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Tiefgang

Bundesregierung vergrätzt Italien und Europa

Die Commerzbank nimmt die Sache selbst in die Hand: Die künftige Vorstandschefin Bettina Orlopp setzte der Bank gestern auf einer Branchenkonferenz ehrgeizigere Ziele, was Rendite, Erträge und die Ausschüttung angeht. Das sind Argumente für die eigenen Aktionäre, zunächst nicht zu verkaufen. Es macht die Bank gleichzeitig hübscher und teurer: Was man so tut, wenn man auf einmal Ziel eines Übernahmeversuchs ist.

Heute steht ein Treffen mit der italienischen Großbank Unicredit an, die Interesse an der Commerzbank angemeldet hat und bereits rund 21 Prozent kontrolliert. Man werde alles bewerten, was auf den Tisch komme, sagte Orlopp: „Wir werden keine dummen Dinge tun.“ Es könnte sein, dass sie damit der Bundespolitik voraus ist.

Die Bundesregierung, die noch zwölf Prozent an der Commerzbank hält, hat es in dieser Woche vermocht, sich nicht bloß als großer Anteilseigner zum italienischen Interesse an der Bank einzulassen. Der Kanzler nannte es eine „unfreundliche Attacke“, die SPD ist ohnehin empört und auch der Opposition diente es als Anlass zur Kritik an der Standortpolitik der Regierung. Der Finanzminister hatte eine Stilkritik vorzubringen. Es ist eine Politisierung mit mehrfachem Risiko.

Ein europäischer Champion, wie ihn sich Politiker gern wünschen, wenn sie den europäischen Bankensektor mit dem amerikanischen vergleichen, würde nun nicht gerade geboren, wenn Unicredit die Commerzbank schluckt. Aber klein ist sie nicht: Die Politik redet gern einer europäischen Kapitalmarktunion das Wort und dabei ist die Bankenlandschaft heute mehr zersplittert als vor der Finanzkrise. Da besteht der dringende Verdacht, eine Konsolidierung sei schon recht, wenn sie unter deutscher Führung passiere. Jedenfalls in Rom.

Der italienische Außenminister Antonio Tajani verglich den Fall mit der Übernahme der schon ewig klammen Alitalia (oder was davon übrig war) durch die Lufthansa: Italiens rechte Koalition hat durchgewunken, was alle Regierungen zuvor mit Blick auf vorgeblich nationales Interesse zu verhindern wussten. Die Politisierung der Commerzbank-Sache auf deutscher Seite hat die in Italien erst befeuert. An Unicredit hält der italienische Staat keine Anteile, Einmischung sei weder nötig noch geplant gewesen, wie es aus Rom heißt.

Die Kritik an der Bundesregierung geht aber über Italien weit hinaus. Berlin riskiert einen noch größeren Schaden am Ruf als durch die bilaterale Tollpatschigkeit allein. Die Europäische Zentralbank hat nicht erkennen lassen, dass sie irgendetwas gegen die Transaktion hätte, das Kartellamt auch nicht. „Also bleibt nur das emotionale Argument“, sagte ein europäischer Diplomat. „Entweder duldet Deutschland keine ausländischen Investoren in deutschen Banken oder einfach keine italienischen.“

Entweder, oder? Keines davon ein schöner Eindruck, vor allem da er in eine Reihe gestellt zu werden droht mit jüngsten Entscheidungen auf Kosten von Nachbarn: Die Grenzkontrollen setzen den freien Waren- und Pendlerverkehr dem Risiko von Störungen aus.

Die rationaleren der deutschen Ängste um die Commerzbank: Unicredit könnte Kapital in die Zentrale transferieren oder es einstellen, den deutschen Mittelstand zu finanzieren. Gegen Letzteres spricht das gute Geschäft. Liquiditätstransfers hat die dem Finanzministerium unterstellte Aufsichtsbehörde BaFin jedenfalls in der Finanzkrise immer mit Auflagen versehen. Südeuropäische Banken gelten im Norden gern generell als schwach. Das aber ist so falsch, wie alle deutschen Banken für risikoarm zu halten.

Oppositionsführer Friedrich Merz warnte, der Commerzbank stehe dasselbe „Schicksal“ bevor wie der 2005 von Unicredit übernommenen Hypovereinsbank – die in der Branche eher als Erfolgsgeschichte denn als Fehlschlag gilt, freilich zum Preis eines deutlichen Stellen- und Filialabbaus. Es ist die nachvollziehbarste Angst auch im Falle der Commerzbank und es droht ja im Wahljahr noch anderswo der Verlust von Arbeitsplätzen.

Allein: Keine Aufsichtsbehörde hat den Berliner Ärger bislang mit guten Argumenten gegen eine Übernahme gestützt und Unicredit zeigte sich unbeeindruckt davon, politisch nicht willkommen zu sein. So kann die Bundesregierung nicht viel tun, außer ihren eigenen Anteil nicht auf den Markt zu geben.

Darin liegt ein letztes Risiko: sollte die Mailänder Bank ihren Anteil weiter steigern können und ein formelles Übernahmeangebot machen. Die Analysten von der Citigroup schrieben etwa gestern, sie hielten „einen Zusammenschluss der beiden Unternehmen langfristig für das wahrscheinlichste Ergebnis“. Gewöhnliche Aktionäre sind selten von ideologischen Vorbehalten getrieben, eher von einem guten Angebot verlockt. Der Bund hätte durch die politische Ablehnung die Chance vertan, sein restliches Commerzbank-Paket zu einem guten Preis zu verkaufen.