Es sollte Ruhe einkehren bei der Linken, das war das Signal, das vom Parteitag am Wochenende in Halle an der Saale ausgehen sollte. Lange gehalten hat es nicht. Gestern Morgen gab Henriette Quade, Landtagsabgeordnete aus Sachsen-Anhalt, ihren Austritt aus der Partei bekannt. In ihrer Erklärung schrieb sie, „ein kompromissloser Kampf gegen jeden Antisemitismus“ sei ihr „in und mit dieser Partei“ nicht möglich.
Die Halbwertzeit der Kompromisse: Da war er also wieder, der Streit um den Nahostkonflikt und den Umgang mit Antisemitismus, den die neuen Parteivorsitzenden in Halle eigentlich mit einem Kompromissantrag abräumen wollten – und dessen Verabschiedung als erster Erfolg des neuen Spitzenduos Schwerdtner/van Aken galt. Er bedauere es „zutiefst“, dass Quade austrete, sagte Jan van Aken gestern, die Entscheidung sei falsch. Klar sei aber auch, dass sie ihr Mandat zurückgeben müsse. Doch Quade war nicht der einzige Abgang: Noch am Sonntag kündigte der ehemalige Bezirksbürgermeister des Berliner Bezirks Pankow, Sören Benn, ebenfalls seinen Austritt aus der Partei an. Auch er warf der Linken unter anderem einen falschen Umgang mit dem Nahostkonflikt und dem Thema Antisemitismus vor.
Spitzenkandidatur: Van Aken selbst war es gestern, der eine Diskussion um die Spitzenkandidatur der Linken lostrat. In einem Interview mit Politico sagte er, er halte sich diesbezüglich selbst für „ne gute Wahl“. Da stellt sich die Frage, welche Frau in einem möglichen Duo mit ihm antreten könnte. Darauf, ob sie selbst zur Verfügung steht, gab Ines Schwerdtner gestern bei der Pressekonferenz keine konkrete Antwort, sie sagte SZ Dossier im Nachgang aber sie habe mit dem Kampf um ein Direktmandat in Berlin-Lichtenberg „alle Hände voll zu tun“. Klingt, als wäre die Spitzenkandidatur nicht ihre Priorität. Damit dürfte sich der Blick auf die Gruppe im Bundestag richten.
Klinken putzen: Die Partei beginnt jetzt ohnehin erstmal mit dem Vorwahlkampf, will an 100.000 Haustüren klingeln und aus den Gesprächen die Kernforderungen für ihren Wahlkampf ableiten. Wie die Helfer dabei vorgehen, ist das Ergebnis statistischer Analysen. „Auf einer extrem guten Datenbasis wählen wir die Straßenzüge aus, wo wir sagen, da wollen wir mal reinhören“, sagte Parteichef Jan van Aken gestern.
Wo genau geklingelt werden soll, hat ein „ehrenamtliches Team von Datenanalysten in Zusammenarbeit mit dem Kampagnenteam der Partei“ herausgearbeitet, sagte Liza Pflaum, Campaignerin und Leiterin der Kampagnenabteilung im Karl-Liebknecht-Haus. Ziel sei es nun, diejenigen zu erreichen, „um die sich sonst niemand kümmert und die sich politisch größtenteils abgewandt haben“, sagte Pflaum SZ Dossier. Das seien Menschen mit wenig Geld, die häufig gar nicht wählten. Die könne man nur durch ein direktes Gespräch wiedergewinnen, sagte Pflaum. Und man wolle auch in die Gebiete gehen, „wo wir mal sehr stark waren“. Ende November wird mit den ersten Auswertungen gerechnet.