Schwarz-Grün: Wo doch noch was geht
Danyal Bayaz will über die Tonlage sprechen. Der Finanzminister der Grünen aus Baden-Württemberg ist am Montagabend in der Konrad-Adenauer-Stiftung zu Gast, offiziell, um über die Memoiren von Wolfgang Schäuble zu sprechen, inoffiziell auch, um mit dem CDU-Chef und designierten Kanzlerkandidaten Friedrich Merz auf einem Podium zu sitzen. Dass Merz die Grünen zum Hauptgegner der Union auserkoren hat, dass Markus Söder wenige Stunden zuvor abermals versprach, eine schwarz-grüne Koalition auf Bundesebene zu verhindern, sie als „No-Go“ bezeichnete: Das ist an diesem Abend weit weg.
Beinahe, als wäre man in der Zeit zurückgereist, als Schwarz-Grün von Laschet bis Söder, von Baerbock bis Habeck als Koalition der Zukunft galt. Gäbe es da nicht die Tonlage. Bayaz sagt, er wünsche sich, dass sich die demokratischen Parteien untereinander mehr gönnen könnten. Er möchte die Grünen nicht ausnehmen. Seine Partei müsse lernen, zwischen rechtsextrem und konservativ zu unterscheiden, in der Flüchtlingsfrage sei die Position der Union „legitim“, da müsse man „nicht gleich sozusagen mit der Keule kommen“. Merz nickt.
Rund drei Kilometer weiter wirbt auch Wirtschaftsminister Robert Habeck für mehr Kompromissfähigkeit in der Politik. Der Vizekanzler, der im Charlottenburger Renaissance Theater das Merkel-Buch des Journalisten Eckart Lohse diskutiert, sagt, man müsse wieder verstehen, dass Konflikte ein Land zusammenbringen können – und nicht spalten müssen. Schwarz-Grün kommt auch für ihn infrage, natürlich, Habeck aber sieht Unterschiede zur Merkel-Zeit. Der größte sei, dass die Union nicht mehr wisse, was sich gehöre. Mit dem BSW will sie regieren, mit den Grünen nicht?
Was also tun, um es besser zu machen? „Kommunikation und Sprache sind jedenfalls einen Versuch wert, dass man versucht zu erklären, was da passiert, dabei vielleicht auch unter mehr Einsatz der Person“, sagt Habeck. Der Person Habeck? Das gefiele Merz nun eher weniger. Seine eigene Tonlage passt der CDU-Chef an diesem Abend seinem Gegenüber an. Hätte er nur Grünen-Politiker wie Danyal Bayaz neben sich sitzen, so wirkt es, wären ihm Koalitionsverhandlungen mit den Grünen vielleicht sogar wünschenswert.
Beispiel Finanzpolitik: Er sei ein Anhänger der Schuldenbremse, sagt Bayaz. Er will da keine Missverständnisse aufkommen lassen, doch auch das reiche Baden-Württemberg müsse sich „zur Decke“ strecken, um die Schuldenbremse auf Landesebene einzuhalten. „Dann können Sie sich vorstellen, wie es in Nordrhein-Westfalen, Ostdeutschland, in der Hansestadt Bremen läuft“, sagt er. „Mit diesen fiskalischen Möglichkeiten, nach diesem sehr strengen Urteil in Karlsruhe, werden wir so einfach nicht weitermachen können. Das ist fiskalische Realpolitik.“
„Die Länder haben eine viel restriktivere Haushaltspolitik zu machen als der Bund“, sagt Merz mit Verweis auf die fehlende Konjunkturkomponente. Die Schuldenbremse auf Bundesebene will er beibehalten („Stellen wir uns mal einen kurzen Augenblick vor, was in der gegenwärtigen Koalition los wäre, wenn es diese Schuldenbremse nicht gäbe!“), doch über das Thema müsse man reden, weil „die Länder hier ein großes Problem“ haben.
Ihm gehe es vor allem um die Reihenfolge, er wolle mehr privates Kapital mobilisieren, um zum Beispiel über Investitionen in Infrastruktur zu sprechen. Das Geld sei eben an der falschen Stelle. „Wir investieren es nicht richtig“, sagt er. Die Diskussion über die Schuldenbremse dürfe erst geführt werden, wenn dieses Problem gelöst sei.
„Herr Merz, das Thema kommt auf Wiedervorlage“, retourniert Bayaz, entweder man reformiere die Investitionskomponente der Schuldenbremse, oder man traue sich an die Steuerpolitik, das sei wahrscheinlich „nicht ganz einfach“. Eine nächste Regierung müsse an das Thema ran, Bayaz plädiert für eine „Agenda 2030 oder 2035“. Die Strukturen müssten effizienter werden, sagt Merz. Und dann: „Was hindert uns daran, zu Beginn der nächsten Wahlperiode eine fünfstufige Steuerreform ins Werk zu setzen?“ Streit klingt anders.
Wäre da nicht die Wirtschaftspolitik, inklusive Habeck. „So wie es hier zurzeit in Berlin in der Wirtschaftspolitik läuft, ist ein Konsens mit uns nicht denkbar“, sagt Merz zu Bayaz. Sie sei „stark interventionistisch“ geprägt, von Fördertöpfen, Subventionen, Zuwendungen. Bayaz, nicht als Fan einer linken Wirtschaftspolitik bekannt, verteidigt seinen Parteifreund und baldigen Kanzlerkandidat nicht. Stattdessen verweist er auf die Förderpolitik des früheren CDU-Wirtschaftsministers Peter Altmaier, der darauf auch noch stolz sei. „Manchmal reden wir uns die Unterschiede auch größer, als sie sind“, sagt Bayaz. Immerhin, er sei beruhigt, dass die Worte von Merz gälten – nicht die aus der bayerischen Staatskanzlei. Valerie Höhne und Gabriel Rinaldi