Vor gut einer Woche sendete der Deutschlandfunk ein Interview mit Tino Chrupalla. Darin legte der AfD-Chef dar, wie und wo er seine Partei in Zukunft sieht: Die AfD wolle „mit Abstand stärkste Kraft in Deutschland werden“, auch „Regierungsverantwortung übernehmen“, sagte Chrupalla. Dazu wolle man Wähler überzeugen, „die wir vielleicht noch nicht überzeugt haben“. Auch von einem anderen Auftreten sprach der AfD-Chef: Auf parlamentarischer Ebene werde es einen anderen Ton geben, kündigte er an.
Die AfD wollte eigentlich „staatstragend“ werden, wie manche in der Partei es nennen. Nun hat ihr der Verfassungsschutz aber bescheinigt, eine „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ zu sein. Das ist so ziemlich das Gegenteil von staatstragend. Was also bedeutet die Nachricht vom vergangenen Freitag für die AfD?
Aussagen wie die von Chrupalla im Gespräch mit dem Deutschlandfunk sind Ausdruck einer Strategie der Professionalisierung, die die AfD verfolgt. Man wolle „einen Kurs pflegen, der es dem Nachbarn so einfach wie möglich macht, der AfD seine Stimme zu geben“, sagt Markus Frohnmaier über die Ausrichtung seiner Partei im kommenden Landtagswahlkampf. Frohnmaier ist einer der beiden Landesvorsitzenden in Baden-Württemberg. Dort wird im kommenden Jahr gewählt und alles deutet darauf hin, dass er Spitzenkandidat wird.
Die Entscheidung des Verfassungsschutzes durchkreuzt solche Bemühungen, geschmeidiger daherzukommen. Entsprechend laut attackiert die AfD nun die Behörde und die anderen Parteien und stellt ihr Handeln infrage. Die Parteichefs Weidel und Chrupalla erklärten am Freitag, die Entscheidung des Bundesamtes sei ein „schwerer Schlag gegen die bundesdeutsche Demokratie“. Das Ganze sei „politisch motiviert“.
Der Kurs der Professionalisierung hatte aber immer seine Grenzen: Gemäßigt hat sich die AfD nämlich nicht. Im Gegenteil: In ihrer Bundestagsfraktion haben auch Politiker wie Matthias Helferich Platz, der sich selbst einmal als „das freundliche Gesicht des NS“ bezeichnete – und später behauptete, das sei ironisch gemeint gewesen.
Zwar wehrt sich die AfD gegen die Einschätzung des Verfassungsschutzes, sie verwende ein ethnisch-abstammungsmäßiges Volksverständnis. Demgegenüber stehen allerdings Aussagen wie die von Hannes Gnauck im vergangenen Sommer. Der sagte bei einer Wahlkampfveranstaltung im brandenburgischen Zossen: „Es gehört mehr dazu, Deutscher zu sein, als einfach nur eine Staatsbürgerurkunde in der Hand zu haben.“ Gnauck ist Teil des Bundesvorstandes der AfD.
Der Parteitag dieses Jahr in Riesa zeigte auch, dass es in der AfD keine Hemmungen mehr gibt, sich auf offener Bühne mit Rechtsextremen wie Götz Kubitschek zu zeigen. Der Verleger saß dort gemeinsam mit anderen AfD-Politikern um Björn Höcke im Stuhlkreis und trank Bier.
Allerdings hat sich das alles nicht sonderlich negativ auf die vergangenen Wahlergebnisse ausgewirkt. Dazu passt ein Ergebnis aus dem ARD-Deutschlandtrend. Demnach sagten im vergangenen Oktober 84 Prozent der befragten AfD-Anhänger, es sei ihnen egal, dass die Partei als in Teilen rechtsextrem gelte, „solange sie die richtigen Themen anspricht“.
Auch jetzt gibt es Funktionäre in der Partei, die davon ausgehen, dass die Hochstufung durch den Verfassungsschutz der Partei nicht schaden wird. „Das tangiert unsere Wähler nicht wirklich“, sagt die Berliner Landesvorsitzende Kristin Brinker. „Die Leute lassen sich schlicht nicht mehr abschrecken.“ Auch in Berlin wird 2026 gewählt.
Für einen Teil mag das gelten. Fraglich ist aber, inwieweit es einer als gesichert rechtsextrem eingestuften Partei noch gelingen kann, neue Wähler anzusprechen, wie es Parteichef Chrupalla als Ziel ausgegeben hat. Auch die Chancen auf Ausschussvorsitzende im Bundestag oder auf ein Einreißen der Brandmauer dürften nicht gerade gestiegen sein.
An Fahrt aufgenommen hat derweil die Debatte über ein Verbotsverfahren. Thüringens SPD-Innenminister Georg Maier sagte der SZ, die Zeit dafür sei reif. Grünen-Chef Felix Banaszak bot der Union Gespräche darüber an. Aus deren Reihen sprachen sich etwa Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther und der Arbeitnehmerflügel der CDU, die CDA, für ein Verbot aus.
Die SPD-Bundestagsabgeordnete Carmen Wegge war in der vergangenen Legislaturperiode eine der Initiatorinnen eines Antrages, mit dem Ziel, die Verfassungswidrigkeit der AfD durch das Bundesverfassungsgericht feststellen zu lassen. Diesen Antrag neu einzubringen, sei aber jetzt nicht der richtige Weg, sagt Wegge SZ Dossier. „Das Beste wäre, wenn Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung das gemeinsam machen.“ Dazu müssten jetzt Gespräche geführt werden, sagt sie. Das sei Aufgabe der Fraktions- und Parteivorsitzenden. Erst einmal müsse die neue Bundesregierung aber in ihrem Amt ankommen. „Aber in den nächsten ein bis zwei Wochen sollten die ersten Gespräche geführt worden sein“, sagt Wegge.
Im Zusammenhang mit einer möglichen Überprüfung der AfD durch das Bundesverfassungsgericht sei es aber auch Aufgabe der neuen Koalition, über weitere Maßnahmen zur Bekämpfung von Rechtsextremismus zu beraten, sagt Wegge. „Das schafft man zum Beispiel durch ein Demokratiefördergesetz, ich finde es aber auch nicht schlecht, wenn sich die Bildungsministerinnen und -minister der Länder zusammensetzen und besprechen, wie man Demokratie im Bildungssystem weiter nach vorn stellen kann.“
Noch bevor die Bundesregierung also die Geschäfte aufnimmt, hat sie ein weiteres heikles Thema auf den Schreibtisch gelegt bekommen. Tim Frehler