Sollte die Ampel doch ein jähes Ende finden, dann werden Gesetzesvorhaben, die die Ampel seit Monaten verhandelt, nicht mehr umgesetzt. Die folgenden sind akut gefährdet: Herzensprojekte, aber auch notwendige Umsetzungen von EU-Recht – das Land muss ja trotz Haushaltskrise weiterregiert werden. Und selbst wenn die Vertrauensfrage ausbleibt, könnten einige dieser Projekte es im Herbst schwer haben, Mehrheiten im Parlament zu vereinen.
Wie die Kindergrundsicherung. Nach wie vor gibt es keinen Kompromiss. FDP und Grüne werfen einander Blockade vor. Offiziell darüber sprechen will niemand, doch die Verhandlungen vorgestern auf Ebene der Vize-Fraktionsvorsitzenden gingen ohne Einigung zu Ende. Die Änderungswunschliste der Abgeordneten soll so umfangreich sein, dass das Bundesfamilienministerium und das Bundesarbeitsministerium dabei beraten sollen.
Die Kindergrundsicherung ist das soziale Vorzeigeprojekt der Grünen. Kommt sie nicht, würde ihr Ruf als die Partei, die ihr soziales Gewissen nach Sonntagsreden rasch wieder vergisst, weiter gestärkt.
Das „Gesetz zur Stabilisierung des Rentenniveaus und zum Aufbau eines Generationenkapitals für die gesetzliche Rentenversicherung“, besser bekannt als Rentenpaket 2, wird diese Woche ebenfalls nicht auf der Tagesordnung sein. Hier blockiert die FDP. „Absehbare Versäumnisse holen einen ein. Das ist eine der Lehren dieser Legislaturperiode. Beim Rentensystem darf uns aber die Demografieabhängigkeit nicht einholen, wie uns die Abhängigkeit von Putins Gas eingeholt hat“, sagte FDP-Vize Johannes Vogel SZ Dossier.
Er fordert den Einstieg in eine echte Aktienrente, ähnlich der in Schweden, doch noch wichtiger ist vielleicht die Verknüpfung mit dem „Dynamisierungspaket“, das die Wirtschaft entlasten und mit dem Haushalt vorgestellt werden soll. Laut Vogel sollen auch „ergänzende Vorschläge zur Rente“ Teil des Pakets sein, erst dann könne man „substanziell verhandeln“. Frühestens also im Herbst.
Auch das Gesetz zur Bekämpfung der Finanzkriminalität und das Bürokratieentlastungsgesetz werden nach Informationen von SZ Dossier nicht mehr in dieser Woche aufgesetzt.
Anders als die Kindergrundsicherung sind der SPD die Rente und die Vereinbarungen des Koalitionsvertrags im Mietrecht besonders wichtig. „Die Mietpreisbremse muss dringend verlängert werden, so ist es im Koalitionsvertrag eindeutig vereinbart“, sagte SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert SZ Dossier, eine „politische Abschwächung der Regelung ist hingegen nicht verabredet“, sei aber von Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) in den Gesetzesentwurf hineingeschrieben worden. Die entstandene Verzögerung, sagte Kühnert, hätte die SPD den Mietern gern erspart. „Sie ist aber nötig, um eine Schwächung des Mieterschutzes abzuwenden.“
Vorhaben und Vorgaben hängen nicht nur in Parlament und Kabinett, die Bundesregierung schafft es auch nicht, die EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) umzusetzen, deren Frist am Samstag ausläuft. Die Vorgabe aus dem Green Deal wurde vom Justizministerium im Kabinett verschoben. Auf unbestimmte Zeit.
Für circa 13.000 Unternehmen verlängert sich damit die rechtliche Ungewissheit, was genau sie künftig berichten müssen. Die kleineren von ihnen bangen, ob sie vor übertriebenen Anforderungen verschont bleiben. Die größeren erwarten zügig eine Entscheidung, um dann international einheitlich berichten zu können. Ab Samstag könnte theoretisch ein Vertragsverletzungsverfahren drohen.