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Tiefgang

Wie das Comeback der Linken gelingen soll

Ist er das wirklich? Bodo Ramelow, Ministerpräsident aus Thüringen? Mit verspiegelter Sonnenbrille in einem Musikvideo? Es sieht so aus. Zusammen mit der Band Donata aus Erfurt hat er den Trio-Song „Da Da Da“ zum Wahlkampfhit umfunktioniert. Die Botschaft: Ihr müsst mich nicht lieben, aber wählt mich bitte trotzdem. Das soll witzig sein. Die Lage der Partei aber ist ernst. In den Umfragen liegen Ramelow und seine Partei bei 15 Prozent, das ist nicht einmal die Hälfte des Wahlergebnisses von 2019.

Ramelow ist aber nicht nur Ministerpräsident in Thüringen, er ist der letzte Popstar, den die Linke noch hat. In Sachsen und Brandenburg muss sie um den Wiedereinzug in den Landtag bangen, in bundesweiten Umfragen dümpelt sie meist bei drei Prozent herum und im jüngsten ARD-Deutschlandtrend wurde gar kein eigener Wert für sie angezeigt. „Wir müssen uns nichts vormachen“, sagt Ates Gürpinar, Bundesgeschäftsführer der Linken, „es geht um alles.“

Aber was tun?

Thematisch hat Gürpinar, auch nach der Abspaltung des BSW, eine Lücke ausgemacht, die die Linke seiner Ansicht nach ausfüllen muss. „Einerseits indem wir beim Thema Migration Haltung zeigen.“ Gleichzeitig müsse sich die Linke auf jene Menschen fokussieren, „die Sorgen haben, die die Verteilungskämpfe spüren“. Der Gedanke dahinter: „Die Diskussion wieder dahin schieben, wo wir stark sind“, sagt Gürpinar, also in Richtung Soziales, Bildung und Gesundheit.

Auch strukturell will sich die Linke neu aufstellen. Dazu will die Partei ihre Leute losschicken, sie sollen an Infoständen, Gartenzäunen und Haustüren mit den Menschen ins Gespräch kommen, auch wenn gerade kein Wahlkampf ist. „Gerade besprechen wir mit den Kreisverbänden, welche Zielgruppen für uns dabei im Zentrum stehen.“ Nach dem Bundesparteitag im Oktober soll es losgehen. Die Ergebnisse sollen dann im kommenden Jahr in die Entwicklung des Wahlprogramms einfließen. Und natürlich wolle man den Menschen, die man dabei treffe, auch zeigen, wie sie mitarbeiten können.

Eingebettet ist diese Klinkenputzoffensive in einen größeren Prozess der Erneuerung, „Plan 25“ heißt er. Drei hauptamtliche Mitarbeiter mit Kampagnenerfahrung seien damit beschäftigt, ihn in die Tat umzusetzen. Gürpinar setzt aber auch auf die Neumitglieder, die die Linke zuletzt hinzugewonnen hat. Das seien Menschen, die bereits politisch interessiert und aktiv seien, sagt der Bundesgeschäftsführer. „Und die sind ja eingetreten, um etwas zu bewegen.“

Anleihen nimmt die Linke dabei auch im Nachbarland Österreich. Georg Kurz, früher Sprecher der Grünen Jugend, hat den Wahlkampf der Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ) in Salzburg mitorganisiert, überraschend erfolgreich. Inzwischen arbeitet er im Karl-Liebknecht-Haus. Bei den Kommunalwahlen im März schaffte es der KPÖ-Kandidat in die Stichwahl, die Partei holte 23 Prozent der Stimmen. Das Konzept: In die Viertel gehen, in der die Menschen FPÖ gewählt haben. „Klassenpolitik bedeutet, nicht nur den Teil der Klasse anzusprechen, der gendert“, schrieb er in einem Gastbeitrag für die Rosa-Luxemburg-Stiftung, Zielgruppe seien alle, die mit den „herrschenden Verhältnissen“ unzufrieden seien.

Um das Ruder herumzureißen, brauche es „politische Zuversicht, gute Laune, und Ideen auf der Höhe der Zeit“, sagt Daphne Weber, Mitglied im Bundesvorstand der Linken. Da sei leider in der letzten Zeit zu viel versäumt worden. Weber hat daher im Mai ein Papier für eine „Weststrategie“ vorgelegt, dort in den westdeutschen Bundesländern sei das Gros der Wählerinnen und Wähler zuhause – und zwar vor allem jene, die, aus Webers Sicht, für die Linke zugänglich sein könnten. Die Partei habe vor allem in „weiblich geprägten Dienstleistungsberufen“ Potenzial, bei Erzieherinnen oder Pflegerinnen. Und die lebten häufig in urbanen Zentren, wie dem Ruhrgebiet oder rund um Frankfurt am Main.

Den „Plan 25“ findet Weber zwar richtig, man müsse dabei aber realistisch bleiben, auch was die Ressourcen für so ein Vorhaben anbelangt. „In wichtigen Regionen wie zum Beispiel in NRW müssen ganze Kreisverbände wiederbelebt werden“, sagt Weber. „Die letzten Jahre und auch die BSW-Abspaltung haben uns mehr gerupft, als wir dachten.“ Die Haustürgespräche seien gut und wichtig, um Präsenz zu zeigen, aber es bräuchte grundsätzlichere Änderungen. Weber schlägt zum Beispiel vor, neue Stellen der Partei nicht mehr in Berlin, sondern in den Landesverbänden zu besetzen.

Außerdem müsse die Linke zeigen, „wofür sie steht und was sie realistisch durchsetzen will. Nur zu versichern die beste Partei für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie zu sein, das funktioniert in der heutigen Zeit nicht mehr“, sagt Weber. Am Ende sei Politik eben Realpolitik. Tim Frehler, Valerie Höhne