Trump ruiniert die Wissenschaft
Die deutschen Forschungsinstitutionen blicken mit zunehmender Sorge in die USA. Die neue US-Regierung bringt mit Haushaltskürzungen und ihrem Feldzug gegen die Förderung von Diversität, Gleichheit und Inklusion ganze Forschungsfelder in Gefahr und damit auf Dauer auch die internationale Forschungszusammenarbeit. Zugleich könnte es zu einer Abwanderung vor allem jüngerer Wissenschaftler kommen – auch nach Deutschland. Forschungsminister Cem Özdemir, der das Thema in dieser Woche mit der Allianz der Wissenschaftsorganisationen erörterte, ist nach Angaben eines Sprechers „sehr besorgt“.
„Die Eingriffe sind weitreichender als in der ersten Trump-Administration und haben das Potential, die Wissenschaftsfreiheit einzuschränken“, sagte Andrea Frank, stellvertretende Generalsekretärin des Stifterverbandes, SZ-Dossier. „An der Universität herrscht umfassende Unsicherheit“, berichtet Jakob Wiedekind, der an der Universität von North Carolina politische Wissenschaften lehrt.
200 Stellen seien sofort gestrichen worden, weil sie in direktem Zusammenhang mit DEI (Diversity, Equity, Inclusion) standen, viele weitere in Gefahr wegen des vorläufigen Stopps eines großen Teils der Projektfinanzierung. „Die Mittelkürzungen an den US-Universitäten sind massiv“, berichtete der Präsident des Deutschen Akademischen Austauschdienstes, Joybrato Mukherjee, SZ Dossier nach einem USA-Besuch in der vergangenen Woche.
Besonders betroffen sind die Geisteswissenschaften. „Es gibt eine Kultur der Ablehnung gegenüber den Geistes- und Kulturwissenschaften“, sagte Wiedekind. „Alles, wo Diversität draufsteht, wird plattgemacht“ – so drückt es Thomas Zimmer aus, der an der Georgetown Universität in Washington lehrt. Die Universitäten sehen sich also von zwei Seiten unter Druck gesetzt: Finanziell durch den Entzug von Forschungsgeldern und inhaltlich durch eine Art Feldzug gegen alles, was nicht ins Weltbild von Donald Trump und seines Kabinetts passt. Dazu gehören neben DEI auch Klimathemen und die Gesundheitsforschung.
Der endgültige Umfang der Kürzungen ist unklar. „Es geht aber an die Substanz“, sagt Wiedekind. Ganz schlecht sieht es für Bereiche aus, an denen die Administration nicht interessiert ist. „Etliche meiner Studenten hier in Chapel Hill wollen in den Staatsdienst“, berichtet Wiedekind aus North Carolina.
Aber angesichts der Massenentlassungen dort sind deren Jobchancen erst einmal weg. Die Genderforschung bricht weg, andere Projekte aus den Politik- und Geisteswissenschaften werden hektisch umbenannt, damit die Worte Diversität, Gleichheit oder Inklusion nicht mehr vorkommen. „Was in den republikanisch regierten Staaten wie Florida schon angefangen hatte, dehnt sich nun auf das ganze Land aus“, sagt Zimmer.
Einsparungen bei der Gesundheitsforschung, bei den Nationalen Gesundheitsinstituten (NIH) und der Seuchenbehörde CDC könnten Impfkampagnen gefährden. Wie schon in der Entwicklungshilfe drohen auch bei Klima und Gesundheit Datensammlungen verloren zu gehen, die nicht nur Forscher in den USA nutzen. Mit der Schließung der Entwicklungsagentur US Aid wurde auch deren Webseite mit historischen Daten zur US-Außenpolitik abgeschaltet.
Zeitweise fehlten Wetter- und Klimadaten, derzeit sind die Seiten der National Oceanic and Atmospheric Adminstration wieder zugänglich. Die Klimaseite der Behörde durfte vergangene Woche sogar ihre Einschätzung veröffentlichen, dass die Klimaerwärmung wesentlich zu den Waldbränden in Kalifornien beigetragen haben dürfte. „Die Kürzungen bei der Klima- und Gesundheitsforschung sind dramatisch“, fasste Özdemir seine Eindrücke bei der Schalte mit den Wissenschaftsorganisationen zusammen.
Das alles wird Auswirkungen auf die Forschung in Europa haben. „Tiefgreifende Veränderungen in den USA werden dann die Qualität der Forschung international verändern, wenn Kollaborationen und gemeinsame Publikationen signifikant abnehmen“, so Andrea Frank vom Stifterverband. „Ohne die US-Partner wird es in vielen Gebieten nicht möglich sein, das Niveau zu halten“, meint DAAD-Präsident Mukherjee. Ein Sprecher der EU-Kommission sagte SZ Dossier, man werde in Sachen Klima- und Gesundheitsforschung weiter mit den US-Institutionen zusammenarbeiten, aber auch die eigene Unterstützung dieser Bereiche „kräftig vorantreiben“.
Werden Deutschland und Europa profitieren, wenn mehr US-Forscher ihr Land verlassen und deutsche Forscher aus den USA zurückkommen? Die Politik glaubt ja. Özdemir und die Forschungs-Allianz hätten sich auch über Möglichkeiten ausgetauscht, den Forschungsstandort Deutschland zu stärken und für Spitzenforscher noch attraktiver zu machen, sagte ein Sprecher. Wie groß das Interesse tatsächlich ist, wird sich zum Beispiel auf der heute (Freitag) beginnenden „Europe Career Fair“ am MIT zeigen.
Die europäische Forschung könne von verstärkter Mobilität Richtung Europa profitieren, heißt es in der EU-Kommission. Beim Stifterverband hält man es für wahrscheinlich, dass bisher an den USA interessierte Forscher aus Europa oder anderen Teilen der Welt ihren Blick nun eher nach Europa richten, andere Organisationen erwarten tatsächlich einen „brain drain“ aus den USA.
Allerdings zweifeln Experten, dass nun in Deutschland und anderen EU-Ländern plötzlich massenhaft neue Stellen für Wissenschaftler aus Amerika geschaffen werden könnten. Und in Bereichen wie künstlicher Intelligenz werde man sich von den USA nicht unabhängig machen können. Ausländische Forscher in den USA einschließlich der Europäer könnten allerdings schnell auf den Markt drängen. Oft hängt das US-Visum für Forschende und deren Familien an der Anstellung in den USA. Ist die Stelle weg, müssen sie das Land verlassen.
Auch Studenten sind verängstigt. Wiedekind berichtet aus Chapel Hill, dass mexikanische Studenten schon mit Verhaltenstipps ausgestattet wurden, wie man sich verhalten soll, falls die Abschiebepolizei ICE auf dem Campus auftaucht. Auch wer einen Aufenthaltstitel hat, fühlt sich unter Umständen nicht mehr sicher. „Was Trump bewirkt, ist, dass die USA nicht mehr als Vorhut der liberalen Demokratie wahrgenommen wird“, sagt Wiedekind. Die internationale Wissenschaftler-Gemeinde hat aufmerksam gelesen, was der Vorsitzende der Amerikanischen Wissenschaftler-Organisation AAAS, Joseph Francisco, Mitte Februar geschrieben hat: Die sich verändernde Politik in den USA „hat bei den Mitgliedern unserer Gemeinschaft Verwirrung, Wut, Unsicherheit und Angst ausgelöst.“ Peter Ehrlich