So hat Norwegen sein Digitalministerium eingerichtet
„Wir befinden uns mitten in einer technologischen Revolution“, sagte Norwegens erste Digitalministerin Karianne Tung SZ Dossier. Vor allem, seit Künstliche Intelligenz „überall um uns herum“ sei. Sie glaubt: Digitalisierung müsse zwar ressortübergreifend angegangen, aber zentral gesteuert werden.
Deutschland hat einen anderen Weg gewählt. Kurz nach der Bundestagswahl 2021 beerdigten die Ampel-Unterhändler in den Koalitionsverhandlungen die Idee eines umfassenden Digitalministeriums. Die FDP hatte es sich zwar ins Wahlprogramm geschrieben – für „mehr Tempo“, wie Lindner damals sagte – doch der Mut zu einem wirklich einschneidenden Umbau hat den Ampel-Parteien wohl gefehlt. Im Ergebnis gibt es auf dem Papier zwar ein Digitalministerium, aber es fehlen Steuerungsmöglichkeiten und wichtige Zuständigkeiten.
Was die Ampel nicht geschafft hat, will nun ausgerechnet die Partei richten, die zuvor 16 Jahre an der Macht war. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann kündigte an, er plane in einer möglichen Regierung ein Digitalministerium. Und auch aus der FDP hören wir, dass die alte Forderung nach einem neuen Ministerium zum Wahlkampfthema werden soll.
Das hat sich auch Jonas Gahr Støre gedacht, der norwegische Ministerpräsident. Der Sozialdemokrat rief Tung an, erzählte sie: „Er sagte: ,Karianne, die technologische Entwicklung geht jetzt so schnell, sie ist überall.'“ Norwegen brauche deshalb eine neue Geschwindigkeit, um die Digitalisierung als Werkzeug in unserer Gesellschaft einzusetzen. Støre habe betont, dass eine neue Digitalministerin wirklich notwendig sei. „Alle Minister in der Regierung sollten Digitalisierungsminister sein, aber wir brauchen eine Verantwortliche, die den anderen hilft und sicherstellt, dass die Arbeit erledigt wird“, habe er gesagt.
Diese Verantwortliche ist also seit Oktober Tung, 40 Jahre alt und wie Støre Mitglied der Arbeiderpartiet. Seit Januar gibt es ihr Ministerium, zum ersten Mal seit 20 Jahren wurde ein neues Ressort aufgebaut. Tung war schon Mitglied in der Jugendorganisation der norwegischen Arbeiterpartei, sie war Gemeinderätin und später Abgeordnete im norwegischen Parlament. Seit 2020 leitete sie den Trondheim Tech Port, einen Zusammenschluss von rund 60 Akteuren aus Forschung, Wirtschaft und Verwaltung.
Trondheim gilt als das Technologie- und Innovationszentrum Norwegens. Ministerpräsident Støre suchte also jemanden, der alle Player kennt. „Die Wirtschaft hat sich sehr gewünscht, dass jemand die Führung übernimmt und diese Aufgabe erledigt“, sagte Tung. Sie ist nicht nur Ministerin für Digitalisierung, sondern auch für Public Governance. In ihrem Haus sind auch die Zuständigkeiten für die öffentliche Verwaltung und digitale Infrastruktur angesiedelt, damit Synergien genutzt werden.
Wie das funktioniert? „Meine Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass alle anderen Minister ihre Arbeit im Bereich der Digitalisierung besser machen“, sagte Tung. Sie steuert und koordiniert alles Digitale in der norwegischen Regierung. Leitfaden für alle Ressorts werde die neue norwegische Digitalstrategie. Das Papier ist noch nicht veröffentlicht und soll Ziele und Wege für alle Ministerien vorgeben. Mehr als hundert Mitarbeitende wechselten aus dem Ministerium für Kommunen und regionale Entwicklung in Tungs Haus. Mehr dazu gab es in unserem Dossier Digitalwende bereits am Freitag.
Norwegen hat etwas, was die Ampel sich zwar so ähnlich in den Koalitionsvertrag geschrieben, aber nicht umgesetzt hat: ein zentrales Digitalbudget. Jedes Ressort habe zwar sein eigenes Budget und die Hoheit darüber, sagte Tung. Alle Digitalprojekte und ihre Kosten würden aber zentral zusammengefasst.
Tungs Ehrgeiz ist es, dass bis zum kommenden Jahr „80 Prozent des öffentlichen Sektors in irgendeiner Weise Künstliche Intelligenz nutzen“. Probleme sieht sie noch in der Wirtschaft. Die großen Industriebetriebe seien gut aufgestellt – für kleinere und mittlere Unternehmen sei es aber eine Herausforderung, neue Technologien einzusetzen.
Auch Norwegen befindet sich mitten im Strukturwandel. Das Land sei sehr abhängig von natürlichen Ressourcen, vor allem Öl und Gas. „Wir sind darauf angewiesen, dass die grüne Transformation gelingt“, sagte Tung. Gabriel Rinaldi, Matthias Punz