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Nutzungsrechte erwerbenWenn Populisten die Preise verderben
Freitag, 6. September 2024Von Florian Eder
Schnelldurchlauf:
Terroralarm in München +++ Söder greift nach der Kanzlerkandidatur +++ Barnier soll Macron aus der Sackgasse führen +++ Auswandern aus Angst vor der AfD +++ Nancy Faeser und die Clankriminalität +++ Frustrierte Genossen
Guten Morgen. Nichts ist bislang so verlaufen wie im Drehbuch des Bundeskanzlers zu seiner Wiederwahl vorgesehen. Die Leute halten ihn nicht für so genial, wie er und die seinen es tun. Sie wollen es auch partout nicht als erhabene Staatskunst begreifen, einen Haushalt aufzustellen.
Eine härtere Migrationspolitik geht nicht mit Olaf Scholz nach Hause, so sie denn kommt, Sicherheitslücken und Terror schon. Bei der Wahl in Brandenburg sieht es für die SPD vergleichsweise gut aus, aber Scholz wurde von der Mithilfe so ausgeladen, dass ein Erfolg kaum seiner wird.
Als letztes Kapitel steht da geschrieben: ein Aufschwung. Allein die lange schwelende Transformationskrise schlägt bei VW ausgerechnet jetzt durch. Und gestern haben das Ifo-Institut in München und das IWH in Halle ihre Prognosen für das Jahr 2024 gesenkt. Beide rechnen für dieses Jahr mit einem Nullwachstum. Dass es ohne das Wachstumspaket vielleicht noch finsterer aussähe, macht sich auch nicht gut als Wahlslogan für 2025.
Unser Dossier Nachhaltigkeit hat eine erfolgreiche erste Woche hinter sich. Ich habe gelernt, dass Lithium, das neue Gold, auch in Deutschland einen Rausch erlebt. Welche konkreten Folgen aus den Landtagswahlen am Sonntag – für den Ausbau erneuerbarer Energien – das Kanzleramt befürchtet. Und heute früh, was sich die EU von Joe Bidens grünem Subventionsprogramm abschauen kann und was besser nicht. Lesen Sie mit, solange unsere Testphase läuft. Hier entlang zur Anmeldung.
Willkommen am Platz der Republik.
Terroralarm in München
Nach den Schüssen in der Münchner Innenstadt gestern früh geht die Polizei derzeit von einem islamistischen Terroranschlag aus. Der Angriff galt offenbar dem israelischen Generalkonsulat am Karolinenplatz, unweit vom NS-Dokumentationszentrum. Es ist wieder ein junger Täter, der sich radikalisiert haben soll. Trotzdem gibt es dieses Mal einen entscheidenden Unterschied.
Weißer Fleck bei Terrorbekämpfung: München offenbart eine Sicherheitslücke, auf die die nach Solingen begonnene politische Debatte überhaupt keine Antwort gibt.
Mein Gefährder, dein Gefährder: Der 18-jährige Österreicher mit bosnischen Wurzeln konnte einfach vom Salzburger Land aus über die Grenze fahren und war der deutschen Polizei nicht als radikaler Islamist bekannt. Dabei soll er im vergangenen Jahr den Behörden in Österreich wegen möglicher islamistischer Radikalisierung aufgefallen sein, auf seinem Smartphone soll IS-Propagandamaterial entdeckt worden sein. Für ihn galt in seiner Heimat ein Waffenverbot, Ermittlungen wurden jedoch 2023 eingestellt.
Europäische Gefährderdatei: Das Zusammenspiel europäischer Behörden wird immer wieder kritisiert. Wie Terrorismusforscher Peter Neumann auf X schrieb, gebe es in Europa zwar mehr oder weniger offene Grenzen, aber noch immer keine europäische Gefährderdatei, auf die alle Polizeibehörden zurückgreifen könnten.
Die Kolleginnen und Kollegen der SZ halten Sie hier im Liveticker auf dem Laufenden zu allen Entwicklungen.
