Vor der Bundestagswahl hatten SPD und Grüne weniger Rüstungsexporte versprochen. Mit dem Koalitionsvertrag folgte dann das Ampel-Vorhaben eines Rüstungsexportkontrollgesetzes, woran sie in Robert Habecks Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) seitdem arbeiten. Doch seit der Präsentation der Eckpunkte vor zwei Jahren hat sich kaum etwas bewegt.
„Das BMWK bereitet derzeit den Referentenentwurf für das Rüstungsexportkontrollgesetz vor“, heißt es auf Anfrage von SZ Dossier. Ziel sei nach wie vor, das Gesetzgebungsverfahren „in der laufenden Legislatur“ abzuschließen. In den Ampelfraktionen sind sie da etwas skeptischer. „Angesichts der Zentrifugalkräfte in der Koalition rechne ich nicht zeitnah mit einem Gesetzentwurf“, sagte SPD-Verteidigungspolitiker Kristian Klinck SZ Dossier. Grünen-Verteidigungspolitikerin Sara Nanni bezweifelt, dass der Entwurf die Ressortabstimmung übersteht. „Es könnte sein, dass die Novelle tatsächlich nicht mehr kommt“, sagte Nanni SZ Dossier.
Der Zankapfel: ein Richtungsstreit in der Frage, ob Deutschland mehr Exporte ermöglichen will oder eher klarere gesetzliche Grundlagen für Exporte herstellt, die dann auch dazu führen können, dass es weniger Exporte gibt. Die Grünen wollen mit dem Gesetz erreichen, dass bereits geltende Grundsätze in Gesetzesform gegossen werden. Aber: „Das kann den Handlungsspielraum der Bundesregierung in Zukunft auch einschränken, weswegen es insbesondere im Kanzleramt nicht so gewollt ist“, sagte Nanni.
Deutschland exportiert Rüstungsgüter schon jetzt nach bestimmten Kriterien, die Bundesregierung entscheidet aber immer im Einzelfall. Bei weniger sensiblen Fällen im BMWK, bei besonders bedeutenden Vorhaben im Bundessicherheitsrat. „Dies erfolgt nach den Vorgaben des Gemeinsamen Standpunkts der EU mit seinen acht verbindlichen Kriterien sowie den bestehenden Politischen Grundsätzen der Bundesregierung“, heißt es aus dem BMWK. Auf diesen Grundlagen entscheide die Regierung über die Erteilung von Genehmigungen „im Einzelfall“ und „im Lichte der jeweiligen Situation“.
Heißt konkret: Der geheim tagende Bundessicherheitsrat trifft die wichtigen Entscheidungen. Die Novelle soll unter anderem einen Kriterienkatalog für diese Entscheidungen gesetzlich verankern. Kritikerinnen und Kritiker der bisherigen Praxis erhoffen sich durch diese und weitere Maßnahmen mehr Transparenz – und weniger Bürokratie bei demokratischen Partnerstaaten.
„Bei aller Prinzipienfestigkeit in menschenrechtlichen Fragen erscheint mir die bisherige Genehmigungspraxis in Teilen zu restriktiv, insbesondere beim Erhalt bereits gelieferter Systeme“, sagte Klinck. Dadurch habe Deutschland international an Vertrauen eingebüßt. Mehr Planungssicherheit würde er begrüßen. „Doch ob das Gesetz diesem Ziel dienlich ist, wird natürlich auch von den konkreten Formulierungen abhängen“, sagte er. „Exporte in EU und Nato, in der Nato gleichgestellte sowie in ausgewählte weitere Drittstaaten sind nicht nur im deutschen Sicherheitsinteresse, sondern auch eine industrielle Notwendigkeit“, sagte Klinck.
Nanni will genauer hinschauen. „Eine Neujustierung der Parameter heißt eben nicht, dass dann alles geht, sondern dass man mehr darauf schaut, wie der belieferte Staat diese Gewaltmittel auch einsetzen würde“, sagte sie. „Gerade bei den Fällen, bei denen die Bundesregierung in der Vergangenheit nicht geliefert hat, hat man das zu wenig berücksichtigt, sondern eher eine Non-grata-Liste mit Staaten im Kopf gehabt.“
Auf der anderen Seite seien die Kriterien, mit der Nato gleichgestellt zu werden oder ein Nato-Partner zu sein, auch nicht immer ein eindeutiger Hinweis dafür, dass völkerrechtskonform mit den Gewaltmitteln umgegangen werde. Geplant ist hier laut der Eckpunkte eine Ausweitung sogenannter Post-Shipment-Kontrollen. Das sind Nachkontrollen, die nicht nur in Drittstaaten, sondern auch in EU-, Nato- und Nato-gleichgestellten Ländern möglich sein sollen, falls erforderlich.
Was die Industrie darüber denkt? „Wir haben dieses Vorhaben nie für wichtig gehalten, da es ja (…) hinreichend klare Grundlagen für die Entscheidungen des Bundessicherheitsrates gibt“, sagte Hans Christoph Atzpodien, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV), SZ Dossier. „Dies zu entscheiden, ist innerhalb der bestehenden Gewaltenteilung eine ausschließlich exekutive Aufgabe der Bundesregierung“, sagte er.
Davon, etwa den Bundestag bei der Entscheidung stärker einzubinden, hält auch Klinck wenig. „Die Genehmigung von Rüstungsexporten sollte eine Exekutivaufgabe bleiben, die Aufgabe des Bundestages liegt aus meiner Sicht darin, den regulativen Rahmen vorzugeben.“ Zudem sollten Regulierungen kontinuierlich im Hinblick auf die Zielerreichung evaluiert werden.
Wie Atzpodien betonte, seien bei einer Ausweitung der Transparenz gegenüber dem Bundestag und der Öffentlichkeit die Grenzen zu beachten, die ein Karlsruher Urteil aus dem Jahr 2014 gesetzt habe. „Die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Unternehmen gilt es hierbei besonders zu schützen“, sagte er. Es sei aber gut, wenn die Bundesregierung ihre sicherheitspolitischen Erwägungen bei bestimmten Exportentscheidungen besser erklären würde. Gabriel Rinaldi