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Nutzungsrechte erwerbenSelbst Selenskijs beste Argumente nutzen sich ab
Freitag, 16. Mai 2025Guten Morgen. Die Fraktionen haben die Ausschussvorsitze verteilt, reihum „gezogen“, wie man sagt. Die AfD hat sich auf die hergebrachte Verteilung des Zugriffs eingelassen, obwohl sie nicht darauf hoffen kann, dass ihre Kandidaten auch gewählt werden.
Gezogen hat sie mit Haushalts-, Innen- und Rechtsausschuss auch große, sensible und einflussreiche Politikbereiche. Dort als größte Oppositionsfraktion die Vorsitze verweigert zu bekommen, bietet ihr in den nächsten Jahren ausführlich Gelegenheit, über Ausgrenzung zu klagen.
Nach allem, was bisher aus den anderen Fraktionen zu hören ist, werden sie es nicht zulassen, dass die AfD diese wichtigen Posten übernimmt. Die jüngsten Einlassungen des Verfassungsschutzes werden kaum dazu führen, dass diese Entscheidung anders ausfällt.
Willkommen am Platz der Republik.
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Was wichtig wird
Dass die Außenpolitik nun aus einer Partei heraus gemacht wird, heißt weder, dass sie jederzeit wie aus einem Guss wirkt, noch, dass der Außenminister sie bestimmen darf. Johann Wadephul bekam Widerspruch für eine vollumfängliche Festlegung auf eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben auf fünf Prozent der Wirtschaftsleistung. Heute wird er überall unter Berufung auf Regierungskreise lesen, dass solche Entscheidungen nach dem Nato-Gipfel Ende Juni in Den Haag getroffen würden – Subtext: im Kanzleramt.
Fünf! Er stehe hinter dem Vorschlag Mark Ruttes, sagte Wadephul bei einem Nato-Außenministertreffen in Antalya und nach einem Gespräch mit seinem US-Amtskollegen Marco Rubio. Der Nato-Generalsekretär forderte die Alliierten auf, die Ausgaben für direkte Verteidigungsausgaben bis 2032 auf 3,5 Prozent und für relevante Infrastruktur auf 1,5 Prozent zu erhöhen.
Dixit Wadephul: „Wir werden darüber heute natürlich noch einmal beraten, aber man sollte das Ergebnis sehen, und das Ergebnis sind in der Tat die fünf Prozent, die Präsident Trump gefordert hat.“ Seine Hoffnung: dass Donald Trump damit „ein klares Bekenntnis der Vereinigten Staaten von Amerika zu Artikel 5“ des Nordatlantikvertrages verbinde. Andere nennen es eher Illusion, dass der US-Präsident generell ein Partner erster Ordnung bleiben könnte.
Merz noch nicht überzeugt: „Diese Diskussion um Prozentzahlen vom BIP, das ist eine Hilfskonstruktion, um mal Richtwerte zu haben, in welche Richtung wir denn mit der Aufrüstung der Streitkräfte gehen“, sagte er am Abend in der ZDF-Talksendung Maybrit Illner. „Wir müssen die Fähigkeit entwickeln, den europäischen Kontinent aus eigener Kraft heraus verteidigen zu können“, sagte er. „Da sind viele Dinge aufzuholen, die wir in den letzten Jahren gemeinsam versäumt haben – und daran orientieren wir uns.“
Nebenbei: Ein wacher Merz antwortete auf Fragen und auf Nachfragen, argumentierte, erzählte das ein oder andere und war weder patzig noch trug er die Nase hoch. So geht es also auch, fast hätten wir’s vergessen.
Möglichst viele Akteure möglichst früh einzubinden: Das schält sich als Strategie des neuen Finanzministers Lars Klingbeil heraus. Bei der Vorstellung seines Programms gestern im Bundestag klatschten anders als bei Friedrich Merz am Tag zuvor fast immer sowohl CDU/CSU als auch die SPD. Und nicht nur die Union, auch Grüne und Linke erklärten sich zur Mitarbeit an der Finanzpolitik bereit, nachdem Klingbeil angekündigt hatte, nach der nötigen (Zwei-Drittel)-Mehrheit für eine grundsätzliche Änderung der Schuldenbremse zu „suchen“.
