Bundeskanzler Friedrich Merz hat im Umgang Deutschlands mit dem Nahost-Konflikt einen Kurswechsel angedeutet. Im WDR-Europaforum auf der Digitalkonferenz Republica sagte Merz gestern: „Das, was die israelische Armee jetzt im Gazastreifen macht – ich verstehe offen gestanden nicht mehr, mit welchem Ziel.“ Die Zivilbevölkerung derart in Mitleidenschaft zu nehmen, wie das in den letzten Tagen immer mehr der Fall gewesen sei, lasse sich nicht mehr mit einem Kampf gegen den Terrorismus der Hamas begründen, so der Kanzler.
Telefonat noch diese Woche: Merz betonte die Partnerschaft zwischen Deutschland und Israel. „Aber die israelische Regierung darf nichts tun, was nun irgendwann ihre besten Freunde nicht mehr bereit sind, zu akzeptieren.“ Er habe Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu in Gesprächen gewarnt, „es nicht zu übertreiben“, sagte Merz. Er wolle noch in dieser Woche erneut mit Netanjahu telefonieren. Noch im Wahlkampf hatte Merz gesagt: „Deutschland steht nicht zwischen den Stühlen, sondern Deutschland steht fest an der Seite Israels. Daran wird es künftig keinerlei Zweifel mehr geben.“
Klingbeil ist auch dabei: Davon hat er sich, drei Wochen nach seiner Wahl zum Bundeskanzler, entfernt. Auch Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD) machte gestern deutlich, dass die Bundesregierung den politischen Druck auf Israel erhöhen werde. Klingbeil sagte, er könne unterstützen, was der Bundeskanzler gesagt habe. „Wir müssen auch als Bundesrepublik, auch in der historischen Verantwortung, die wir gegenüber Israel tragen, unter Freunden deutlich machen, was nicht mehr geht.“ Dieser Punkt sei erreicht. Humanitäre Hilfe müsse stattfinden.
SPD-MdBs wollen Waffen-Stopp: Früher am Tag hatten mehrere SPD-Abgeordnete gefordert, Waffenlieferungen an Israel zu beenden. „Deutsche Waffen dürfen nicht zur Verbreitung humanitärer Katastrophen und zum Bruch des Völkerrechts genutzt werden“, sagte der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Adis Ahmetović dem Stern. Doch Außenminister Johann Wadephul (CDU) bekräftigte gestern Abend nach einem Gespräch mit seinem spanischen Kollegen José Manuel Albares in Madrid, dass Deutschland weiter Waffen an Israel liefern wolle.
Neuer Angriff angekündigt: Unterdessen hat die israelische Armee einen „beispiellosen Angriff“ auf den Süden des Gazastreifens angekündigt. Man werde massiv gegen Terroristen vorgehen, die sich dort verschanzten, hieß es in einer Mitteilung. Die dort lebenden Zivilisten sollten sich aus der Region zurückziehen.