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Die Suche nach einem Umgang mit der AfD

Mittwoch, 23. April 2025

Guten Morgen. Zwei Monate sind seit dem 23. Februar, dem Tag der Bundestagswahl, vergangen. Für das BSW ist das ein wichtiges Datum. Heute endet nämlich die Frist, um Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl einzulegen.


Die Unterlagen dafür will Parteichefin Amira Mohamed Ali heute gegen 13 Uhr beim Wahlprüfungsausschuss des Bundestages einreichen. Der berät und legt dem Parlament dann eine Beschlussempfehlung zur Entscheidung vor. Dagegen wiederum kann Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt werden.


Das BSW war extrem knapp an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert. Am Ende fehlten wohl gut 9500 Stimmen. Nun will die Partei eine bundesweite Neuauszählung erreichen.


Herzlich willkommen am Platz der Republik.

Was wichtig wird

1.

Die Trauerfeier für den verstorbenen Papst Franziskus wird Treffpunkt für die Spitzenpolitik der Welt. Vielleicht sind die Bedingungen auf neutralem Boden freundlicher und die kirchliche Umgebung hilfreich für ein Gespräch über Russlands Krieg gegen die Ukraine: US-Präsident Donald Trump hat angekündigt, zur Beerdigung zu kommen („Ich freue mich darauf“) und trifft dort zum ersten Mal seit dem Eklat im Weißen Haus auf den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskji.


Wer nicht kommt: Friedrich Merz. Protokollfragen, hieß es. Deutschland repräsentieren am Samstagmorgen in der römischen Basilika Santa Maria Maggiore Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der geschäftsführende Bundeskanzler Olaf Scholz, Bundestagspräsidentin Julia Klöckner, Bundesratspräsidentin Anke Rehlinger sowie der Präsident des Bundesverfassungsgerichtes, Stephan Harbarth. Zum ganzen Bild gehört auch: Im vatikanischen Protokoll sitzt man als wahrscheinlicher Bald-Kanzler hinter Majestäten (wie den Königspaaren aus Spanien und Belgien), Präsidenten und Regierungschefs weit hinten in der Kirche.


Gästeliste: Auch Präsident Javier Milei aus Franziskus' Heimatland Argentinien reist an, Brasiliens Luiz Inacio Lula da Silva, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Zu weiteren Gästen mit politischem Gewicht zählen auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der britische Premierminister Keir Starmer.

2.

In der Debatte um politische Äußerungen der Kirchen springt Unions-PGF Thorsten Frei seiner Parteifreundin Julia Klöckner bei. Die neue Bundestagspräsidentin hatte in der Bild am Sonntag kritisiert, dass sich Kirchen auch zu tagespolitischen Themen äußern „wie eine NGO“ und nicht mehr die grundlegenden Fragen von Leben und Tod im Blick hätten. Diese Äußerungen seien „absolut zutreffend“, sagte nun Frei, der als Kanzleramtsminister gehandelt wird. Klöckner erntete derweil weitere Kritik aus den eigenen Reihen.


Interpretationshilfen: Wie Frei gestern betonte, könnten sich Kirchen so wie jede andere Organisation auch politisch äußern. „Man kann aus der kirchlichen Botschaft ja durchaus auch Schlussfolgerungen für das gesellschaftliche Leben, für das politische Leben in einem Land ziehen“, sagte Frei. Das halte er für völlig in Ordnung. Was Klöckner vielmehr gesagt habe – und da teile er ihre Auffassung „zu hundert Prozent“ – sei: Je konkreter sich die Kirchen zu tagespolitischen Themen positionieren, desto mehr würden sie zu politischen Akteuren. Als solche müssten sie in einer demokratischen Gesellschaft mit Widerspruch leben.


Wo ist die Grenze? Es mache laut Frei einen Unterschied, ob man sich „ganz grundlegend zu bestimmten politischen Fragen äußert oder ob man das sehr dezidiert“ mache. Also etwa mit einzelnen Paragrafen und Absätzen – so wie es die Kirchen zuletzt in der Debatte um die Migrationspolitik der Union getan hatten. Die Äußerungen hatten in ebendieser für großen Aufruhr gesorgt. In einem solchen Fall müsse man auch damit leben, so Frei, dass im Anschluss andere Positionierungen gegenübergestellt werden.


