„Deine Stimme für das Klima“ steht auf einem Wahlplakat. „Windkraft stoppen“ auf einem anderen. Welches von den Grünen stammt und welches von der AfD, ist nicht schwer zu erraten. Aber sind das überhaupt realistische Forderungen? Vor den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg stellt sich die Frage, welche Folgen die Abstimmungen für die Klimapolitik haben könnten, insbesondere, wenn die AfD oder das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) an einer Regierung beteiligt sein sollten.
Klimapolitik findet meist auf internationaler Bühne statt. Sachsen, Thüringen und Brandenburg können zum Beispiel nicht aus dem Pariser Abkommen austreten. Die wesentlichen Entscheidungen fallen meist schon auf EU-Ebene. Dort werden die Regionen der einzelnen Mitgliedsstaaten zwar teilweise informell angehört, spielen aber rechtlich gesehen nur eine sehr begrenzte Rolle, sagt Felix Ekardt zu SZ Dossier. Der Jurist leitet die Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik in Leipzig und ist Vorsitzender des BUND-Landesverbandes Sachsen. „Die unteren Ebenen dürfen nur noch das machen, was die oberen Ebenen übriggelassen haben“, sagte er.
Meist sind diese „Reste“ die Umsetzung vor Ort. „Hier können Länder und Kommunen als Bremser oder Antreiber auftreten“, sagt Ekardt. Der Erfolg vieler Rechtsakte sei von der Haltung der Länder abhängig. Außerdem haben die Länder im Bundesrat bei einigen Gesetzen ein Mitbestimmungs- und Vetorecht. Die klimapolitisch größte Gefahr sieht Ekardt in einer den Umfragen zufolge möglichen Landesregierung mit AfD- oder BSW-Beteiligung, „die gezielt auf EU- und Bundesebene einwirken wollen, um die Klimapolitik zurückzudrehen“.
Konkret könnte die AfD das neben der Mitbestimmung im Bundesrat auch bei dem Landesklimaschutzgesetz und dem Ausbau der erneuerbaren Energien umsetzen, erklärt der Politikwissenschaftler Jasper Finkeldey von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. In allen drei Bereichen können die Bundesländer Politik hauptsächlich von hinten her bestimmen. Oder auch: blockieren.
Die Landesklimaschutzgesetze sind eine Präzisierung des bundesweiten Klimaschutzgesetzes in den jeweiligen Bundesländern. Brandenburg hat seit 2024 eines, Thüringen seit 2018. „Sachsen hat zwar etwas Ähnliches, aber das schreibt keine quantitativen Reduktionsziele vor“, sagt Finkeldey. Unter einer möglichen AfD-Regierungsbeteiligung wäre die Umsetzung der Landesklimaschutzgesetze kein Thema mehr, so Finkeldey. Im CDU-Programm für Sachsen lässt sich zum Landesklimaschutzgesetz nichts Konkretes finden, die Grünen und die Linken wollen sich dafür einsetzen. Aktuellen Umfragen zufolge dürfte es jedoch für beide Parteien eng werden, überhaupt in den sächsischen Landtag zu kommen.
Das ist eine der größten Sorgen von Falk Zeuner, Vorsitzender der Vereinigung zur Förderung der Nutzung Erneuerbarer Energien (VEE) in Sachsen. „Je weiter rechts Regierung und Parlament aufgestellt sind, desto schwieriger wird der Ausbau der Erneuerbaren“, sagt er SZ Dossier. Durch den beschleunigten Ausbau gebe es jetzt immer mehr Genehmigungsverfahren, für die es immer mehr Personal auf Seiten der Behörden und der Energieversorger brauche. Seine Angst: dass die Energiewende auf Seiten der Genehmigung scheitert.
Ganz unrealistisch ist das nicht. Der Bund hat die Zielvorgaben für den Ausbau in verschiedenen Gesetzen jedoch relativ genau geregelt. Zum Beispiel ist im Windenergieflächenbedarfsgesetz verankert, dass zwei Prozent der Fläche Deutschlands bis 2032 für die Windenergie auszuweisen ist. Bedeutet: „Wenn Björn Höcke jetzt verspricht, er stoppt den Ausbau und lässt die Windräder in Thüringen abreißen, hat er dafür keine gesetzliche Grundlage“, erklärt Jurist Ekardt. Mittlerweile könne die Bundesregierung die Länder auch zum Ausbau zwingen.
Doch: „Gerade bei der Ausweisung von Flächen für die Erneuerbaren können die Bundesländer auf die Bremse treten“, sagt Politikwissenschaftler Finkeldey. Zum Beispiel durch Verschleppung der Genehmigungen, Studien, Gutachten. Falk Zeuner vom VEE spürt das in Sachsen schon seit Jahren, sein Bundesland liegt in Deutschland auf dem letzten Platz beim Ausbau der Windkraft. „Dass die CDU die Energiewende über Jahre mantraartig verteufelt hat, lässt sich nicht so einfach mit einem Federstrich umdrehen“, sagt Zeuner.
Das BSW gilt vor den Landtagswahlen klimapolitisch als Blackbox. In Sachen Energiewende fordert Wagenknechts Partei in ihrem Programm öffentliche Förderung und Bürgerbeteiligung. „Allgemein setzt das BSW klimapolitisch sehr vage auf Innovation und Technologieoffenheit“, sagt Finkeldey. „Man merkt, dass Nachhaltigkeit nicht das Hauptthema ist, das das Bündnis umtreibt.“ Bastian Mühling