Lars Zimmermann ist das Gesicht des Govtech Campus Deutschland. Über die Jahre hat er sich hier ein großes Netzwerk aus Staat und Wirtschaft geschaffen: Der Campus soll die Plattform sein, auf der Amtsstuben und Big Tech zusammenkommen. „Elf Projekte laufen derzeit, vier haben wir bereits abgeschlossen“, sagte Zimmermann im Gespräch mit SZ Dossier. „Alleine in den letzten sechs Monaten – bis Ende 2024 – sind wir mit der Umsetzung von Tech-Projekten im Umfang von rund 30 Millionen Euro beauftragt worden.“
Doch über konkrete Projekte ist wenig bekannt. Vor mehr als zwei Jahren, in der Startphase, kündigte Zimmermann an, dass alle auf dem Campus laufenden Vorhaben und Aktivitäten transparent aufgelistet werden. Warum ist das bis heute nicht passiert? „Es gibt im öffentlichen Sektor eine gewisse Kommunikationsangst“, sagte Zimmermann, der Teil des dreiköpfigen Vorstands des Campus ist. „Manchmal wollen Ministerien nicht mit Informationen rausgehen und erstmal abwarten, wie Projekte laufen.“ Der Campus versuche, so viel wie möglich über öffentlich zugängliche Kanäle zu kommunizieren.
Zimmermann wird vereinzelt auch immer wieder als Kandidat für Aufgaben in einer kommenden Bundesregierung genannt. In Neuhardenberg war er letztes Jahr bei der Klausur der CDU/CSU-Bundestagsfraktion dabei, referierte dort zum Thema Digitales. Bei der Bundestagswahl 2013 kandidierte er in Berlin-Pankow für die CDU. „Wir werden von allen Parteien nach unserer Einschätzung und Meinung gefragt“, sagte Zimmermann. „So war ich auch in Neuhardenberg dabei, bin aber auch bei anderen Parteien eingeladen.“ Ob er einen Posten in der Bundesregierung übernehmen könnte, wollte er auf Nachfrage nicht kommentieren.
Generell gab es in der Vergangenheit immer wieder Kritik, dass der Govtech Campus eine leichte Schlagseite Richtung Union habe. Neben Zimmermann ist der ehemalige saarländische Digitalbeauftragte und Unternehmer Ammar Alkassar ein zentraler Akteur. Zudem sitzt auch Bundes-CIO Markus Richter, ebenfalls CDU-Mitglied, im Vorstand. „Der Campus hat nichts mit Parteipolitik zu tun“, sagte Zimmermann. „Wir arbeiten mit allen Regierungen in Bund und Ländern zusammen.“
Fazit zur laufenden Legislaturperiode? „Die Ampel steht in der Tradition der Regierungen davor“, sagte Zimmermann. „Das Thema Digitalisierung wurde nicht richtig angefasst.“ E-Government komme eigentlich aus den 2000er-Jahren, da haben andere Staaten die Weichen gestellt. „Wir sind bis heute nicht so weit“, was nicht viel mit der Ampel, sondern grundsätzlicheren Problemen zu tun habe. „Was wir hier betreiben, nenne ich immer Verwaltungsdigitalisierungsverwaltung“, sagte Zimmermann. „Das Ganze ist ein abgeschlossenes System, das sich mit sich selbst beschäftigt.“
„Wir sind gescheitert, so ehrlich müssen alle mal sein“, so der Campus-Vorstand. „Ein Digitalministerium hat keine Wirkung, wenn niemand die Strukturen infrage stellt.“ Zu viele Akteure redeten mit. „Verwaltungsdigitalisierung ist ein politischer Prozess, der endlich mal politisch geführt werden muss.“ Deutschland habe zudem verlernt, kalkulierbare Risiken einzugehen. Als Beispiel nannte er die Debatte um einen neuen IT-Staatsvertrag, über deren Details SZ Dossier im Herbst mehrmals exklusiv berichtete. „Das wäre genau so ein Fall, bei dem man es rechtlich darauf ankommen lassen hätte sollen.“
Auf europäischer Ebene sieht Zimmermann ebenfalls Handlungsbedarf. „Wir müssen uns auf uns selbst konzentrieren“, sagte er zu den Debatten um Donald Trump und Elon Musk. „Dass Europa und Deutschland da stehen, wo wir stehen, liegt allein an uns.“ Europa dürfe nicht ausschließlich auf Entwicklungen in anderen Staaten reagieren, „Wir werden international nicht bestehen, wenn wir nur die regulative Seite bedienen“, sagte Zimmermann. „Wer technologisch nichts anzubieten hat, wird künftig in internationalen Verhandlungen scheitern.“
Die zentrale Aufgabe für den Campus in dieser Legislaturperiode sei gewesen, eine inhousefähige Struktur für Bund, Länder und Kommunen zu bauen, über die Tech-Lösungen entwickelt und nachgenutzt werden könnten, sagte Zimmermann. „Das Ziel ist erreicht: Neben dem Bund sind 13 Bundesländer dabei und tragen als ordentliche Mitglieder gemeinsam den Govtech Campus.“ In diesem Jahr werde zudem ein Mitgliedermodell eingeführt, über das sich Kommunen direkt anbinden können.
Und wie läuft die Produktentwicklung über den Campus konkret ab? „Der beispielhafte Ablauf sieht so aus: Ein Ministerium oder eine andere öffentliche Stelle kommt auf uns zu und sagt, vor welcher Herausforderung sie steht“, sagte Zimmermann. Dann stellten die Campus-Experten Fragen. Manchmal gebe es bereits eine passende Lösung, dann müsse nichts entwickelt werden.
Die Vergabe der öffentlichen Stellen an den Campus funktioniert ausschreibungsfrei, sofern der Auftraggeber Mitglied ist. Wenn der Campus den Auftrag an den Markt weitergibt, greife hingegen das öffentliche Ausschreibungsrecht. „Dann setzen wir das Projekt gemeinsam um.“ Ein Ziel des Campus: Die entwickelten Lösungen sollen nicht nur für den einzelnen Auftraggeber funktionieren, sondern von anderen Verwaltungen nachgenutzt werden.
Wie es dann sein kann, dass bei KI viele Bundesländer eigene Wege gehen? „Wir können den Ländern nicht verbieten, Dinge selbst zu machen“, sagte Zimmermann. Der Bedarf, künftig stärker gemeinsam zu entwickeln, steige aber ohnehin, allein schon aus haushälterischer Sicht. „Auch wirtschaftsstarke Länder müssen sich mittlerweile ganz schön strecken, um ihre Haushalte aufzustellen.“ Matthias Punz
Dieser Tiefgang erschien zuerst in unserem Dossier Digitalwende, wo ihn Abonnentinnen und Abonnenten in einer ausführlicheren Fassung bereits gestern lesen konnten.