„Wie es Deutschland geht.“ Nicht weniger als das will Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) mit dem ersten Gleichwertigkeitsbericht der Bundesregierung beantworten. Anhand von ausgewählten Indikatoren haben Fachleute unter anderem die Arbeitslosenquoten, Kitaplätze und Feinstaubbelastungen in 400 Kreisen und kreisfreien Städten in Deutschland vermessen. Zur Beurteilung haben sie aber nicht nur Zahlen herangezogen, sondern auch Bürgerinnen und Bürger nach ihrer Wahrnehmung der Lebensbedingungen befragt.
Gestern haben Habeck und Innenministerin Nancy Faeser (SPD) den Bericht vorgestellt. Drei Beobachtungen dazu.
Erstens: Grob gesagt untersucht der Bericht, wie sich bestimmte Indikatoren in den vergangenen zehn Jahren entwickelt haben. Die genauen Vergleichszeiträume weichen zwar zwischen den einzelnen Indikatoren ab, herausgekommen ist aber: Bei 27 von 38 Indikatoren gleichen sich die Verhältnisse zwischen den Regionen an, darunter etwa das kommunale Steueraufkommen, das Medianentgelt oder die Erreichbarkeit von Supermärkten. Erhöht haben sich die Unterschiede hingegen in Sachen Kitaplätze pro Kind, dem Anteil der Einzelpersonenhaushalte und dem Altenquotient.
„Besorgniserregend“ nennt Wirtschaftsminister Habeck jedoch die sich abzeichnende regionale Bevölkerungsentwicklung. Während bis 2045 noch mehr Menschen in strukturstarke Regionen drängen, sinkt die Bevölkerung in strukturschwächeren Kreisen weiter, teilweise um mehr als zehn Prozent. Fachkräftemangel, eine schlechtere wirtschaftliche Lage und schwächelnde kommunale Haushalte wären in vielen Orten die Folge – und das in ohnehin schon strukturschwachen Regionen. Vor allem der Osten Deutschlands, mit Ausnahme Berlins und dessen Umland, ist davon betroffen. In geringerem Maße auch Regionen im Westen.
Zweitens: Die Kombination aus statistischen Daten und der Einschätzung von Bürgerinnen und Bürgern bringt erstaunliche Erkenntnisse hervor, zum Beispiel in Sachen Kinderbetreuung. So gibt es etwa in Bayern und Baden-Württemberg Landkreise, in denen die Betreuungsquote von unter Dreijährigen besonders niedrig ist. Danach gefragt, ob das Angebot in diesem Bereich ausreichend ist, fällt die Zustimmung der Bürger aber durchschnittlich oder sogar überdurchschnittlich hoch aus. Im Osten wiederum gilt in manchen Landkreisen das Gegenteil: hohe Betreuungsquote, unterdurchschnittliche Zustimmung. Zu möglichen Ursachen heißt es in dem Bericht, dies könne an unterschiedlichen Bedürfnissen der Bevölkerung liegen, „die auch mit kultureller Prägung zusammenhängen dürften.“ Auch könnten die örtliche Erreichbarkeit oder die Qualität der Betreuung eine Rolle spielen.
Drittens: Der Bericht gibt aber nicht nur Einblicke in die Lebensverhältnisse der Bevölkerung, sondern auch Aufschluss darüber, wie präzise und effektiv der Bund in Sachen Fördermittel vorgeht. 2022 hat der Bund 4,2 Milliarden Euro über das Gesamtdeutsche Fördersystem für strukturschwache Regionen (GFS) ausgegeben. Bei 3,7 Milliarden davon hat der Bericht nun analysiert, wo das Geld am Ende gelandet ist. Mehr als die Hälfte ging zum Beispiel nach Ostdeutschland. Aber auch das Ruhrgebiet, das Saarland, Rheinland-Pfalz und Gebiete entlang der bayerisch-tschechischen Grenze „haben pro Kopf bedeutende Zahlungen erhalten“. Die Verfasser des Berichts kommen zu dem Schluss, dass die Mittel „wie beabsichtigt, weit überwiegend in strukturschwache Regionen fließen“.
Heißt: Fördermittel kommen im Großen und Ganzen dort an, wo sie hingehören. Luft nach oben gibt es trotzdem. Denn zwischen den Regionen gibt es beim Abrufen von Fördermitteln teils große Unterschiede. Und zwar zwischen denjenigen Landkreisen und kreisfreien Städten, die ähnlich strukturschwach sind – und daher gemessen an der Einwohnerzahl eigentlich auch ähnlich hohe Fördermittel in Anspruch nehmen könnten.
Gefragt nach den Ursachen, teilt eine Sprecherin aus dem Bundeswirtschaftsministerium mit, dies könne an der Branchenstruktur vor Ort oder der Infrastrukturausstattung liegen. „Aber auch die lokalen Möglichkeiten und Kapazitäten beim Einwerben und Beantragen von Fördermitteln können eine Rolle spielen.“ Konkrete Maßnahmen zur Verbesserung sollen nun in einem Folgeprozess erarbeitet werden. Tim Frehler