Die Linke sucht den Wirtschaftswahlkampf
Was seine Sprache angeht, ist Jan van Aken, der Parteivorsitzende der Linken, kein Kind von Traurigkeit. Den FDP-Politiker Martin Lindner bezeichnete er in einer Bundestagsrede einst als „Macho“. Jedes Mal, wenn im Parlament eine Frau rede, rufe er arrogant dazwischen „und krault sich seine Eier“, pöbelte van Aken 2012. Vor wenigen Wochen sagte er, sein persönlicher Wunsch sei es, bei der Bundestagswahl „vor dieser asozialen FDP“ zu landen. Gestern nun nannte er diejenigen, die Abschiebungen nach Syrien forderten, „verkommene Drecksäcke“. Ines Schwerdtner, Co-Vorsitzende der Linken, stand neben ihm und hatte sichtlich Mühe, ihre Gesichtszüge unter Kontrolle zu behalten.
Schmähungen wie die des Parteichefs klingen eher nach Kneipenstreit als Parlamentsdebatte. Der Sound passt allerdings zu dem, was sich die Linke vorgenommen hat. „Wir gemeinsam gegen die da oben“, lautet die Leitlinie im Entwurf des Wahlprogramms, den Schwerdtner und van Aken gestern vorgestellt haben. Grundlage des Werks sind Gespräche, die die Linke seit Oktober an Haustüren geführt hat. Ziel dabei war es einerseits, sich thematisch Ideen für den Wahlkampf zu holen. Aber auch diejenigen anzusprechen, um die sich keiner mehr kümmert, die sich abgewandt haben. So sagte es im Oktober eine Parteistrategin.
Was die Themenauswahl angeht, beschränkt sich die Linke dieses Mal auf wenige Punkte: Mieten deckeln, Preise runter, Steuern rauf – für die Reichen natürlich, die Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel, Bus und Bahn will die Linke hingegen abschaffen. Der enge Zuschnitt sei auch eine Lehre aus vergangenen Wahlkämpfen, sagte Ates Gürpinar, der stellvertretende Parteivorsitzende, SZ Dossier. „Wir müssen uns stark fokussieren, um durchzudringen.“ Dass Mieten und Preise gestiegen seien, hätten nun einmal vor allem jene Menschen zu spüren bekommen, für die die Linke Politik machen will. Und bei denen sie sich demnach am meisten Chancen ausrechnet.
Eine solche Fokussierung ist allerdings eine Gratwanderung: Wer den Rahmen zu eng setzt, läuft Gefahr, Wählergruppen außer Acht zu lassen. Wer ihn zu weit setzt, gilt leicht als beliebig. Interessant ist daher, welche Themen die Linke nicht in den Vordergrund stellt: Asyl und Migration zum Beispiel. Dabei könnte ihr ein offensiver Kurs pro Asyl und Zuwanderung im linken Lager ein Alleinstellungsmerkmal verschaffen. Bei der Präsentation am Montag spielte das Thema aber – abgesehen von van Akens Beleidigung – kaum eine Rolle. Die Linke werde sich bei diesem und anderen Themen nicht wegducken, sagte Gürpinar. „Um diejenigen überhaupt noch zu erreichen, die sich gefrustet vom politischen Geschehen abgewandt haben“, sei jedoch ein thematischer Fokus wichtig.
Das Thema Krieg und Frieden taucht im Wahlprogramm der Linken zwar auf. Anders als es bei den ehemaligen Parteikollegen vom BSW laufend der Fall ist, stellte es die Linke gestern aber nicht prominent ins Schaufenster. Die Positionen ähneln sich aber zum Teil. Auch die Linke lehnt die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland ab, die nukleare Teilhabe der Bundeswehr soll beendet werden. Die Nato soll nach Ansicht der Linken mittelfristig durch eine „gemeinsame Sicherheitsarchitektur für Europa“ ersetzt werden. Um einen Friedensprozess für die Ukraine zu ermöglichen, solle die Bundesregierung Initiativen wie die von Brasilien oder China aufgreifen. „Und sich aktiv für eine gemeinsame diplomatische Verhandlungsoffensive einsetzen.“
Dass das Thema Krieg und Frieden eine weniger prominente Rolle spielen wird, begründete Ines Schwerdtner gestern ebenfalls mit den Erfahrungen der Haustürgespräche. Im Vergleich zu den wirtschaftlichen Themen habe es dort eine etwas untergeordnete Rolle gespielt, sagte die Parteichefin. Die wirtschaftliche Lage sei im Moment „die dominante Frage“. Voller Fokus eben. Tim Frehler