Die Linke freut’s. „Wir freuen uns auf die Einladung in die Reformkommission Schuldenbremse und werden konkrete Vorschläge mitbringen“, antworte Ines Schwerdtner, die Linken-Bundesvorsitzende, in ihrer allerersten Bundestagsrede.
Ambitionierter Zeitplan. Ob diese Einladung kommt, verriet Klingbeil auch am Nachmittag bei seiner Pressekonferenz zur Steuerschätzung nicht, berichtet Peter Ehrlich. Nur so viel: „Bundestag und Länder werden eingebunden.“ Aber während die Unionsparteien noch grundsätzlich damit hadern, dass sie die Linksfraktion brauchen, sobald im Bundestag eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig ist, folgt Klingbeil auch bei der Schuldenbremse dem ambitionierten Zeitplan der Koalition: Er will eine Grundgesetzänderung bis Ende des Jahres.
Fürs Phrasenschwein: das Faxgerät. Klingbeils erstes großes Werk soll noch vor der Sommerpause der Haushaltsentwurf für das laufende Jahr sein. Zusammen mit dem Haushalt werde es auch ein Gesetz zur Umsetzung des Sondervermögens Infrastruktur geben. Ebenfalls am 25. Juni soll das Kabinett den „Investitionsbooster“ beschließen, also die 30-prozentige Sonderabschreibung auf Investitionen und die anschließende Senkung der Körperschaftsteuer. Eile ist geboten, schließlich sei es „Thema Nummer 1“ im Koalitionsvertrag, „Arbeitsplätze und wirtschaftliche Stärke in unserem Land zu sichern“, sagte Klingbeil im Bundestag. Investitionen müssten dafür sorgen, „dass die Bagger rollen, die Bahn pünktlich kommt und die Faxgeräte in den Ruhestand geschickt werden“.
Überschaubare Steuerausfälle. Die von den Steuerschätzern errechneten Mindereinnahmen von drei Milliarden Euro in diesem und 19 Milliarden Euro im nächsten Jahr für alle staatlichen Ebenen (bei Gesamteinnahmen von rund 1000 Milliarden Euro) hätten das Ministerium nicht überrascht und machten die Arbeit nicht schwerer, beteuerte Klingbeil. Nur geringere Einnahmen aus der Körperschaft- und Gewerbesteuer haben mit der Rezession zu tun, der Rest entfällt auf Ende des Jahres beschlossene Steuerentlastungen.
Drei Budgets, drei Grenzen: In Zukunft muss der Minister mit drei Finanztöpfen jonglieren. Zusätzliche Ausgaben für Verteidigung und Sicherheit sind per Verfassung und neuen EU-Regeln möglich, hier gibt es also große Spielräume. Dazu kommt das neue Sondervermögen Infrastruktur, aus dem in dieser Wahlperiode laut Kanzler Merz 150 Milliarden fließen sollen. Auch dieses Geld ist für die deutsche Schuldenbremse nicht relevant, wohl aber für die EU-Haushaltsregeln. Da aber alle EU-Länder und die Kommission die deutschen Mehrausgaben politisch unterstützen, werde sich wohl ein gemeinsamer Weg finden, gab sich Klingbeil optimistisch.
Neue Freunde. Bleibt der klassische Haushalt, für den zunächst noch die bisherige Schuldenbremse und das Bekenntnis im Koalitionsvertrag gilt, auch sparen zu wollen. „Ich habe viele neue Freunde im Kabinett“, die alle noch Geld für 2025 wollten, spottete Klingbeil. Aber alles stehe unter Finanzierungsvorbehalt. „Da werden sie in den ein oder anderen Konflikt auch mit der eigenen Partei geraten“, sagte Grünen-Chef Felix Banaszak in der Bundestagsdebatte voraus. Wenn Klingbeil es geschickt anstellt, kann aber der Investitionsfonds auch da ein wenig entspannen. Die Einnahmeverluste der Kommunen – laut Steuerschätzung 3,5 Milliarden im nächsten Jahr – machten es umso wichtiger, dass von den für die Länder reservierten 100 Milliarden Euro möglichst schnell Geld bei den Kommunen ankomme. Erst am Morgen hatte der neue Städtetags-Präsident Burkhard Jung (SPD) genau das gefordert.