Kritik aus den eigenen Reihen: CDU-Mann Armin Laschet widersprach Klöckner hingegen bei Phoenix und sagte, Kirche sei immer politisch gewesen. Sie werde mit ihrer Botschaft immer „ein Ärgernis sein“ – und das sei auch gut so. Er wünsche sich eine „lebendige Kirche“, die ihren Beitrag zum Zusammenhalt der Gesellschaft leiste. SPD-Generalsekretär Matthias Miersch sagte der Rheinischen Post, das C im Parteinamen der CDU vertrage nicht die Aufforderung an Geistliche, keine Stellung zu beziehen und sich auf Seelsorge zu beschränken.

3.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat seine globale Wachstumsprognose stark gesenkt. Sie liegt nun bei 2,8 Prozent für das laufende Jahr (zuvor: 3,3 Prozent) und bei drei Prozent für 2026 (zuvor ebenfalls 3,3 Prozent). Für Deutschland prognostiziert der IWF nun Stagnation (vorher 0,3 Prozent). Unter den G7-Staaten reduzierte der IWF seine Prognose besonders drastisch für jene Staaten, deren Wachstum bisher vergleichsweise robust ist – das sind die USA, Kanada und Großbritannien, berichtet Finn Mayer-Kuckuk in unserem Dossier Geoökonomie.


Die US-Wirtschaft soll dieses Jahr um 1,8 Prozent wachsen. Das ist knapp ein Prozentpunkt weniger als der IWF noch im Januar erwartete, aber doch weit weg von den Rezessionssorgen mancher US-Analysten. Auch für 2026 geht der IWF noch von einem ähnlich hohen Wert aus. Für China erwartet der IWF trotz der extrem hohen US-Zölle noch vier Prozent Wachstum in den Jahren 2025 und 2026 – und hält somit auch die chinesische Volkswirtschaft bislang für einigermaßen widerstandsfähig. Eine Weltrezession befürchtet der Fonds zwar nicht, wohl aber einen Abwärtstrend sowie wachsende Teuerung. Angesichts der erratischen Zollpolitik Trumps seien aber viele Szenarien denkbar.


IWF-Chefin gibt Tipps: Trumps Zollpolitik schadet vor allem den USA – und kleinen Ländern. „Schiffe auf See wissen nicht mehr, in welchen Hafen sie einlaufen sollen. Investitions- und Konsumentscheidungen werden aufgeschoben“, sagte IWF-Chefin Kristalina Georgiewa. Davon seien kleinere Volkswirtschaften besonders betroffen, da sie stärker auf offenen Handel angewiesen seien.


USA sollen sparen, Europa soll investieren: Mit Blick auf die USA mahnte Georgiewa eine solidere Haushaltspolitik an. Das Land müsse seine hohe Staatsverschuldung reduzieren, „um die Widerstandsfähigkeit der US-Wirtschaft zu stärken“. Für Europa und Deutschland empfiehlt sie höhere Investitionen in Infrastruktur und Verteidigung.

Tiefgang

Am 6. Mai wollen Union und SPD Friedrich Merz zum Kanzler wählen. Danach soll auch die neue Bundesregierung ihre Arbeit aufnehmen und der parlamentarische Betrieb so richtig beginnen. Viel Zeit bleibt also nicht mehr, um einige zentrale Fragen dieses Betriebsablaufs zu klären. Offen ist zum Beispiel noch, ob die anderen Parteien Politikerinnen und Politiker der AfD zu Ausschussvorsitzenden wählen werden. Oder in welchem Raum die AfD-Fraktion tagen soll.


Vorerst wird also eine Debatte weitergehen, die das Potenzial hat, nicht nur die Union, sondern die ganze Koalition auseinanderzudividieren. Die Frage nämlich, wie mit der AfD umzugehen ist, die in einer neuen Forsa-Umfrage auf einen Höchstwert von 26 Prozent kommt und damit einen Prozentpunkt vor der Union liegt.


Die Debatte losgetreten hat vor gut eineinhalb Wochen Unions-Fraktionsvize Jens Spahn. Der CDU-Politiker war zu Gast bei Bild, dort wurde er gefragt, ob die anderen Parteien die AfD nicht ausgrenzten, indem sie ihr etwa einen Bundestagsvizepräsidenten „gemeinschaftlich vorenthalten“. Spahn rechtfertigte das damit, es gehe schließlich um ein Staatsamt. „Und da sollte man schon die Mehrheit der Mitglieder des Bundestages hinter sich haben.“


