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Tiefgang

So könnte sich der Bundestag besser vor Extremisten schützen

Der Bundestag ist für Spione ein gutes Ziel. Auch, weil Sicherheitsstrukturen fehlen. „Die sich häufenden Fälle immer aggressiverer Spionage, Sabotage und Anwerbung durch ausländische Nachrichtendienste macht nicht vor Mitgliedern des Deutschen Bundestags halt, zumal diese gerade mangels formaler Einbindung in Kontrollstrukturen vergleichsweise ‚weiche‘ Ziele markieren“, schreibt der Verfassungsrechtler Klaus Ferdinand Gärditz von der Universität Bonn in einem neuen Gutachten für den Deutschen Bundestag, das SZ Dossier vorliegt.

Auf der Präsidialebene des Bundestags macht man sich schon länger Gedanken darüber, wie das Hohe Haus resilienter werden kann. Das Rechtsgutachten zum Schutz vor „verfassungsfeindlichen Einflüssen und Aktionen“, das von der Bundestagsverwaltung unter Präsidentin Bärbel Bas (SPD) in Auftrag gegeben wurde, sieht einen recht großen Spielraum. Das Papier wurde Anfang der Woche an die Sicherheitsbeauftragten der Fraktionen geschickt, mehrere von ihnen hatten zuvor mit der Verwaltung einen Fragenkatalog erarbeitet. Heute wollen sie das Gutachten erstmals beraten.

Das Parlament ist häufiges Ziel analoger und digitaler Bedrohungen, von Cyberangriffen bis zu manifesten Drohungen, den Reichstag zu stürmen. Recherchen des BR zeigten im März, dass die AfD mehr als 100 Mitarbeiter aus dem rechtsextremen Milieu beschäftigt. Viel tun kann die Verwaltung bislang nicht, da die Abgeordneten selbstständig über ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entscheiden. Sie überprüft nur deren Zuverlässigkeit, schaut sich dafür Polizeidatenbanken und das Bundeszentralregister an. Beim Verfassungsschutz darf der Bundestag bislang nicht nachfragen.

Das 132-seitige Gutachten von Gärditz kommt zum Ergebnis, dass die Freiheit und Gleichheit des Mandats beschränkt werden können, um die Funktionsfähigkeit des Parlaments und die Rechte Einzelner zu schützen. Hausordnung und Zugangsregeln seien aber nicht hinreichend bestimmt, um rechtssicher präventiv gegen Gefahren vorzugehen, die von einer „extremistischen Betätigung Einzelner“ ausgehen.

Eine gesetzliche Regelung soll die Möglichkeit vorsehen, dass der Bundestag bei einem Antrag auf einen Bundestagsausweis oder Zugriff auf die IT-Systeme personenbezogene Daten beim Bundesamt für Verfassungsschutz abfragen oder empfangen darf.

Das Gutachten schlägt auch eine anlasslose Regelanfrage beim Verfassungsschutz vor jeder Ausweis-Ausstellung vor, die dann keinen diskriminiere, weil sie schließlich alle gleich treffe. Auch im digitalen Raum sollen die Türen dann verschlossen bleiben. Der Zugriff soll verweigert werden, wenn sich Mitarbeitende als verfassungsfeindlich und damit unzuverlässig erweisen.

Als Konsequenz, heißt es im Gutachten, könne der Bundestag „die Finanzierung von Personal verweigern, das nur eingeschränkt für Arbeitsleistungen zur Unterstützung parlamentarischer Aufgaben zur Verfügung steht, weil es keinen Zugang zu den Räumlichkeiten bzw. keinen Zugang zur IT-Infrastruktur hat“.

Für MdBs kommt eine Zugangsverweigerung nicht infrage. Laut des Gutachtens sollen aber Abgeordnete, die eine Tätigkeit in sicherheitsempfindlichen Gremien oder Ausschüssen durchführen wollen, künftig einer vorherigen Sicherheitsüberprüfung unterzogen werden. Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums, das die Geheimdienste kontrolliert, des Verteidigungsausschusses, oder relevanter Untersuchungsausschüsse mit Zugriff auf sensible Dokumente müssten dann, wie ihre Mitarbeiter, durchleuchtet werden. Gabriel Rinaldi