Söder greift nach der Kanzlerkandidatur
„Ich werde ja aus vielen Teilen der Bevölkerung, aus Deutschland, gefragt, und wenn sie aktuelle Umfragen sehen, heute auch im Deutschlandtrend: Also so schlecht und so absurd ist die Idee nicht, dass man überlegen könnte, dass wir mehrere gute Kandidaten haben“, sagte Markus Söder im Heute Journal.
So deutlich hatte er seinen Anspruch bisher nicht formuliert. Wer sich noch Zweifel hatte einreden lassen an Söders Ehrgeiz, wurde gestern Abend schlauer. Einer der beiden Parteivorsitzenden werde es wohl machen. „Das könnte auch ich sein, aber auch Friedrich Merz, der es genauso kann“, sagte Söder. „Am Ende kommt es doch darauf an, dass wir als Union, unabhängig von Eitelkeiten und Egos, die beste Lösung bieten.“
Das oberste Ziel der Union: „Die Ampel abzulösen“, sagte Söder. „Da bin ich bereit dazu, ob als Ministerpräsident oder Kanzlerkandidat.“
Barnier soll Macron aus der Sackgasse führen
Im Nachhinein glasklar, was Emmanuel Macron in Michel Barnier sieht, seinem neuen Premierminister.
Vier Vorzüge: Als Altvorderer der Konservativen wird er die Stimmen seiner Partei, Les Républicains, in der Nationalversammlung mitbringen. Als Vertreter alter, gemäßigter Schule wird er auf die Unterstützung von Macrons eigenem Bündnis zählen können. Als 73-Jähriger kommt er keinem Nachwuchs aus Macrons Stall in die Quere, wenn es um die Präsidentschaftswahl 2027 geht. Der rechtsextreme Rassemblement National hat nicht ausgeschlossen, sich bei einem allfälligen Misstrauensvotum von linker Seite zu enthalten. Dann könnte es für einen Weg aus der Sackgasse reichen.
Warum nicht schon eher? Plausibilität ist das eine, aber für Macron schien es nach Angaben aus dem Élysée ja auch plausibel, mit der Auflösung der Nationalversammlung im Juni die größtmögliche Kirmes anzurichten. Barnier freilich hatte schon mit wirklich wirrer politischer Lage zu tun, während seiner Zeit als Brexit-Verhandlungsführer der EU.
Auffrischung: Barnier war zweimal EU-Kommissar, zweimal französischer Minister, Chef der Olympischen Winterspiele in Albertville. Er ist ein Sportsmann aus den Alpen und hart genug für den Job: Einmal beim Interview in seinem Büro in Brüssel zog er ein Bein leicht nach – pardon, sagte er, sein Anzug tadellos wie immer, vorgestern habe ich eine neue Hüfte bekommen.
Auswandern aus Angst vor der AfD
Angesichts der Erfolge der AfD in Umfragen und Wahlen überlegt knapp ein Zehntel (9,3 Prozent) der befragten Menschen mit Migrationshintergrund ernsthaft, Deutschland zu verlassen. Das zeigt eine Studie des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM), die heute vorgestellt wird und SZ Dossier vorliegt. Ungefähr jede vierte Person mit Migrationshintergrund denkt demnach zumindest hypothetisch darüber nach auszuwandern.
Am stärksten betroffen: Am höchsten sind die Werte bei Menschen aus dem Nahen Osten und Nordafrika. Von ihnen haben 18,9 Prozent der Befragten tatsächliche Pläne auszuwandern, 27,3 Prozent denken darüber nach. Unter Menschen ohne Migrationshintergrund haben knapp zwei Prozent konkrete Ausreisepläne, fast zwölf Prozent immerhin hypothetische.