Die Kontroverse löste Spahn dann mit den Sätzen aus, die er direkt im Anschluss sagte. Da kam er auf die Abläufe im Bundestag zu sprechen, auf „die Verfahren in der Geschäftsordnung, in den Ausschüssen, die Minderheits- und die Mehrheitsrechte. Und da würde ich einfach uns empfehlen, mit der AfD als Oppositionspartei so umzugehen – in den Verfahren und Abläufen – wie mit jeder anderen Oppositionspartei auch.“


Spahn hatte also nicht gesagt, die AfD sei eine Partei wie jede andere auch. Er hatte auch nicht für eine Zusammenarbeit mit ihr geworben. Wohl aber hatte er die Tür dazu weiter aufgestoßen, Abgeordnete der in Teilen rechtsextremen Partei zu Ausschussvorsitzenden zu wählen. Und natürlich stellte sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob man die AfD nicht erst recht normalisiert, indem man ihre Vertreterinnen und Vertreter in Ämter wählt.


Spahn tätigte seine Aussagen in einem Gespräch, das per Video aufgezeichnet wurde. Der CDU-Politiker konnte also nicht im Zuge einer Autorisierung, die es etwa bei gedruckten Interviews gibt, nachträglich eingreifen.


Der Politikwissenschaftler Thomas Biebricher von der Universität Frankfurt am Main geht von einem geplanten Vorstoß aus: „Es geht darum, sich innerhalb der Union in Stellung zu bringen, zu signalisieren, dass da jemand ist, der für eine andere Umgangsweise mit der AfD offen wäre.“ Spahn, sagte Biebricher, habe gesehen, dass sich seine Partei gerade in einem Dilemma befinde, was den Umgang mit der AfD angeht. „Und er hat erkannt, dass er da gerade ein Vakuum besetzen kann.“ Damit habe er einer nicht unerheblichen Gruppe in seiner Partei eine Stimme gegeben.


Für Friedrich Merz, sagt Biebricher, sollte das eine Warnung sein. Spahns Vorstoß zeige dessen Ambitionen. Sollte er Fraktionsvorsitzender werden, könnte das für ihn „die Machtbasis sein, um sich für höhere Aufgaben in Stellung zu bringen. Und sich im schlimmsten Fall gegen die Regierung zu stellen“.


Trotz Spahns Positionierung ist allerdings noch offen, wie sich die Union bei der Wahl der Ausschussvorsitzenden verhalten wird. Anders als etwa bei der Abstimmung über den Posten eines Vizepräsidenten oder der Besetzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums sei es eigentlich nicht so, „dass der einzelne Abgeordnete entscheidet“, sagte Thorsten Frei, der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, gestern.


Bis zu Beginn der vergangenen Legislaturperiode war es schließlich so, dass die Vorsitzenden der Ausschüsse nicht gewählt wurden, „sondern man hat sie unter den Fraktionen entlang des Stärkeverhältnisses aufgeteilt“, sagte Frei. 2021 gab es aber geheime Wahlen von Ausschussvorsitzenden: Die Bewerber der AfD fielen durch, stattdessen sprangen die Stellvertreter ein. Frei ließ gestern durchblicken, er sei kein großer Freund solcher Abstimmungen. Durch die Wahl eines Abgeordneten sei der Ausschussvorsitz kein Minderheitenrecht mehr, sondern werde der Minderheit im Parlament vielmehr von der Mehrheit „gegönnt“. Das sei nicht „ganz unproblematisch“, sagte Frei. „Deswegen muss man sich das wirklich sehr gut überlegen.“


Klar sei, sagte Frei, dass man wesentliche Punkte innerhalb einer Koalition miteinander bespreche und zu gemeinsamen Lösungen komme. Das heißt, es braucht auch noch eine Einigung mit der SPD in dieser Angelegenheit. Katja Mast, Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD, sagte der taz allerdings, für sie sei es unvorstellbar, Personen der AfD in Ämter zu wählen. Sie bestätigte aber, dass man sich in der Frage mit der Union abstimme.


Sollten sich die Fraktionen nicht einigen, werde das Thema in den Ältestenrat gebracht, sagte Bundestagspräsidentin Julia Klöckner der Bild. Dort werde sie dann vermitteln. Ein Termin für die Konstituierung des Ältestenrates steht allerdings noch nicht fest, das teilte die Bundestagsverwaltung auf Anfrage mit. Zeitdruck sieht man in der Verwaltung aber nicht: Ein „spätester Zeitpunkt“ für die Konstituierung des Ältestenrates – etwa vor der Konstituierung der Ausschüsse – ergebe sich weder aus der Geschäftsordnung noch aus anderen Gründen. Tim Frehler, Gabriel Rinaldi

Fast übersehen

4.

