Es wurde beraten und geprüft, jetzt wird kontrolliert. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) kündigte gestern Kontrollen an den deutschen Grenzen zu Frankreich, Luxemburg, den Niederlanden, Belgien und Dänemark für die Dauer von sechs Monaten an. Das habe sie bei der EU-Kommission notifiziert. Ab dem 16. September werden damit, so das Innenministerium, an allen deutschen Grenzen Kontrollen möglich sein, „einschließlich der Möglichkeit von Zurückweisungen“. An der Grenze zu Österreich sind die Kontrollen bereits bis zum 11. November angemeldet, an den Übergängen zur Schweiz, Tschechien und Polen bis zum 15. Dezember.
Die Einladung steht: „Außerdem haben wir nun ein Modell für europarechtskonforme und effektive Zurückweisungen entwickelt. Sie würden über die bereits erfolgten Zurückweisungen […] hinausgreifen“, sagte Faeser gestern Nachmittag bei einer Pressekonferenz in ihrem Ministerium. Die Prüfung der Bundesregierung habe hierfür rechtliche und tatsächliche Möglichkeiten gezeigt, so Faeser, das habe sie der CDU/CSU-Bundestagsfraktion auch mitgeteilt und vertrauliche Gespräche angeboten.
Nimmt die Union an? Nur wenige Minuten nach Faesers PK traten Friedrich Merz (CDU) und Alexander Dobrindt (CSU) vor die Presse. Merz nannte die Angaben aus der Bundesregierung „widersprüchlich“. Es sei bis jetzt unklar, ob aus Faesers Ankündigung nun auch folge, dass jetzt „umfassend“ zurückgewiesen wird. Merz forderte die Bundesregierung auf, ihm spätestens bis zu den Gesprächen am heutigen Dienstag mitzuteilen, „was sie denn jetzt wirklich vorhat“. Auf eine eingeschränkte Methodik der Zurückweisung werde sich die Union nicht einlassen.
Kontext! Die Union kriegt sich kaum mehr ein vor lauter Distanzierung zu Angela Merkel und ihrer Flüchtlingspolitik von 2015, was wiederum zu einiger Aufregung bei den verbleibenden linken Stimmen führt. Kaum jemand bestreitet, dass es damals um eine Notsituation ging, allerdings um eine humanitäre, wie es Kanzlerin Merkel damals begründete. Heute ist vielmehr die Frage, ob man diese nicht früher für beendet erklären hätte können.
Lieber spät als nie: Merz' Parteifreund, der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul, sagte der Deutschen Presseagentur und SZ Dossier in Reaktion auf die Nachrichten, die Bundesregierung habe für diese Entscheidung zu lange gebraucht. Aber: „Ende gut, alles gut.“ Er habe sich damit als überzeugter Europäer auch schwergetan, doch die Europameisterschaft habe gezeigt, dass Grenzkontrollen realisierbar seien, wenn sie klug gemacht würden.
Grenzkontrollen als Dauerlösung? Nein, sagte Reul, die Kernfrage sei die Begrenzung der Migration an den Außengrenzen. „Die einzige Methode, die jemals geklappt hat, war der Türkeideal von Angela Merkel“, sagte Reul. Er frage sich, warum es „über Parteigrenzen hinweg“ nicht die Kraft gebe, einen solchen Deal wieder aufzusetzen. „Nur so wird es funktionieren.“