Rund die Hälfte der Deutschen glaubt, dass die neuen Maßnahmen illegale Migration zumindest etwas verringern werden. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen YouGov-Umfrage für SZ Dossier. Demnach erwarten 51 Prozent der Befragten, dass die Maßnahmen irreguläre Einwanderung stark oder etwas reduzieren. 41 Prozent glauben hingegen, dass sie kaum oder gar keinen Effekt haben werden.
Politikwechsel: Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte in der vergangenen Woche angeordnet, dass auch Asylbewerberinnen und Asylbewerber an deutschen Grenzen zurückgewiesen werden können. Zudem sollen die Kontrollen ausgeweitet werden. Die Umfragedaten zeigen dabei deutliche Unterschiede je nach Parteipräferenz.
Skepsis von rechts: Besonders skeptisch äußern sich Wählerinnen und Wähler der AfD. Demnach gehen 63 Prozent aller AfD-Anhänger davon aus, dass die Maßnahmen die Einwanderung überhaupt nicht oder kaum verringern werden. Nur 31 Prozent erwarten eine Reduktion. Das könnte darauf hindeuten, dass konkrete Maßnahmen Grundsatzkritik dieser Wählergruppe nur schwer entkräften können.
Breite Zustimmung: Deutlich positiver sind Anhängerinnen und Anhänger anderer Parteien, auch solcher, die mit den Maßnahmen durchaus nicht einverstanden sind, wie Grüne, Linke und Teile der SPD. Besonders überzeugt sind Wählerinnen und Wähler von CDU und CSU von der Wirksamkeit der ihnen versprochenen Migrationswende: 68 Prozent glauben, dass die neuen Regeln illegale Einwanderung verringern werden.
Die Zukunft der SPD hängt auch davon ab, wie gut Arbeits- und Sozialministerin Bärbel Bas ihr Wirken als Kernpolitik einer Arbeiterpartei verkaufen können wird. Also: Gerechtigkeit war Leitmotiv ihrer ersten Rede im neuen Amt. „Es geht um ein gerechtes System“, sagte Bas und meinte konkret die Rente, generell das Aufgabenfeld ihres Hauses.
Achtung Fallhöhe: Im Ressort der „mächtigsten Frau im Kabinett“, wie die ehemalige Familienministerin Lisa Paus (Grüne) Bas gestern bei der Aussprache nannte, spielen Mindestlohn, Arbeitsschutz, Mitbestimmung, Sozialleistungen. „Sie vertreten den Kern dessen, was diese Partei ausmacht“, wusste Paus mitzuteilen. Ebenso sagte sie, dass durch den Koalitionsvertrag soziale Kälte einzuschleichen drohe, berichtet Elena Müller. Bas hatte zuvor versichert, die angestrebte Reform des Sozialsystems sei gut, weil alles „einfacher“ werde.
Streit in Etappen: Zuletzt war schon der ein oder andere Dissens ausgetragen worden. Erst verkaufte die SPD einen Passus zum Mindestlohn über, um Parteimitglieder von Schwarz-Rot zu überzeugen. Die Union beharrte darauf, dass der Mindestlohn nicht politisch entschieden werde. Dann warb die Union für das Ende der täglichen Arbeitszeitbegrenzung als einen Bonus für Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen. Schließlich verärgerte Bas den Koalitionspartner am Wochenende mit dem unabgesprochenen Vorschlag, auch Beamte und Selbstständige sollten künftig in die Rentenkasse einzahlen.
Arbeiter- und Bürgergeldpartei: Eine potenzielle Bruchlinie machte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann erkennbar. Ab jetzt herrsche in Deutschland wieder das Leistungsprinzip, sagte er. „Wer arbeiten kann, muss arbeiten gehen, ansonsten gibt es keine Sozialleistungen.“ Und so sehr Arbeiterpartei war die SPD zuletzt dann doch nicht, als dass sie sich dem vorbehaltlos anschließen würde.
