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Tiefgang

Wie die Haushaltskrise zu den Menschen findet

Bayerns Bauminister fürchtet schwere Auswirkungen der Berliner Haushaltskrise auf die Bauwirtschaft, und damit auf den Wohnungsbau in Deutschland. „Die Lage ist dramatisch“, sagte Christian Bernreiter gestern im Interview. Er ist zuständig für Wohnen, Bau und Verkehr – alles Bereiche, auf die die Budgetkrise heftig durchschlägt. „Die Bauwirtschaft steht vor dem Kollaps und braucht Sicherheit und Vertrauen. Da muss der Bund so schnell wie möglich für Klarheit sorgen.“

Bernreiter wird ab Januar für zwei Jahre der Bauministerkonferenz der Länder vorsitzen, die erst vergangene Woche einstimmig gefordert hatte, die Bundesregierung müsse das Schlamassel nun rasch klären und sowohl für sozialen Wohnungsbau als auch für die Städtebauförderung Mittel „mindestens im Umfang des laufenden Jahres“ zur Verfügung stellen. Allein, es sieht nicht danach aus: „Das ist in der Schwebe, es hängt ja vom Haushalt 2024 ab“, sagte Bernreiter. „Und dann haben wir ein aktuelles Problem, wo sich das schon auswirkt.“

Die Förderbank des Bundes stellt erste Förderprogramme ein: „Die KfW hat unter Verweis auf die Haushaltssperre bereits vier Bundes-Förderprogramme auf Eis gelegt“, sagte Bernreiter. „Für diese Programme darf nichts mehr genehmigt werden, auch wenn die Förderanträge schon gestellt sind, und neue Anträge dürfen nicht mehr gestellt werden. Das ist Gift für die Baukonjunktur, weil es zur weiteren Verunsicherung beiträgt.“

Straße, Schiene, Wasserstraßen, der Hochbau des Bundes: Betroffen sind alle Bereiche. Für politisch am sensibelsten hält Bernreiter den Wohnungsbau, übrigens ein zentrales Wahlkampfversprechen des Bundeskanzlers, was der CSU-Minister im Gespräch gar nicht erwähnt – der Schaden ist nicht auf eine Partei beschränkt. Die Krise könnte das Vertrauen in Regierungshandeln überhaupt weiter erschüttern, so die Furcht nicht nur in München.

Bernreiter, lange Landrat im niederbayerischen Deggendorf, wo nun sein Wahlkreis ist, diente seiner Partei im gerade zurückliegenden Landtagswahlkampf als Gegenprogramm zu Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger: Ebenso nah an den Leuten, aber nicht nur laut im Bierzelt, sondern auch verlässlich in der Umsetzung von Politik, so das Versprechen. Im Kampf um die Erststimme war das recht erfolgreich; aber auch nur da.

Hier kommt die Krise: „Vordergründig sind die Auswirkungen der Haushaltskrise im Bund auf den Wohnungsbau am dramatischsten, weil es die breite Masse der Menschen betrifft“, sagte Bernreiter. „Wenn die KfW-Mittel gestoppt werden, das merkt der Bürger als Erstes. Dass für Straßen kein Geld da ist, merkt man erst zeitversetzt.“ 

Im Straßenbau „sind alle noch nicht in Anspruch genommenen Verpflichtungsermächtigungen gesperrt“, sagte Bernreiter. „Das ist unseren Bauämtern sofort mitgeteilt worden.“ Auch der Ausbau der Fahrrad-Infrastruktur ist betroffen: „Beim Sonderprogramm Stadt und Land – dem Radnetz – passiert zwar nichts, aber im Förderprogramm Radnetz Deutschland können ab sofort keine Anträge mehr bewilligt werden“, sagte er. „Dasselbe gilt für Fahrrad-Parkhäuser an Bahnhöfen. Da haben wir dank dem Bund jetzt auch ein Problem.“

Was für die Schiene gilt – zunächst die gute Nachricht: Das Deutschlandticket und laufende Regionalisierungsmittel für den Schienenpersonennahverkehr „sind ungefährdet“, sagte Bernreiter: Da ist der Bundesanteil für das laufende Jahr schon vereinnahmt und „da sehen wir, zumindest derzeit, keine akute Gefahr.“

Wo schon Risiko besteht, ist da, wo Bahnkunden sich Investitionen am meisten wünschen würden. „Gefahr gibt es für das 40 Milliarden Euro schwere Sonderprogramm Schieneninfrastruktur – es ist völlig unklar, ob geplante Hochleistungsstrecken umgesetzt werden können oder nicht“, sagte Bernreiter. Es ist ein Zukunftsplan, oder sollte einer sein – „aber ohne die Absicherung in Haushalten sind es eigentlich nur Absichtserklärungen“, sagte Bernreiter. „Da haben wir offene Fragen, die muss die Bundesregierung jetzt lösen.“