Der künftige Präsident Donald Trump bereitet eine Wende der Klimapolitik in den USA vor: Alle Zeichen stehen auf dem Ausbau von fossilen Energien – nicht mehr auf die von Joe Biden versprochene Abkehr. Das zeigt sich auch an seinen Nominierungen für das Kabinett. Lee Zeldin soll Chef der Umweltschutzbehörde EPA werden und gilt als Kritiker der Regulierungsbefugnis der EPA bei Klimathemen. Als Energieminister schlägt Trump den Ölmanager Chris Wright vor, der den Klimawandel öffentlich infrage stellt und auf die Öl- und Gasförderung vertraut.
Damit brechen die USA mit der bisher gemeinsamen klima- und energiepolitischen Linie der Europäischen Union. Die EU will den Green Deal zum Clean Industrial Deal fortschreiben. Das Programm soll Europa wettbewerbsfähiger und gleichzeitig klimaneutral machen. Zwar wird daran im Hintergrund schon gearbeitet. So richtig los geht es aber erst, wenn die neuen Kommissarinnen und Kommissare vom Parlament bestätigt worden sind. Wie der Clean Industrial Deal konkret aussehen soll, ist noch offen.
Zwar ist der Rückzug der USA aus den internationalen Klimaschutzbemühungen für die EU grundsätzlich eine Herausforderung. Doch für die neue EU-Kommission könnte darin auch eine Chance liegen. „Die Trump-Präsidentschaft sollte als Booster für Europas Wettbewerbsfähigkeit gesehen werden“, sagte Simone Tagliapietra, Experte für Klima- und Energiepolitik des Think Tanks Bruegel in Brüssel, SZ Dossier. Als Reaktion auf den Wahlsieg müsse die EU ihre eigene Dekarbonisierungs-Agenda vorantreiben und auf globaler Ebene vorangehen.
Das liege aus drei Gründen in Europas Interesse: Die Dekarbonisierung sei entscheidend, um erstens immer teurer werdende Klimaschäden zu begrenzen. Zweitens sei es durch Trumps Wahlsieg noch wichtiger, die eigene wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit und Sicherheit zu verbessern. Drittens bietet der Clean-Tech-Markt auch eine Exportchance.
Die Internationale Energie-Agentur erwartet, dass sich der globale Markt für Clean Tech bis zum Jahr 2035 auf über zwei Billionen verdreifachen wird. „Die EU kann die nächsten vier Jahre als Chance nutzen, um im Bereich der sauberen Technologien einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den USA zu erzielen“, sagte Tagliapietra.
Die EU müsse gezielt in Technologien investieren, bei denen sie auch einen Wettbewerbsvorteil habe, etwa Batterien, Windturbinen, E-Autos. „Investitionen in saubere Technologien müssen überall in Europa einfacher werden“, sagte auch Peter Liese von der Europäischen Volkspartei (EVP) SZ Dossier. Nur dann habe man eine Chance, den USA in diesem Bereich den Rang abzulaufen.
Ein Beleg für die Chancen ist die erste Trump-Präsidentschaft 2017. Trump löste damals durch den Austritt aus dem Pariser Klimaabkommen nicht den von ihm erhofften Domino-Effekt aus. Im Gegenteil: Viele Länder verdoppelten ihr Engagement. Insbesondere China sah in der Trumpschen Tatenlosigkeit eine Chance, seinen Wettbewerbsvorteil im Bereich der grünen Technologien auszubauen.
Trotzdem dürfte Trump den Uralt-Wahlkampf-Spruch der Republikaner „Drill, baby, drill“ in die Tat umsetzen. „Chris Wright könnte als Energieminister die Genehmigungsprozesse für fossile Projekte vereinfachen“, sagte Sonja Thielges, US-Expertin bei der Stiftung für Wissenschaft und Politik (SWP), SZ Dossier. Bei Lee Zeldin, Chef der Umweltschutzbehörde EPA, rechnet Thielges mit einer umfassenden Deregulierungskampagne. Das klima- und energiepolitische Dreieck in Trumps Regierung komplettiert Doug Burgum, der als Innenminister öffentliche Länder und Gewässer vermehrt für Öl- und Gasbohrungen öffnen soll.
Für Europa dagegen ist eine Rückkehr zu Öl und Gas keine Option. Allein schon aufgrund der natürlichen Ressourcen, erklärte Tagliapietra. Er argumentiert, dass die Energiewende mehr denn je gebraucht werde, „als einziges, strukturelles Mittel, um die Energiepreise zu senken“. Durch Trumps „Fossil first“-Ansatz werde der Gaspreis in den USA schnell sinken und die Kluft zwischen den amerikanischen und europäischen Energiepreisen größer.
Bislang lässt die EU-Kommission keine Kehrtwende weg vom Green Deal erkennen. Immer wieder betont sie die Absicht, daran festzuhalten. Die ersten Anhörungen der designierten Kommissarinnen und Kommissare, insbesondere die der spanischen Kommissarin Teresa Ribera, haben allerdings gezeigt, dass die Kommission bei diesem Vorhaben durchaus Druck von einigen konservativen und rechten EU-Parlamentariern bekommen könnte. Bastian Mühling