Umzug innerhalb Deutschlands: Höher sind die Werte, wenn es darum geht, zwar nicht Deutschland zu verlassen, aber das Bundesland zu wechseln, wenn die AfD im eigenen Bundesland Teil einer Landesregierung werden sollte. Angesichts dieses Szenarios haben 12,5 Prozent der Menschen mit Migrationshintergrund Pläne, den Standort zu wechseln. Mehr als ein Drittel denkt darüber nach. Unter Menschen ohne Migrationshintergrund sind es 3,4 Prozent mit realen Absichten abzuwandern; 14,6 Prozent spielen mit dem Gedanken.
Wer bleibt und wer geht? „Solche Pläne lassen sich vor allem von Personen realisieren, die auch bestimmte Mittel und Möglichkeiten dazu haben“, sagte der Soziologe Gert Pickel von der Universität Leipzig, einer der Autoren der Studie. „Die Personen mit höherem Bildungsstand, mit höherem Wissen, mit höherem Know-how sind eher die, die das Land verlassen.“
Das gesellschaftliche Klima: Also speziell jene Menschen, die davon ausgehen können, dass sie auch woanders einen Arbeitsplatz bekommen werden, sagte Pickel SZ Dossier. Das könne sich gerade auf den Fachkräftemangel in einer Region massiv auswirken. Und es hätte auch soziokulturelle Folgen und Auswirkungen auf das gesellschaftliche Klima in den Gebieten.
Was „Remigration“ auslöst: Die Pläne der AfD für „Remigration“, also die massenhafte Ausweisung von Menschen, lehnen knapp 85 Prozent der Befragten ab. Auffällig ist: Laut der Studie stehen sogar knapp drei von zehn AfD-Anhängern (28,9 Prozent) diesen Plänen kritisch gegenüber.
Nancy Faeser und die Clankriminalität
Am Ende durften die Clans nicht fehlen. Wie aus dem neuen Lagebericht zur Organisierten Kriminalität hervorgeht, den Innenministerin Nancy Faeser (SPD) gestern vorstellte, ist die Clankriminalität in Deutschland leicht zurückgegangen, von 46 auf 44 Verfahren. In fast der Hälfte ging es um Rauschgifthandel oder -schmuggel. Faeser, die während ihres Hessen-Wahlkampfs im vergangenen Jahr groß angekündigt hatte, Clan-Mitglieder kollektiv abschieben zu wollen, hat dabei ein Detail übersehen.
Diese Almans: Die Zahl der Tatverdächtigen ging von 804 auf 727 zurück. Dabei hatte die Hälfte der verdächtigen Personen aber die deutsche Staatsbürgerschaft, könnte also auch nicht abgeschoben werden. 100 waren türkische Staatsbürger, 72 syrische und 61 libanesische. Bei 57 Personen blieb die Nationalität laut des Berichts ungeklärt. Insgesamt, also auf alle Bereiche der organisierten Kriminalität bezogen, war die Anzahl deutscher Tatverdächtiger hingegen um mehr als 10 Prozent rückläufig.
Fokus auf Cyberkriminalität: Der durch Organisierte Kriminalität entstandene Schaden stieg im vergangenen Jahr auf einen neuen Rekord. Die Schadensumme war mit 2,7 Milliarden Euro mehr als doppelt so hoch als im Vorjahr. Besonders im Bereich der Cyberkriminalität sind die Schäden stark gestiegen und machten mit 1,7 Milliarden Euro fast zwei Drittel der Gesamtsumme aus. Verschlüsselte Kommunikation erschwert zudem die Identifizierung von Tatverdächtigen in der Cyberkriminalität.
Überraschende Erkenntnisse: Das BKA sprach in dem Bericht von einem hohen „Bedrohungspotenzial durch Gewalt“, da viele kriminelle Banden Zugang zu Schusswaffen hätten. Zu den wachsenden Bereichen zählt auch die sogenannte „Schleusungskriminalität“. Faeser sagte bei der Vorstellung des Lagebilds, die Organisierte Kriminalität gehe mit „drastischer Gewalt“ vor und bedrohe die Gesellschaft.
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Tiefgang
Was tun, wenn Populisten die Preise verderben?
