„Ich will die deutsche Entwicklungspolitik konsequent an wirtschaftlicher Wirksamkeit und strategischer Partnerschaft ausrichten“, sagte Wolfgang Stefinger im Interview mit SZ Dossier. Künftig wird der Fachpolitiker die Arbeit des Bundesministeriums für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (BMZ) noch intensiver aus dem Parlament beobachten, als er es in den vergangenen Jahren ohnehin getan hat. Der Münchner CSU-Politiker ist gestern zum Vorsitzenden des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung im Bundestag gewählt worden.
Es ist eine besondere Ausgangssituation: Die Union wollte das BMZ ursprünglich ins Auswärtige Amt integrieren – und als eigenes Ressort abschaffen. Der Ton im Koalitionsvertrag: Die Entwicklungszusammenarbeit soll vor allem deutschen Interessen dienen. So werden etwa der Zugang zu Rohstoffen genannt und die Exportförderung für die deutsche Wirtschaft. Hinzu kommt: Schwarz-Rot will Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik ohnehin gemeinsam denken.
Doch während die CDU das Außenministerium bekommen hat, ist das BMZ bei der SPD gelandet. Reem Alabali-Radovan, die neue Entwicklungsministerin, stellte bereits in ihrer ersten Rede klar: Es geht auch darum, gemeinsam mit den Partnern Hunger und Ungleichheit im Globalen Süden zu bekämpfen. In weiteren Interviews führte sie aus, dass es auch weiterhin um Engagement in Krisenregionen gehe. Man müsse beides tun.
Stefinger betonte den Aspekt der Hilfe zur Selbsthilfe. „Wir müssen gezielter in wirtschaftliche Entwicklung investieren: Arbeitsplätze schaffen, Infrastruktur stärken, lokale Märkte aufbauen“, sagte Stefinger. Darin sieht er auch Chancen für Deutschland. „Viele unserer Partnerländer verfügen über strategisch wichtige Rohstoffe und Wachstumspotenziale“, sagte er. Wenn Deutschland dort gezielt investiere und Kooperationen aufbaue, schaffe man eine „Win-Win-Situation“. Und auch neue Perspektiven für die deutsche Wirtschaft: „Gerade mit Blick auf Fachkräfte, Energieversorgung und klimarelevante Technologien.“
Entwicklungspolitik müsse deshalb künftig noch stärker als Bestandteil von Deutschlands internationaler Wettbewerbsfähigkeit verstanden werden. „Dazu gehören Exportgarantien und faire Wettbewerbsbedingungen für deutsche Unternehmen“, sagte er. „Gleichzeitig bleibt die Förderung von Gesundheit, Bildung und Ernährungssicherheit für mich zentral.“
Das BMZ steht indes vor weiteren Kürzungen. Im Interview mit dem RND betonte Alabali-Radovan, Lars Klingbeil und die SPD hätten in den Koalitionsverhandlungen hart gekämpft für den Erhalt des Hauses und die Entwicklungspolitik. „Ich will den Haushaltsberatungen nicht vorgreifen. Aber sie können sicher sein: Ich werde für den Etat meines Ressorts kämpfen“, sagte sie.
Stefinger hat da bereits einen Rat: „Wir müssen klarer priorisieren und Mittel dort einsetzen, wo sie die größere Wirkung entfalten“, sagte er. Entwicklungszusammenarbeit müsse messbar, effizient und nachvollziehbar sein. „Für nur 70 Cent am Tag können wir in einem Partnerland eine erwachsene Person versorgen. Wenn diese Person bei uns Schutz sucht, kostet das den Staat 70 Euro täglich“, sagte er.
Geopolitische Interessen rücken stärker in den Fokus der Entwicklungspolitik, der Einfluss von autoritären Staaten wächst in bestimmten Regionen. „China, Russland und andere Akteure treten in unseren Partnerländern mit Angeboten auf, die oft schnell, unbürokratisch und frei von politischen Bedingungen daherkommen“, sagte Stefinger.
Sein Fazit: „Wir erleben die Rückkehr des Systemkonflikts.“ Deutschlands Anspruch müsse es daher sein, Partnerschaften auf Augenhöhe zu richten, die aber auch einem „klaren Wertekompass“ folgen. „Entwicklungszusammenarbeit hilft uns, unsere wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Interessen in der Welt gegen autoritäre Bestrebungen zu verteidigen“, sagte Stefinger. Das bedeute aber auch, dass die Angebote unbürokratischer sein und vor allem dem entsprechen müssen, was die Partnerländer wirklich wollen und benötigen.
Und dann sind da noch die großen Themen, die mit Entwicklungszusammenarbeit einhergehen: etwa Klimaanpassung oder digitale Infrastruktur. „Der Schutz globaler öffentlicher Güter, allen voran der Klimaschutz, ist eines der Kernthemen unseres Ausschusses“, sagte Stefinger. Der größte Hebel liege in den Entwicklungsländern: „Jeder dort investierte Euro ist ein Vielfaches wirksamer als in Deutschland.“ Digitale Infrastruktur wiederum sei eine Grundvoraussetzung für wirtschaftliche Entwicklung, da sie Zugang zu Bildung, Märkten und Kommunikation schaffe.
Es steht also viel an. Wie Stefinger betonte, komme es nun auf die Umsetzung an. „Um etwas zu bewegen und umzusetzen, braucht es aber auch Zeit – und die sollte man der Ministerin definitiv zugestehen“, sagte er. Zugleich sei es seine Aufgabe als Ausschussvorsitzender, darauf zu achten, dass das BMZ transparent, wirksam und strategisch arbeitet. „Wir als Ausschuss werden die Arbeit des Ministeriums kritisch, aber konstruktiv begleiten.“ Gabriel Rinaldi