Perso per Post: Ab dem kommenden Monat können Bürgerinnen und Bürger, die in Deutschland gemeldet sind, ihre neuen Ausweisdokumente von der Behörde direkt an die Haustür bestellen. Man muss für die Beantragung von Personalausweisen, Reisepässen und sogenannten Reiseausweisen des Ausländerrechts nur noch einmal aufs Amt. Für den Versand wird eine Gebühr von 15 Euro fällig, schreibt Vivien Timmler in der SZ.


Nur noch digitale Fotos: Ab dem 1. Mai akzeptieren Behörden für die Ausweispapiere nur noch digitale Fotos, die entweder direkt vor Ort gemacht oder von einem Fotostudio oder Drogeriemarkt per Cloud an das Amt übermittelt werden. Es gibt eine dreimonatige Übergangsfrist bis zum 31. Juli; so lange können noch Fotos auf Papier mitgebracht werden.


Auch fürs Auto geplant: Auch der Fahrzeugschein soll digital werden. Dafür hat das Verkehrsministerium zusammen mit dem Kraftfahrt-Bundesamt und der Bundesdruckerei eine eigene App entwickelt, die i-Kfz-App. Sie soll im zweiten Halbjahr 2025 in den App-Stores zum Download zur Verfügung stehen. Perspektivisch sollen in die App auch weitere Nachweise, etwa der Führerschein, integriert werden.

5.

Ist die Rente mit 63 sicher? Die SPD-Mitglieder stecken noch mitten im Mitgliederentscheid und wieder sieht sich Parteichef Lars Klingbeil scheinbar verpflichtet, die sozialdemokratische Linie des Koalitionsvertrags zu versichern. Gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe hat er sich gegen ein höheres Renteneintrittsalter ausgesprochen. Klingbeil sagte, es gebe andere Möglichkeiten zur Reform der Rente – zum Beispiel müsse man darüber reden, wer alles und wie viel in die Rentenkasse einzahle.


Freiwillig länger arbeiten: Man wolle eine Entscheidung dafür „noch attraktiver machen“, so Klingbeil. Der SPD-Chef sagte zudem, dass mit den Unionsparteien das Festhalten an der sogenannten Rente mit 63 vereinbart worden sei. „Im Koalitionsvertrag ist klar verabredet: Wer 45 Jahre hart gearbeitet hat, kann auch in Zukunft abschlagsfrei in Rente gehen.“


Im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD steht, dass das Rentenniveau bei 48 Prozent bis zum Jahr 2031 gesetzlich festgeschrieben wird. Entsprechende Mehrausgaben sollen mit Steuermitteln ausgeglichen werden, bis Mitte der Legislaturperiode soll eine Kommission Vorschläge für eine Reform machen.

Unter eins

Er plant derzeit allerdings nicht, in eine politische Partei einzutreten.

Eine Sprecherin des Verkehrsministers Volker Wissing schlägt die SPD-Einladung von Lars Klingbeil aus – für den Moment

Zu guter Letzt

Der Fahrdienst des Bundestages fährt die Abgeordneten kostenlos durch Berlin. Das hat seinen Preis: Wie der Focus berichtet, sind die Preise im vergangenen Jahr deutlich gestiegen. Im Jahr 2024 kosteten die Fahrten demnach 15,3 Millionen Euro, wie eine Anfrage bei der Bundestagsverwaltung ergab. In den Jahren zuvor fielen noch 13,2 beziehungsweise 11,8 Millionen Euro für den Dienst an.


Der Grund für die Mehrkosten: Während die Anzahl der sogenannten Mandatsfahrten seit dem Ende der Coronapandemie sinkt, gehen die Lohn- und Nebenkosten hoch. Für den Dienst stehen derzeit 50 fest angestellte Fahrer zur Verfügung. Im Jahr 2023 wurden laut des Berichts insgesamt 109 608 Fahrten in Anspruch genommen, 2018 waren es noch 146 673.


Die Abgeordneten werden in schwarzen Limousinen durch die Stadt chauffiert, die für diese Fahrten bestellt werden können. Der Fuhrpark umfasst laut des Berichts 40 Stromer, fünf Brennstoffzellen-Kfz, 15 Hybrid- und 78 Dieselfahrzeuge.

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Florian Eder

Leiter SZ Dossier