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Tiefgang

Die nachsichtige Iran-Politik der EU

Der Gegenschlag blieb auch am Montag aus, aber selten war die Erzfeindschaft zwischen Iran und Israel für Europa spürbarer als im Augenblick, in dem die Welt darauf wartet, wie Israel auf den Angriff aus Iran reagiert. Es stehen Entscheidungen an, auch für Europa und Deutschland.

Bisher hat die EU, auch Deutschland, mit einiger Nachsicht auf das Regime in Teheran geschaut. Trotz der Ermordung der Kurdin Jina Mahsa Amini am 15. September 2022, obwohl das Regime Mädchen an Schulen vergiftete und Frauen in die Augen schoss. Trotz der Tatsache, dass das iranische Regime die Hamas ausstattet.

„Jina Mahsa Amini musste vor einem Jahr sterben, weil ein paar Haarsträhnen zu viel von ihr im Sonnenlicht tanzten“, sagte Außenministerin Annalena Baerbock im letzten September zum Jahrestag von Aminis Tod: „In diesen Tagen gedenken wir ihr und der Hunderten von Jugendlichen, Frauen und Männern, die Irans Zukunft hätten sein sollen und die ihrer eigenen Zukunft durch die brutale Gewalt des Regimes beraubt worden sind.“

Worte, die schwer wiegen, doch nie in Taten mündeten: Die Bundesrepublik treibt etwa weiter Handel mit dem Regime der Mullahs, begrenzt in Umfang und Qualität durch Sanktionen der Vereinten Nationen und der EU, aber durchaus wahrnehmbar und vor allem kaum verändert. Es habe „keine nennenswerten Veränderungen aufgrund plötzlicher Ereignisse gegeben“, schreibt die deutsch-iranische Handelskammmer auf ihrer Seite.

Der 7. Oktober war das „plötzliche Ereignis“: Über 1200 ermordete Israelis haben für die deutsche Wirtschaft und die Regierung nicht dazu geführt, Handelsbeziehungen zu Teheran einzustellen.

Im Januar 2024 betrug das Handelsvolumen zwischen der EU und dem Iran 380 Millionen Euro, ein Rückgang um gerade einmal zehn Prozent zum Vorjahr. Deutschland ist laut der Kammer mit einem Volumen von 120 Millionen Euro nach wie vor der wichtigste Handelspartner Irans in der EU. Sogar Banken des Regimes dürfen in Deutschland noch Geschäfte machen.

Andersherum ist der Iran auf Platz 40 der deutschen Handelspartner, nach Außenhandelssaldo, also dem, was nach Abzug der Importe für die deutschen Exporteure übrig bleibt; es kommen anständigere Länder deutlich weiter hinten.

Nun, nach dem historischen Angriff auf Israel, werden erneut schärfere Sanktionen erwogen. Heute wollen die Außenminister bei einer Videoschalte darüber beraten. Baerbock hat sich dafür ausgesprochen. Es gibt auch andere Indizien, die auf einen Bruch mit der bisherigen Iran-Politik hinweisen: Am Montag bestellte Berlin den iranischen Botschafter ein.

Seit Jahren fordern Oppositionelle und Iran-kritische Politiker die Terrorlistung der islamischen Revolutionsgarden und spezifische Sanktionen gegen die Machtelite des Landes. Ob eine Terrorlistung rechtlich möglich ist, wird in Berlin bezweifelt. Die Deutsche Presseagentur berichtet, dass auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sie kritisch sieht. Er will den Iran weiter dazu bewegen, zum Nuklearabkommen zurückzukehren – das das Land mehrfach gebrochen hat.