Wie kommt das Geld jetzt auf die Straße?
Union und SPD wollen Geld ausgeben, viel Geld. Das allein ist aber noch kein Plan. Es wird in naher Zukunft auch darum gehen müssen, Strukturen dafür zu schaffen, dass die Mittel abfließen können. Außerdem muss geklärt werden, wofür die Milliarden überhaupt ausgegeben werden sollen. Denn klar ist auch, dass mit der Entscheidung vom Dienstagabend die Begehrlichkeiten wachsen.
Forderungen und mögliche Fallstricke:
Militär zuerst: In der Rüstungsindustrie wird – kaum überraschend – aufgeatmet. „Diese Entscheidung wirkt wie eine Art Befreiungsschlag“, sagte Hans Christoph Atzpodien, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV).
Atzpodien geht davon aus, dass die Bedarfe der Bundeswehr steigen werden. „Die Konsequenz ist, dass die europäischen Nato-Länder mehr als bisher für ihre eigene Rüstung sorgen müssen und dies eine Welle neuer Bestellungen bei der europäischen und vor allem auch der deutschen Rüstungsindustrie auslösen wird.“
Zudem müsse man die Lieferketten im Blick haben, gerade bei bestimmten knappen Ressourcen. Atzpodien forderte auch eine „Rüstungsgüter-Mangellage“, damit etwa neue Fabriken schneller errichtet werden können: Insgesamt müssten die regulatorischen Rahmenbedingungen für neue Produktionskapazitäten verbessert werden.
Der Sozialdemokrat Johannes Arlt ist Berufsoffizier der Luftwaffe, Verteidigungsexperte und Mitglied des noch im Amt befindlichen Wirtschaftsausschusses des 20. Bundestags. Unter anderem dort soll in der kommenden Woche der „atmende“ Deckel für die Verteidigungsausgaben und das Infrastruktur-Sondervermögen beschlossen werden.
Die Befürchtung, dass in der Beschaffung jetzt wegen des Prinzips „no limits“ alles teurer wird, teilt Arlt nicht. „Dieser gewisse Beißhunger, den es gibt, wenn die Ressourcen knapp sind, wird wegfallen, wenn die Nachfrage nach Rüstungsgütern planbar größer wird“, so Arlt. Dafür sei es aber wichtig, Pläne für die kommenden zehn bis 15 Jahre aufzustellen, um der Industrie Sicherheit zu geben und Lieferketten aufzubauen.
Die Rüstungsindustrie stimmt ihm zu: Hilfreich wäre es, wenn die europäischen Kunden ihre Bedarfe bestmöglich harmonisieren könnten: „Die Industrie braucht jetzt klare Ansagen, von welchen Produkten man wie viel in welcher Zeit als Output erwartet“, sagte Atzpodien. Wenn dies klar sei, werde sie auch liefern.
Wichtig sei zudem, das 2023 reformierte Vergaberecht weiter zu öffnen, um schnell beschaffen zu können, sagt Arlt. Dieses regelt, dass Vergabeverfahren etwa nicht losweise ausgeschrieben werden müssen. Heißt: Projekte müssen für die Vergabe nicht mehr zersplittert werden, sondern können als Ganzes ausgeschrieben werden. Das beschleunigt die Anschaffung.
Positive Erfahrungen dieser Reform von 2023 sollen nun auf andere Bereiche übertragen werden, sodass ein schnelleres Planungs- und Vergabeverfahren beispielsweise auch im Bau- oder Verkehrsbereich angewendet werden kann.
Damit ist man beim Thema Infrastruktur: Dort „nur“ mehr Geld zur Verfügung zu stellen, wird nicht alle Probleme lösen. Im Bereich Bauen sei etwa das Vergaberecht ein Problem, sagt Uwe Zimmermann, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes.
Weil Projekte europaweit ausgeschrieben werden müssen, dauerten Verfahren teilweise monatelang. Zimmermann plädiert daher dafür, die Schwellenwerte für die Vergabe „signifikant“ nach oben zu setzen, kleinere Bauvorhaben müssten dann nicht mehr europaweit ausgeschrieben werden.
Zimmermann spricht jedoch angesichts der ersten Verhandlungsergebnisse von einem „guten Anfang“. Wichtig sei es aber, die Finanzierung langfristig sicherzustellen, also über die zehnjährige Laufzeit des Sondervermögens hinaus. In den Städten und Gemeinden gibt schließlich auch einiges aufzuholen. Laut dem KfW-Kommunalpanel lag der Investitionsrückstand dort im Jahr 2023 bei 186 Milliarden Euro.
Damit die Mittel, die Union und SPD vorhaben auszugeben, auch wirklich ankommen, braucht es noch etwas: Personal. Sowohl in den Unternehmen als auch in den Städten und Gemeinden fehle es an Fachleuten, sagt Zimmermann. Erst mit einer langfristigen Finanzierung sei Personalsicherheit möglich. „Denn qualifiziertem Personal müssen wir natürlich eine langfristige Beschäftigungsperspektive bieten können.“ Tim Frehler, Elena Müller, Gabriel Rinaldi