Tiefgang
Selbst mit Wladimir Putin und Donald Trump am Tisch: Vom Ukraine-Gipfel in Istanbul wäre kaum eine Entscheidung über Krieg und Frieden ausgegangen, sagt der ukrainische Analyst und Sicherheitsexperte Mykola Bielieskov. Was er von den Gesprächen in der Türkei erwartet? „Ehrlich gesagt – nicht viel. Es ist vor allem ein symbolischer Akt. Für uns in der Ukraine geht es darum, nicht als Verweigerer dazustehen“, sagte er SZ Dossier. „Wir kennen dieses Ritual: Man inszeniert etwas, um niemanden zu verärgern – besonders Trump nicht. Wir tanzen einen politischen Tanz, um nicht zum Sündenbock zu werden.“
Das ist die ukrainische Realität im vierten Jahr des großen Kriegs gegen das Land, und es ist das politische Handwerk, das Präsident Wolodimir Selenskij ausüben muss. „Putin macht mit, weil er glaubt, dass es für ihn folgenlos bleibt, wenn alles scheitert“, sagte Bielieskov diese Woche im Interview in unserer Redaktion. „Die eigentliche Entscheidung über Verhandlungen fällt nicht auf Konferenzen – sondern auf dem Schlachtfeld, zwischen Mai und September.“
Bielieskov ist Senior Fellow am Nationalen Institut für Strategische Studien der Ukraine und leitender Analyst der Stiftung Come Back Alive – und einer jener ukrainischen Experten, die den eigenen Präsidenten nicht schonen. Selenskyj hatte lange ein Gespür für Worte, für Tonalität, für das richtige Publikum. Ist es nur der Eindruck von außen, oder hat sich das erschöpft? „Nein, das ist nicht nur Ihr Eindruck“, sagte er. „Ich habe diese Sorge schon seit über einem Jahr. Unsere Strategie beruhte zu sehr auf Überzeugungskraft. Und jedes Argument nutzt sich ab.“
Warum die Ukraine jede Unterstützung verdient, wird im Land und im Westen in vier Punkten durchargumentiert: Erstens der negative Präzedenzfall, falls Russland erfolgreich ist. Zweitens ein Dominoeffekt – wenn die Ukraine fällt, geraten andere Staaten in Mittel- und Osteuropa ebenfalls unter Druck. Drittens: die ökonomische Logik, nach der es günstiger ist, die Ukraine zu unterstützen, als Russland direkt entgegentreten zu müssen. Viertens: die Glaubwürdigkeit des Westens.
Aber: „Je öfter man dieselben Argumente dreht und wendet, desto weniger wirken sie“, sagte Bielieskov. „Selbst bei Ländern wie Polen, die einst alles geliefert haben, sehen wir nun Zurückhaltung. Sie sagen nicht offen: Wir zweifeln an Eurem Erfolg – aber sie verhalten sich entsprechend.“ Das hat unmittelbar, wie alle Fragen europäischer Sicherheit, mit der Haltung Amerikas zu tun. „Ich glaube nicht, dass wir Trump überzeugen können. Vielleicht Teile seines Umfelds“, sagte Bielieskov.