Ist die Brandmauer erst einmal gefallen – es wird nichts leichter dadurch: nicht der Versuch, konservative Politik zu gestalten, nicht die Koalitionsarbeit und auch nicht der eigene Wahlkampf. Davon kann Karoline Edtstadler erzählen.
Sie saß als ÖVP-Ministerin mit dem FPÖ-Chef Herbert Kickl in einer Regierung. Für sie persönlich gilt: nie mehr, das hat sie mehrfach öffentlich gesagt. In ihrer Partei gibt es aber einen starken Flügel, der lieber mit den „Blauen“ koalieren würde als mit der SPÖ, mit der es nach Umfragen auch reichen könnte (geschweige denn mit den Grünen wie derzeit).
„Wenn sich bei uns Herbert Kickl hinstellt und sagt, unter ihm kommen keine Migranten mehr und wir bauen die Festung Österreich, dann mag das für manche reizvoll klingen“, sagte Edtstadler, Bundesministerin für EU und Verfassung, im Interview. „Es ist aber völlig an der Realität vorbei und er hat selbst als Innenminister nicht umgesetzt, was er jetzt ankündigt. Herbert Kickl lebt von Problemen, anstatt sie zu lösen.“
Entzaubert hat ihn die Regierungsverantwortung nicht. Österreich wählt am 29. September den Nationalrat. In Umfragen liegt die FPÖ vor ÖVP und SPÖ.
Edtstadler, Spitzenkandidatin in Salzburg, versucht sich im Wahlkampf nicht über die anderen zu definieren. „Unabhängig davon, dass wir auch wieder einen Koalitionspartner brauchen werden, weil die Zeiten von absoluten Mehrheiten vorbei sind: Ich selbst nehme mir vor, nicht nur auf die anderen zu schauen, sondern zu kommunizieren, was wir geschafft haben, was wir gemacht haben und zu sagen, wofür wir stehen“, sagte sie.
Das ist im Straßenwahlkampf durch persönliche Ansprache leichter als in sozialen Netzwerken, wo auch in Österreich die FPÖ dominiert. Und es ist ermüdend: „Die Menschen sind müde der Krisen und der Bewältigung der Herausforderungen. Da ist es halt leicht, vermeintlich einfache Antworten zu geben, die aber nicht umsetzbar sind“, sagte Edtstadler. „Das ist es, was ich beschwerlich finde.“
Populisten verderben in der Politik die Preise. „Das Schwierige ist, die Menschen von dieser Wunschvorstellung, es gebe die einfache Lösung, wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzuführen“, sagte Edtstadler. „Das ist weder angenehm noch lustig und schon gar nicht attraktiv für jemanden, der gewählt werden will.“
„Aber es gibt keine Alternative dazu, realistisch in der Frage zu bleiben, was im europäischen Kontext möglich ist“, sagte sie zur Migrationspolitik, die auch in Österreich die Debatte dominiert.
Ein Paradox der Europapapolitik ist, dass nationale Regierungen sich für Brüsseler Entscheidungen zu 100 Prozent rechtfertigen müssen, sie aber nur im Rahmen ihres Gewichts, Geschicks und der Qualität ihres Personals mitbestimmen.
Österreich hat so gesehen viel gerissen in vergangenen Jahren. Manches zeigt sich erst jetzt, wie die Verschiebung des migrationspolitischen Konsensus von Offenheit zu Restriktion. Um es an zwei Ehemaligen festzumachen: Sebastian Kurz war einer der härtesten Gegenspieler Angela Merkels.
