Es gibt eine Reihe von Wahlkreisen, an denen Hoffnungen und Schicksale ganzer Parteien hängen. So wollen etwa die „Silberlocken“ mit drei Direktmandaten die Linke retten. Auch Hubert Aiwanger und die Freien Wähler schielen darauf, drei Wahlkreise zu gewinnen und so den Sprung nach Berlin zu wagen. Das will auch Maximilian Krah von der AfD schaffen. Er tritt im Wahlkreis Chemnitzer Umland an.
Das Meinungsforschungsinstitut YouGov hat SZ Dossier genaue Daten aus besonders interessanten Wahlkreisen zur Verfügung gestellt, die eine Momentaufnahme ermöglichen. Das neue YouGov-Wahlmodell berechnet die derzeitige Wahlabsicht nicht nur national, sondern auch für die Landes- und Wahlkreisebene. Dem Modell zufolge würden derzeit 208 von 299 Wahlkreisen an die Union gehen.
in Kooperation mit

Wir haben uns zehn besonders spannende Wahlkreise ausgesucht und blicken auf den aktuellen Stand:
Enges Rennen um Pankow: Im Wahlkreis 75 tritt nicht mehr Stefan Gelbhaar (Grüne) an, der 2021 ein Direktmandat erringen konnte, sondern Julia Schneider. Für die CDU steht Franziska Dezember zur Wahl, für die SPD Alexandra Wend. Ebenfalls am Start ist AfD-Mann Ronald Gläser. Das YouGov-Wahlmodell schätzt ein enges Rennen zwischen Grünen (19 Prozent), CDU (19 Prozent) und AfD (23 Prozent).
Potsdamer Politprominenz: In Potsdam treten Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und die ehemalige FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg an. Den Berechnungen zufolge würde Scholz mit 26 Prozent das Direktmandat holen, auf Rang zwei folgt Tabea Gutschmidt von der CDU mit 20 Prozent. Baerbock (16 Prozent) landet auf Rang vier knapp hinter der AfD (17 Prozent). Die FDP käme in Potsdam auf vier Prozent.
Triell in Köln: Ebenfalls spannend wird es im Wahlkreis Köln III, wo SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich auf seine grüne Amtskollegin Katharina Dröge trifft. Für die CDU mischt die ehemalige Abgeordnete Gisela Manderla mit. Es wäre – Stand heute – ein Fotofinish: Das Modell taxiert SPD und Grüne auf 24 Prozent und die CDU auf 23 Prozent.
Mission „Silberlocke“: Die Linken-Urgesteine Gregor Gysi, Bodo Ramelow und Dietmar Bartsch treten in den Wahlkreisen Treptow-Köpenick, Erfurt-Weimar und Rostock an – und wollen mit ihren Direktmandaten den Wiedereinzug ihrer Partei garantieren. Danach sieht es derzeit aber nicht aus: Das Modell sieht lediglich Gysi mit 29 Prozent vorn (auf Platz zwei folgt die AfD mit 23 Prozent). Ramelow würde sogar mit 17 Prozent auf Rang drei landen, hinter AfD (25 Prozent) und CDU (19 Prozent). In Rostock landet die Linke sogar weit abgeschlagen mit elf Prozent auf Rang vier.
Auf die Alten ist also kein Verlass. Etwas besser sieht es dafür bei Sören Pellmann (Linke) aus: Im Wahlkreis Leipzig II prognostiziert das Modell eine knappe Entscheidung zwischen der AfD und ihrem Kandidat Christoph Neumann mit 21 Prozent, der Linken mit 20 Prozent und der CDU und Dietmar Link mit 19 Prozent. Auch Linken-Parteichefin Ines Schwerdtner, die in Berlin-Lichtenberg das Erbe von Gesine Lötzsch antreten will, würde mit 18 Prozent scheitern. Das Direktmandat gewinnen würde laut Modell AfD-Politikerin Beatrix von Storch mit 23 Prozent.
Krah will in den Bundestag: Gute Chancen auf ein Direktmandat hat Maximilian Krah. Der Europaabgeordnete der AfD, den die Partei im vergangenen Europawahlkampf aufgrund problematischer Verbindungen nach Russland und China und relativierender Aussagen zu den Verbrechen der SS aus dem Verkehr gezogen hatte, kandidiert im Wahlkreis Chemnitzer Umland. Das Modell sieht Krah mit 40 Prozent vorn – auf dem zweiten Platz kommt die CDU mit 26 Prozent, alle anderen Parteien liegen unter zehn Prozent.
Aiwangers Traum: Einer, den es eher nicht nach Berlin verschlagen wird, ist Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger von den Freien Wählern. Er kandidiert in Rottal-Inn, wo seine Partei den Berechnungen zufolge bei elf Prozent landet (so wie die Grünen, was Aiwanger sicher nicht erfreuen dürfte). Darüber rangieren CSU (35 Prozent) und AfD (24 Prozent). Ein Bundestagsabgeordneter Aiwanger liegt damit in weiter Ferne, das Modell sieht auch alle weiteren bayerischen Wahlkreise bei der CSU.
Die Ergebnisse wurden anhand eines statistischen Modells geschätzt, das auf Daten von Befragungen beruht. YouGov hat ein „Mehrebenen-Regressionsmodell mit Poststratifikation“ verwendet und es mit einer Stichprobe von 10 411 wahlberechtigten Mitgliedern aus dem Panel gefüttert, um Beziehungen zwischen den Merkmalen von Wählerinnen und Wählern und Wahlabsicht zu ermitteln.
In einem zweiten Schritt wurden diese Beziehungen dann genutzt, um die politische Stimmung in Bundesländern und Wahlkreisen zu schätzen (mehr dazu hier). Berichtet werden wahrscheinliche Ergebnisse aus einer Reihe von möglichen Ergebnissen, die Interviews wurden zwischen dem 3. Dezember 2024 und dem 16. Januar 2025 geführt. Gabriel Rinaldi