Das Foto in Rom, im Petersdom, wo Trump und Selenskij Zwiegespräch hielten? „Die Tatsache, dass jetzt sowohl Russland als auch die Ukraine gleichermaßen kritisiert werden, hat mehr mit dem Stimmungsumschwung im Trump-Lager zu tun als mit einem einzelnen Treffen in Rom oder sonstwo“, sagte er. „Trump hat erkannt, dass der Krieg nicht so einfach zu lösen ist, wie er gehofft hatte – aber er wird das nie öffentlich zugeben. Es widerspricht seiner Ideologie. In seinem Weltbild gehören Ukraine-Skepsis und Europa-Distanz einfach dazu.“
Die Europäer haben am Wochenende auch machtvolle Bilder produziert, mit dem gemeinsamen Besuch in Kyiv. „Aber: Danach muss man fragen – wo ist das konkrete Bekenntnis?“, sagte Bielieskov. „In diesem Krieg ist die Rhetorik oft ambitionierter als das tatsächliche Engagement.“ Was er vermisst: ein langfristiges Finanzierungsversprechen. „Das hätte viel stärkere Wirkung auf den Kreml gehabt.“ So bleibt es bei Bildern und Worten, die als Botschaft an Putin nicht genügen könnten, fürchtet der Analyst. „Wir hängen zu sehr an äußeren Inszenierungen“, sagte er. „Dabei verändert sich der Kriegsverlauf nicht durch Bilder oder große Worte.“
„Dieser Krieg wird über Ressourcen, Zeit und psychologische Widerstandsfähigkeit entschieden – nicht über Symbolpolitik“, sagte Bielieskov. Russlands Krieg zielt auf Abnutzung, Erschöpfung des Gegners, Aushöhlung der Widerstandsfähigkeit der ukrainischen Gesellschaft. Und auf die Botschaft an den Westen: Unterstützung für Kyiv ist sinnlos vertanes Geld. In den USA verfängt das teilweise schon – „und das ermutigt Russland, europäische Länder einzeln unter Druck zu setzen“.
Was er über Friedrich Merz denkt: „Man spürt, dass Deutschland die Risiken erkennt, die aus den USA drohen – und sich europäisch aufstellt“, sagte Bielieskov. Die Äußerungen, man werde die Ukraine nicht allein lassen und betrachte sie als Teil der eigenen Sicherheit, „sind ermutigend“. Aus ukrainischer Sicht stellt sich vor allem die Frage, ob die CDU aus den Merkel-Jahren – oder was Bielieskov „Anti-Ukraine-Politik“ nennt – gelernt hat. „In der Opposition zu kritisieren ist einfach – aber jetzt wird die Partei an ihren eigenen Entscheidungen gemessen werden.“
Friedrich Merz müht sich nach Kräften um europäische Einheit. Es könnte es kommende Woche zu einer Sitzung des Europäischen Rates kommen, auf der die großen Mitgliedstaaten über ihre diplomatischen Initiativen zur Ukraine informieren, sagte er im ZDF.
Aber stellen sich konkrete Fragen auch an Deutschland: „Wie viel wird in Verteidigung investiert? Welche Initiativen werden unterstützt? Wie langfristig ist die Ukraine-Hilfe gedacht?“ Was er sich nicht fragt: Ob der Taurus kommt. Diese Frage „wurde überhöht – in Wahrheit zählt langfristige, verlässliche Unterstützung mehr als einzelne Waffensysteme“, sagte er. Auch das ist kaum eine neue Erkenntnis, weder in der Ukraine noch in Deutschland und Europa. „Die Interessen liegen offen – wo sie sich überschneiden, wo nicht“, sagte Bielieskov.
„Alle verstehen, warum es richtig ist, die Ukraine zu unterstützen – aber es scheitert am politischen Willen, es auch durchzuziehen. Jeder hat Angst vor der innenpolitischen Debatte, vor den Kosten, vor der Mobilisierung“, sagte er. Russland habe da einen zynischen Vorteil. Bielieskov: „Der russisch-ukrainische Krieg zeigt, wie schwer Strategie und Kriegsführung für postmoderne Demokratien geworden sind.“
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Fast übersehen
Große Namen: Mit dem Parteichef der Linken, Jan van Aken, zieht ein weiterer Hochkaräter in den Auswärtigen Ausschuss der 21. Wahlperiode ein, wie die Linke-Fraktion mitteilte. Dessen Mitglieder werden rasch das gemeinsame Interesse entwickeln müssen, dass der Ausschuss nicht als Weltreisebüro für Polit-Veteranen wahrgenommen wird.
Oder gar als Elefantenfriedhof: Unter dem künftigen Vorsitz des früheren CDU-Chefs und Kanzlerkandidaten Armin Laschet arbeiten – das geht aus diversen, teils noch internen, Listen hervor – unter anderem die vormaligen SPD-Bundesminister Hubertus Heil und Nancy Faeser. Dazu kommen die Altgenossen Ralf Stegner und Rolf Mützenich sowie Ex-Grünen-Chef Omid Nouripour. Auch Ex-Vizekanzler Robert Habeck hat sein außenpolitisches Interesse neu geschärft.
