Die FDP hat einen internen Ablaufplan für ihren „D-Day“ veröffentlicht, der verschiedene Optionen für einen Ampel-Exit en detail skizziert. Konkret geht es um Timing, Ablauf und Kanäle. Zuvor hatten führende Liberale dementiert, den Begriff verwendet zu haben. FDP-Vize Wolfgang Kubicki sprach von „Märchen“, die von SZ und Zeit verbreitet worden seien. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sagte, der Begriff „D-Day“ sei nie benutzt worden. Im achtseitigen „Arbeitspapier“ kommt er aber gleich neun Mal vor.
Regieren als Feldzug: Den Kern der Recherchen, die FDP habe den Koalitionsbruch systematisch vorbereitet, dementierten die Liberalen von Anfang an nicht, wohl aber die martialische Sprache. Das Papier zeigt nun, dass die Partei das Szenario allgemein recht militärisch angegangen ist: Eine Pyramide, die den „D-Day“ in vier Phasen untergliedert, mündet in einer „offene[n] Feldschlacht“. Es ist von einem „Schlachtruf“ die Rede – einer „Kern-Line“, die in der Kommunikation wiederholt werden müsse.
Der Schlachtruf: „Alles außer unentschieden – Richtungsentscheidung jetzt“, heißt es im Papier. Und konkreter: „Planwirtschaft oder Soziale Marktwirtschaft.“ Die Liberalen schreiben: „Es ist entscheidend, die ersten Sätze und Bilder zu einem Aus der Koalition zu setzen.“ Über Inhalte des Papiers soll laut SZ-Informationen zumindest in Teilen bei einem Treffen von Bundesministern und Führungsfiguren von Partei und Fraktion am 6. Oktober in Potsdam diskutiert worden sein. Mehr hier von den SZ-Kollegen.
Druck durch Presseanfragen: Das Papier sei am 24. Oktober erstellt und bis zum 5. November bearbeitet worden – einen Tag später ging die Koalition zu Bruch. Es befasse sich „mit den Fragen, wie ein Ausstieg der FDP aus der Bundesregierung kommuniziert werden könnte“, teilte die Partei gestern mit. Zuvor hatten die SZ und andere Medien Fragen zu dem Papier an die FDP geschickt. Man bat darum, diese erst am Abend beantworten zu können und veröffentlichte am Nachmittag das Papier mit einer Erklärung. Es sei „kein Gegenstand der politischen Beratung von gewählten Mandatsträgern und Regierungsmitgliedern“ gewesen, nur eine rein interne Vorbereitung.
Vorbereitete Rede: Enthalten ist auch ein Statement für Parteichef Christian Lindner. Es beschreibt ein Szenario, in dem SPD und Grüne die von der FDP geforderten Wirtschaftsreformen nicht mittragen – und diese deshalb den „Weg frei“ macht zu „vorgezogenen Neuwahlen“. Lindner war es, der dem Bundeskanzler vehement vorgeworfen hatte, seine Rede vorbereitet zu haben. In dem Papier geht es aber auch darum, ob und wie die Parteigremien einbezogen werden sollen: Das Aus vor der Gremiensitzung zu kommunizieren, biete die „beste Kommunikationshoheit“ und den höchsten Überraschungseffekt.
Circle of Ampel: Unter anderem heißt es: „Der avisierter [sic!] Ausstieg zur Mitte der KW 45 (04.11. – 10.11.) birgt Risiken wegen der US-Präsidentenwahlen“. Diskutiert wird auch, das Ampel-Ende via Social Media zu verkünden – explizit genannt wird ein Selfie, da die Ampel so begann. Alternativ seien auch ein Pressestatement, ein TV-Interview oder ein „Gastbeitrag [in der] FAZ“ denkbar. Die Bilder, schreiben die Liberalen, „müssen eine Position der Stärke, Entschlossenheit und Überzeugung ausdrücken“, die Atmosphäre müsse „ernsthaft, aber nicht getrieben“ wirken. Am Ende kam alles anders.