem Wahldebakel vorantreibt. Klüssendorf ist jung, motiviert, links, unverbraucht und unvorbelastet, das macht ihn zum Pars pro Toto für die angestrebte personelle Neuaufstellung.

Die hat Klingbeil seit der Wahl bei sich selbst beginnend und mithilfe seines Getreuen Matthias Miersch in der Fraktion bereits vollzogen – und das nicht ohne Opfer: Noch-Co-Parteichefin Saskia Esken muss ihren Platz räumen, zu wenig Rückhalt hat sie in der neuen Konstellation. Auf dem Parteitag Ende Juni sollen dann die Personalia festgeklopft werden: Klüssendorf wird vom designierten zum „richtigen“ Generalsekretär, Klingbeil will sich im Amt bestätigen lassen und Arbeitsministerin Bärbel Bas soll neben ihm für die Parität die Doppelspitze komplettieren.

Neben einer neuen Verortung im Wählerspektrum und der programmatischen Neuausrichtung soll auch die Sprache der SPD eine andere werden. Die Partei sei nicht davon befreit, zu viele Floskeln zu benutzen, sagte Klüssendorf am Montag. Es gehe darum, offen und transparent zu kommunizieren, die SPD wolle jetzt „Klartext reden“ und einen „Dialog auf Augenhöhe“.

Unter Punkt vier im Leitantrag heißt es: „Wer Orientierung geben will, muss Haltung zeigen und sie nach außen tragen – durch werteorientierte Kommunikation.“ Bei so vielen Floskeln kann man gespannt bleiben, ob es die mit dem Rebranding der SPD beauftragten Spindoktoren in Zukunft besser machen.

von Elena Müller

5.

Vor Merz‘ Reise nach Washington war gestern ein Mann in Berlin zu Gast, in den die Bundesregierung große Hoffnungen setzt, um den Druck auf Russland zu erhöhen: US-Senator Lindsey Graham. Der Republikaner hat im US-Senat gemeinsam mit dem Demokraten Richard Blumenthal ein Sanktionspaket gegen Russland erarbeitet. Das richtet sich vor allem gegen Länder, die weiter russisches Öl und Gas kaufen. Gestern traf Graham in Berlin nach eigenen Angaben sowohl Bundeskanzler Merz als auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Außenminister Johann Wadephul.

Was sagt Trump? Graham sagte gestern, er glaube, dass der US-Präsident das Sanktionspaket unterstützen werde. Es diene nämlich dazu, dass Trump den Hebel in die Hand bekomme: „Das Ziel ist, Putin an den Verhandlungstisch zu bringen und den Krieg zu beenden“, sagte Graham im Interview mit den ARD-Tagesthemen.

6.

Die HSC ist eröffnet: Entwicklungsministerin Reem Alabali-Radovan (SPD) hat gestern die zweite Hamburg Sustainability Conference (HSC) eröffnet. Dort kommen noch heute Vertreterinnen und Vertreter aus über 110 Ländern zusammen, um über die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen zu beraten. Besonders im Mittelpunkt steht in diesem Jahr der verantwortungsvolle Umgang mit KI.

KI-Erklärung auf der Agenda: Dazu soll die „Hamburg Declaration on Responsible AI for the SDGs“ verabschiedet werden. „Nicht nur Staaten, sondern auch Zivilgesellschaft, Wissenschaft, Privatwirtschaft und internationale Organisationen haben sich auf Nachhaltigkeits-Prinzipien für künstliche Intelligenz verständigt“, sagte Alabali-Radovan in ihrer Eröffnungsrede. „Denn nur gemeinsam können wir dafür sorgen, dass die KI unserem Planeten und den Menschen nützt, vor allem auch jenen im Globalen Süden.“

Große Herausforderungen: Internationale Zusammenarbeit sei nach Auffassung von Alabali-Radovan aktuell wichtiger denn je. Die Herausforderungen seien riesig, betonte sie. Viele traditionelle Foren seien blockiert, der Wert und Nutzen internationaler Zusammenarbeit werde aggressiv infrage gestellt. „Die regelbasierte internationale Ordnung wird aktiv untergraben“, sagte sie. Besonders der Rückzug der USA treffe die internationale Zusammenarbeit und das multilaterale System mit voller Härte.

Meine Tür wird stets für alle offen stehen.

Als neu gewählte Präsidentin der UN-Generalversammlung will Annalena Baerbock als „ehrliche Vermittlerin“ auftreten, wie sie in ihrer Dankesrede bei den Vereinten Nationen in New York sagte

Zum Schluss ein kurzer Überblick über die Nachrichten der vergangenen Tage: In Deutschland schickt sich die Koalition an, eine Wirtschaftswende herbeizuführen, gerade erst hat der Finanzminister einen ersten Entwurf vorgelegt, um Unternehmen zu entlasten. Zuvor hat sich die schwarz-rote Regierung auf ein Sofortprogramm geeinigt, mit mehr als 60 Spiegelstrichen. Polen hat gewählt und in der Ukraine und im Nahen Osten wird immer noch gekämpft. Ganz nebenbei plant der Kanzler seinen Antrittsbesuch beim US-amerikanischen Präsidenten. Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Genug Themen, die Aufmerksamkeit verdienen. Und doch hält sich seit mehr als einer Woche die Diskussion um den Pullover der Grünen-Jugend-Chefin Jette Nietzard mit dem Aufdruck ACAB. Selbstverständlich auch, weil sich alle Beteiligten Mühe geben, sie am Laufen zu halten.

Gestern nun die nächste Wendung: Nachdem Bundestagspräsidentin Julia Klöckner mit Konsequenzen bis hin zur Geldstrafe oder dem Entzug des Hausausweises für den Bundestag gedroht hat, soll Nietzard nun von der Politischen Geschäftsführerin der Grünen, Pegah Edalatian, ins Gebet genommen werden. Das kündigte Grünen-Chefin Franziska Brantner an.

Vielleicht ist das dann die vorerst letzte Wendung der Geschichte. Vielleicht aber auch nicht.

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