Niemand hat es so schwer. Die scheidende SPD-Vorsitzende Saskia Esken macht für ihr Scheitern zwei Gründe aus: strukturelle Gemeinheit gegenüber Frauen in der Politik und eine mediale „Kampagne“ gegen sie selbst. „Wenn die öffentliche Jagd begonnen hat, werden positive Stimmen auch gern ignoriert“, sagte sie im taz-Interview über die herbe Kritik aus der eigenen Partei.
Wir, nicht ich: „Wir müssen doppelt so viel bringen“, sagte Esken über ihre Erfahrungen als Politikerin. „Was die männliche Welt von politisch aktiven Frauen erwartet, ist höchst widersprüchlich und deshalb unerfüllbar.“
Kein Verbotsfan: Der Bundeskanzler sieht zwei Argumente gegen ein AfD-Verbotsverfahren, ein juristisches und ein politisches. Kämpferische Aggressivität gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung sei nicht leicht nachzuweisen. Zweitens: Ein Verbotsverfahren aus der Mitte des Bundestages heraus sei keine gute Idee: „Wenn, dann ist es eine Sache der Regierung, eine klassische Aufgabe der Exekutive“, sagte er bei Illner.
Er hat es nicht gelesen! Das Verfahren des Bundesamts für Verfassungsschutz, das zur Einstufung der AfD als gesichert rechtsextrem führte, sieht Merz kritisch. Er hat keine Eile, den Bericht – eine Verschlusssache, die diese Woche ihren Weg an die Öffentlichkeit fand – zu lesen, sagte Merz der Zeit: „Ich kenne den Inhalt dieses Berichtes nicht, ich will ihn ehrlich gesagt auch nicht kennenlernen, bevor nicht das Bundesinnenministerium daraus eine Bewertung abgeleitet hat.“
Unter eins
Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) übt die Kunst des schnellen Spruchs am Beispiel der Krankenhausreform, die ihr Vorgänger ins Werk gesetzt hat
Zu guter Letzt
Es war diese Woche einiges zu lesen zur Frage, was Journalismus darf, soll, muss. Nämlich immer das, was das jeweilige Medium gerade tat – wie das AfD-Gutachten zu veröffentlichen oder eben nicht. Beide Seiten hatten dabei den Wunsch, sich zu erklären, und zwar zum Maßstab.
Die dezidiert rechten Medien, die sich in diesem Fall geradezu Assange-mäßiger Transparenz verschrieben haben, pflegen eine treue Fangemeinde. Sie informiert sich zum Teil nur noch dort, wo sie findet, was sie eh schon glaubt zu wissen. Auf ein Drittel der Bevölkerung schätzt eine gestern erschienene Studie den Anteil derer, die den Kontakt zum demokratischen Diskurs zu verlieren drohen – die einen aufgrund selektiver Mediennutzung und gezielter Abgrenzung, andere aus Überforderung.
Die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM) nennt als besonders anfällig „Meinungsmitläufer“, die sich wenig informieren mögen, aber extreme Haltungen äußern, und „Empörte“, die nach Bestätigung ihrer Wut suchen. Die „Anbindung dieser Gruppen an die politische Öffentlichkeit ist aber in Teilen (noch) gegeben“, heißt es in der Studie; ein Großteil sei noch erreichbar.
Man muss es aber aktiv wollen und auch Bedürfnisse kennen und bedienen: Diese Gruppen wenden sich häufig nur dann politischen Inhalten zu, wenn diese zu ihren Lebensrealitäten passen, schreiben die Autoren. Ihre Empfehlung an klassische Medien, wie die Leute zurückzuholen seien, gilt für die restlichen zwei Drittel der Bevölkerung mindestens genauso und ist eine universelle: „Entscheidend für alle: verständliche Sprache, emotionale Anschlussfähigkeit und konkrete, persönliche Relevanz.“