Nein, Social Media allein entscheidet keine Wahlen. Inhalte müssen aber nun einmal bis zum Wähler durchdringen, am besten auch zu Neu- und Jungwählern. Neben der AfD gelang das im Europawahlkampf vor allem Volt.
Fast schon oldschool: Beim digitalen Teil des Wahlkampfes hat sich die Partei auf Youtube und Instagram konzentriert. Unsere Datenanalyse zeigt, dass sie damit erfolgreich war. So hat Volt mit fast mehr als 520.000 Aufrufen den zweiterfolgreichsten Wahlwerbespot auf Youtube produziert, nach der AfD. Das brachte der Jungpartei mehr als doppelt so viele Aufrufe wie SPD, FDP, CSU und Grüne ein. Auch Jasmin Riedl kann den Erfolg mit Zahlen belegen. Die Professorin leitet das SPARTA-Projekt der Universität der Bundeswehr München, in dem sie zusammen mit Kollegen zur Rolle der sozialen Medien in Wahlkämpfen forscht. Auf Instagram konnte Volt seine Follower-Anzahl seit Februar um 65 Prozent auf nun knapp 50.000 steigern, so Riedl.
Erfolg hat seinen Preis, das zeigen unsere Analysen: In den letzten 90 Tagen hat Volt knapp 310.000 Euro auf den Meta-Plattformen in 366 Anzeigen investiert. Allein in den sieben Tagen vor der Wahl steckte Volt mehr als 130.000 Euro in Meta-Ads. Auch auf Youtube und der Suchmaschine Google gab Volt in den letzten vier Wochen vor der Wahl mehr als 233.000 Euro aus. Unsere Datenanalyse des Google Ad Transparency Center zeigt, dass Volt damit sogar mehr in Bild-, Text- und Video-Werbung auf Google Plattformen investiert hat als alle anderen Parteien.
Big Spender: Volt konnte sich in der jüngeren Vergangenheit über einige Großspender freuen. Laut der eigenen Website, auf der die Partei nach eigenen Angaben alle Spenden ab 3000 Euro publik macht, erhielt sie 2024 mehrere Einzelspenden mit Beträgen über 10.000 Euro. Der höchste Betrag für eine Einzelspende lag bei 125.000 Euro. Im vergangenen Jahr waren es einmal sogar 250.000 Euro.
In God we trust. All others must bring data: Auf Nachfrage von SZ Dossier gab Volt an, das Wahlkampfbudget komplett ausgegeben zu haben – zum Großteil für den Wahlkampf auf Social Media, für Personal und für Materialien wie Flyer und Plakate. Laut eigener Aussage spielten die zwei angestellten Data Scientists im Wahlkampf eine entscheidende Rolle, da Volt „in jeder Hinsicht datengetrieben“ arbeite. Diese seien von einem Team aus Freiwilligen europaweit unterstützt worden. Zehn bis 20 Personen seien involviert gewesen, von einmaliger Hilfe bis hin zur studentischen Hilfskraft.
Für eine ordentliche Datenstrategie braucht man, wer ahnt es, erst einmal Daten. Diese habe das Team umfassend gesammelt – aus verschiedenen Quellen wie Umfragen, Wählerregistrierungsdaten, sozialen Medien und historischen Wahldaten. Einmal gesammelt und bereinigt, habe man sie benutzt, um demografische Trends und Wählerverhalten zu verstehen. Darauf aufbauend habe man dann Schlüsselwählergruppen identifiziert, samt spezifischen Präferenzen und Anliegen: die Grundlage für die Kampagnenstrategie.
Das ist auch von außen durchaus erkennbar. So fällt Jasmin Riedl beim Blick auf die erfolgreichsten Posts der Partei über verschiedene Plattformen hinweg besonders auf, wie stringent die Kampagne auf sie wirke. Eigentlich, so Riedl, zeichne sich die aktuelle Ära politischer Wahlkämpfe unter anderem dadurch aus, dass Content plattformspezifisch platziert werde. Heißt: Je nach Plattform werden andere Themenschwerpunkte oder Formate ausgespielt.
Nicht so bei Volt. „Auf allen Plattformen geht es um Europa, Integration, Klima, Energie, Frieden nach innen und außen“, sagt Riedl. Außerdem werde überall stark deutlich gemacht, dass die Partei gegen Rechtsextremismus ist. „Darüber hinaus ist die Message immer: Volt ist Europa, Volt ist eine Partei junger Menschen für junge Menschen – und ein Gefühl von ‘Volt, das seid ihr’“, so Riedl weiter. Und noch etwas fällt ihr auf: Die Partei habe das Thema Mobilisierung konsequent damit verknüpft, dass es in Deutschland keine Sperrklausel gibt und man diesmal schon ab 16 Jahren wählen durfte. Quasi ein Wink mit dem digitalen Zaunpfahl für Neuwähler.