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Wie man eine Gesellschaft organisiert

Das „Benefiz-Weihnachtsessen“ am letzten Montag vor Weihnachten sorgt in München jedes Jahr für Auftrieb, als Society-Event. Dieses Jahr ist es ein Politik-Ereignis über Bayern hinaus. Wir haben vorab einen Blick in die Gästeliste werfen können: Mit Markus Söder und Hendrik Wüst kommen zwei Ministerpräsidenten, mit Margaritis Schinas ein Vizepräsident der Europäischen Kommission.

Bundesbank-Präsident Joachim Nagel steht auch darauf: Sonst ein top act, wohin er auch kommt, hier schon fast 1b. Weiter tun dies Vorstandschefinnen, Aufsichtsräte und, zurückhaltend geschätzt, etliche hundert Millionen Euro Vermögen (wie überall eher ungleich verteilt über die Gäste). Wer aus dem bayerischen Kabinett fehlt, muss vor Jahren wohl irgendwas angestellt haben. Charlotte Knobloch kommt, die Vorsitzende der israelitischen Kultusgemeinde.

Was sie alle zusammenführt? Es kommen drei Dinge zusammen, scheint es: ein begabter Netzwerker, ein guter Zweck und die Aussicht auf gute Gesellschaft.

Die Gastgeber: Die Runde kommt zusammen auf Einladung von Stavros Kostantinidis und Saskia Greipl-Kostantinidis. „Irgendein Geheimnis gibt es bestimmt“, sagt Kostantinidis auf die Frage, wie er das macht. „Die persönliche Ansprache und belastbare, freundschaftliche Beziehung. Aber auch: Ich habe von den Leuten nie was gewollt, weder ihren Job noch irgendwelche Aufträge.“ Er ist der Impresario der Bühne, die München auch ist, im Hauptberuf Rechtsanwalt, beschäftigt und betrübt etwa auch mit einem Aufsichtsratsmandat bei Galeria/Karstadt/Kaufhof. 

Begonnen hat es klein: „Vor 15 Jahren war das Weihnachtsessen ein langer Tisch im Restaurant Calypso, mit Leuten, mit denen ich zu tun hatte.“ Es wurden mehr und mehr. „Viele von denen sind auch Leute, die mit mir auf den heiligen Berg Athos gepilgert sind“, sagte Kostantinidis, ein orthodoxer Pfarrerssohn. „Das verbindet enorm und das verbindet die Leute auch noch untereinander.“

Dass die hochrangigsten politischen Gäste alle der Europäischen Volkspartei angehören, liegt dem Gastgeber nicht sehr fern, ist aber keine Voraussetzung, beteuert er. „Ich lade Freunde ein, von mir aus können auch Kommunisten kommen.“ 

Söder und Wüst sind freilich keine Kommunisten, zur Pilgergruppe gehören sie wie viele andere aber auch nicht. Die Lokalpolitik kommt, Professorinnen, die Juweliere, Restaurateurinnen und Inhaber in bester Lage, Kabarettisten und Künstlerinnen sowie alles, was es sonst noch braucht, um ein Event zur Party zu machen: die Kapitäne sowohl des Fernseh-Traumschiffs als auch von Münchner und ein paar Berliner Medien, samt Gesellschaftsreportern, wer welche hat.

Die Tischordnung „ist eine Philosophie“ für Kostantinidis. „Da muss man bedenken, wer wen schon kennt und wer wen kennenlernen sollte. Das soll ein großes Netzwerk für alle sein“, sagt er. „So nach diesem Motto gehe ich dann vor und ich weiß ungefähr, wer mit wem kann und wer mit wem nicht kann, auch das ist auch wichtig, weil es sehr schnell den Abend sprengen kann. Da sitze schon eine Woche drüber.“

Sichtbarkeit und Nahbarkeit tun keinem schönen Abend einen Abbruch, sagt Kostantinidis. „Man muss nur aufstehen, hingehen, auf die Schulter schlagen“, sagt er. „Die Leute wollen das, sie wollen gesehen werden. Das ist das Schöne an der ganzen Geschichte und der Unterschied zu anderen solchen Galaabenden: Bei mir vermischen sie sich, reden miteinander, sind im Austausch.“

Wüst bestätigt das: „Am traditionellen Weihnachts-Benefiz-Abendessen nehme ich sehr gerne teil, weil es eine schöne Gelegenheit zum Austausch zum genau richtigen Zeitpunkt bietet“, sagte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident SZ Dossier: Das Dinner „steht im Kern für das, wovon wir in diesen Zeiten mehr brauchen: Zusammenhalt, Hilfsbereitschaft und Solidarität.“

Irgendetwas will Kostantinidis nämlich schon von seinen Gästen. „Ich will, dass sie mithelfen, dass wir was Gutes erreichen für Bedürftige, für die Gesellschaft“, sagt er. „Das wissen sie auch: Wenn man zu mir kommt, muss man auch was machen.“ Die Spenden gehen dieses Jahr an die Münchner Tafel, an einen Verein zur Seniorenhilfe und an die Jerusalem Foundation Deutschland, die sich als Vermittlerin zwischen den jüdischen, christlichen und muslimischen Bewohnern der Stadt versteht. Wüst ist seit diesem Jahr ihr Präsident. 

„Die Freundschaft zu Israel ist für unser Land, aber auch für mich persönlich von herausragender Bedeutung“, sagte er. Der Stiftungsvorsitz sei eine „große Ehre“. Warum er nach München kommt? Zum Fundraising. Von den Gala-Gästen erhofft er sich sichtbare Zeichen. Es gehe darum, „Worten Taten folgen zu lassen“, sagte Wüst. „Die vielen Gäste kommen dort zusammen, weil sie etwas tun, weil sie helfen möchten. Daher wünsche ich mir, dass eine große Summe an Spenden für die wichtige Arbeit der Jerusalem Foundation zusammenkommt.“

Der Gastgeber sagt dasselbe: Es soll „eine ordentliche Spende für die wirklich sehr gute Arbeit“ der Stiftung dabei herumkommen, wünschte sich Kostantinidis. Als Spendenziel über alle guten Zwecke des Abends gibt er aus: „Alles, was über eine halbe Million Euro ist, ist eine gelungene Geschichte. Und es geht bestimmt über eine halbe Million hinaus.“ 

Ein letzter Tipp des Gastgebers: Hör auf Deine Gäste. Früher hieß das Event Zicklein-Essen. Söder, der täglich wieder die Politisierung seiner Nahrungsaufnahme betreibt, mochte das wohl nicht sehr gern. „Das Zicklein, wie soll ich sagen, war unterschiedlich begehrt“, sagt Kostantinidis. „Wir sind Griechen und wir haben eine so große und vielfältige Küche. Wir haben alles, was das Herz begehrt und da kommt keiner zu kurz. Und wenn einer nur Brokkoli essen will, dann bitteschön.“