Dass der Rückzug von Lang und Nouripour recht spontan war, konnte man an den Reaktionen aus der Partei ablesen. Habeck sagte, er wolle „eine offene Debatte zu einer möglichen Kandidatur und ein ehrliches Votum in geheimer Wahl“. Auch er trage Verantwortung für die schlechten Wahlergebnisse und wolle sich ihr stellen, sagte er.
Erst einmal ist das eine Ankündigung: Es gibt keine Festlegung auf ihn als Kanzlerkandidaten vor dem Bundesparteitag im November. Spätestens bis dann muss sich auch die Partei hinter ihm sortiert haben. Gesetzt, sagen viele aus dem Realo-Flügel sei Franziska Brantner, bisher Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium. Bis vor wenigen Tagen sollte sie in den kommenden Monaten als Wahlkampfmanagerin in die Parteizentrale wechseln, nun heißt es, sie würde Parteivorsitzende. Sie ist wohl Habecks Lieblingskandidatin.
Der linke Flügel soll mitgenommen werden: Habeck hat bislang nicht den Ruf, viel Rücksicht auf die Befindlichkeiten der Partei zu nehmen. Einen Flügelkampf will er aber offenbar auch nicht führen. Felix Banaszak wurde als möglicher linker Parteivorsitzender lanciert, er gilt als guter Redner, der die Sichtweise des Flügels stärker vertritt als andere prominente Vertreter. Als Ex-Landesvorsitzender von Nordrhein-Westfalen ist er zudem in der Partei gut vernetzt. Andreas Audretsch, bislang Vize-Fraktionsvorsitzender, wird ebenfalls gehandelt. Am Samstag trifft sich der linke Flügel zu einem großen Flügeltreffen. Einige wünschen sich, dass die Entscheidung für einen Kandidaten schon davor fällt.
Blackbox Politische Geschäftsführerin: Der sechsköpfige Bundesvorstand hatte gestern gemeinsam den Rücktritt angekündigt. Die stellvertretenden Parteivorsitzenden Heiko Knopf und Pegah Edalatian sowie Bundesschatzmeister Frederic Carpenter werden aber beim Parteitag nach Informationen von SZ-Dossier wieder antreten. Gut möglich, dass die Partei die Verantwortung für die Niederlagen nicht bei ihnen sucht. Emily Büning, bisher Politische Bundesgeschäftsführerin, fällt am härtesten. Sie hat kein Bundestagsmandat und keine Anschlussbeschäftigung.
Wer folgt auf sie und in welcher Funktion? Bisher war das Amt der Bundesgeschäftsführerin undankbar. In wichtigen Runden wie der Sechser-Runde, in der die Fraktionsführung, die Parteiführung und Außenministerin Annalena Baerbock und Robert Habeck sitzen, war sie nicht vertreten. Trotzdem ist das Amt analog zu Generalsekretären in anderen Parteien angedacht, die Verantwortung für die Walkämpfe liegt hier. Mit einer Aufwertung wären potenziell mehr Grüne, denen mehr oder minder großes Potenzial attestiert wird, daran interessiert – obwohl die Kandidaten, aufgrund der Satzung, ein Mandat aufgeben müssten.
Grüne Jugend adé: Der Bundesvorstand der Grünen Jugend kündigte gestern ebenfalls seinen Rücktritt an. Nicht nur das: Sie wollen aus der Partei austreten. Manche (wir schätzen, die meisten) Realos freut das. „Es ist gut, dass der Weg für einen Neuanfang bei der GJ freigemacht wird“, sagte ein Abgeordneter SZ Dossier. Die Führung der Parteijugend möchte nun einen „dezidiert linken Jugendverband“ gründen.