Die schmutzigen Tricks im Wahlkampf richten sich besonders häufig gegen Frauen. Wenn Frauen nach der Macht greifen, müssen sie sich viel gefallen lassen – oft zu viel, findet Jiore Craig, die als Digitalexpertin schon Kampagnen der US-Demokraten beraten hat. Craig hilft Frauen, sich auf Wahlkämpfe vorzubereiten, sich besser vor digitaler Gewalt, Hass und sexualisierten Angriffen zu schützen. „Gewaltandrohungen gegen Frauen in Führungspersonen sind viel persönlicher, viel sexueller“, sagte die Expertin SZ Dossier.
In den USA kämpft dagegen die linke Kongressabgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez. Sie will die Verbreitung pornographischer Deep Fakes unter Strafe stellen, also nicht-einvernehmlicher, sexualisierte Darstellungen einer Person, die mit technischen Mitteln manipuliert, oder gänzlich fabriziert wurden. Im April hatte Ocasio-Cortez in einem Interview erklärt, selbst immer wieder Zielscheibe solcher Porno-Fakes zu werden – eine für sie traumatische Erfahrung, weil sie selbst auch schon körperliche sexuelle Gewalt erlebt habe, erzählte die Politikerin dem Rolling Stone.
Jiore Craig hat oft mit Frauen zu tun, die das Schicksal von Ocasio-Cortez teilen, trotzdem weiter Politik machen wollen. Die Schuld sieht Craig auch bei Social-Media-Unternehmen: „Sie zeigen konsequent, dass ihre Geschäftsinteressen wichtiger sind als die Sicherheit von Frauen oder sogar der Schutz der Menschenrechte.“ Gerade der Einzug der sogenannten generativer KI, Tools wie ChatGPT also, habe das Volumen sexualisierter Angriffe auf Frauen und selbst auf Kinder im Netz noch einmal erhöht.
Wirksamen Schutz gebe es bislang weder in den USA noch in Europa – auch in Hochphasen von Wahlkämpfen, wenn es also besonders dreckig wird im Netz, seien Frauen weitgehend auf sich allein gestellt. Insgesamt sei die Lage in Europa aber etwas besser als in den USA. Das liege einerseits daran, dass die EU etwa mit dem Digital Services Act inzwischen Gesetze erlassen habe, die Plattformbetreiber wie TikTok oder Instagram dazu zwingen, Nutzerinnen besser zu schützen. Verschlechtert werde die Lage in den USA indes dadurch, dass die Geldsummen, die in digitale Wahlkämpfe fließen, um ein Vielfaches höher seien, als in Europa. Geld, das eben auch in frauenfeindliche Hetzkampagnen finanziere.
Expertin Craig hat drei Tipps für Frauen, die Wahlkampf machen oder einfach öffentlich für ein Thema streiten. Erstens sollten sie physische und psychische Gesundheit gemeinsam denken: So sollten etwa Hass oder Morddrohungen sofort mit Screenshots dokumentiert werden, denn oft löschten die Verfasser diese Inhalte später. Genauso wichtig sei aber, sich schon vorsorglich Online-Communities zu suchen, in denen Menschen sich austauschen über ihre Erfahrungen mit dem Hass. Auch psychologische Unterstützung sei aber in vielen Fällen ratsam.
Zweitens sei es wichtig, in der Offensive zu bleiben, sich nicht in die Ecke drängen zu lassen: „Wenn irgendwie möglich, werden Sie nicht starr oder defensiv, egal wie niederträchtig, wie brutal der Angriff ist.“ Stattdessen solle die Attackierte versuchen, Gelassenheit zu demonstrieren, die Aufmerksamkeit, die durch die Schmutzkampagne entsteht, nutzen, um über die eigenen politischen Themen zu sprechen.
Drittens solle die Kandidatin verdeutlichen, dass sie kein Mitgefühl braucht, denn davon habe die Öffentlichkeit eh wenig übrig für Politiker: „Sagen ihren Wählern: Ich bin nicht das Hauptopfer. Das eigentliche Opfer ist die Demokratie als Ganzes, weil unser Diskurs verroht.“