Edtstadler beschreibt es so: „Ich glaube, dass wir vielfach bewiesen haben, bereit und in der Lage sind, mitzudenken und mitzuwirken“, sagte sie. „Wir sind ein verlässlicher Partner. Wir sind sicher diejenigen, die auch keine Scheu davor haben, den Finger in die Wunde zu legen. Wenn Sie das Thema Migrationspolitik nehmen: Da war es zwischenmenschlich nicht unbedingt immer angenehm, diese teils harten Positionen zu vertreten“, sagte sie. „Aber man darf nicht vergessen, wir haben so den Kampf gegen die illegale Migration ganz hoch auf die europäische Agenda zurückgebracht.“
Edtstadlers Vorhaben und Wünsche für die gerade begonnene europäische Legislatur sind weniger kontrovers als einst etwa eine migrationspolitische Drittstaatenlösung. Oder der Zeitgeist war schneller.
Einmal geht es Österreich um den Binnenmarkt. „Unternehmen müssen immer noch Einzelgenehmigungen in allen Mitgliedstaaten herbeiführen. Zudem gibt es wahnsinnig viel Bürokratie, das ist nicht die Idee des Binnenmarkts“, sagte sie. Weniger Bürokratie – und weniger grüne Bürokratie, ist die Forderung.
„Der Kampf gegen den Klimawandel ist natürlich wichtig, und er ist ja die letzten fünf Jahre ganz hoch auf der Agenda gewesen. Man hat dabei aber die Einbindung der Wirtschaft, der Industrie und auch der Landwirtschaft vernachlässigt“, sagte Edtstadler. „Das Pendel muss wieder zurückschwingen in die Mitte.“
Für ein mittelgroßes Land heißt EU auch: Zugang zum Markt der Großen. Sie ist auch ein Mittel, um nationale Interessen wirkungsvoller zu vertreten, als müsste man es alleine tun. „Wir müssen sicherstellen, dass man uns in der Welt als Europäische Union wahrnimmt – und dass nicht große Staaten von Amerika bis China nur darauf schauen, was zum Beispiel große Staaten wie etwa Frankreich oder Deutschland machen“, sagte Edtstadler. „Deswegen ist es essenziell, nach außen hin geeint zu handeln.“
Tief im Westen: Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) baut seine Strukturen aus. Am Samstag treffen sich Vertreter der Partei in Bochum, um den Landesverband Nordrhein-Westfalen zu gründen. Der wird zwar nur rund 115 Mitglieder haben, damit aber der größte innerhalb des BSW sein, das auf rund 840 Mitglieder kommt. Noch in diesem Jahr, so plant es die Partei, sollen in allen Bundesländern Verbände gegründet werden.
Wer an der Spitze steht: Führen soll den Verband eine Doppelspitze aus Amid Rabieh und Jan Ristau. Rabieh ist bereits stellvertretender Parteivorsitzender im Bund. Der Jurist war seit 2009 Mitglied der Linken, von 2021 bis 2022 auch stellvertretender Landesvorsitzender in NRW, trat aber im vergangenen Oktober gemeinsam mit Wagenknecht und anderen aus der Partei aus. Jan Ristau ist ebenfalls Jurist, Rechtsanwalt mit Kanzlei in Düsseldorf.
Wie es weitergeht: 2025 stehen in NRW neben der Bundestagswahl auch noch Kommunalwahlen auf dem Plan. Rund um den Jahreswechsel 2024/2025 sollen dafür kommunale Listen und Gliederungen aufgestellt werden, sagt Amid Rabieh SZ Dossier. „Wo wir antreten, entscheiden wir noch.“ Beim Aufbau des Landesverbandes setzt er nicht nur auf die Mitglieder, sondern auch auf etwa 5000 Unterstützer und Förderer, die das BSW an Rhein und Ruhr habe.
Frustrierte Genossen: „Mich nerven Haltungsnoten, die wir uns gegenseitig geben“, sagte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich. Er versprach dem Kanzler „absoluten“ Rückhalt, Debatte um eine Ablösung durch Boris Pistorius hin oder her, berichtet Valerie Höhne aus dem brandenburgischen Nauen, wo die Fraktion gestern in Klausur ging.
Haltungsnoten von wem? In der internen Aussprache klagte Mützenich nach SZ-Dossier-Informationen, die Kommunikation der vergangenen Tage sei nicht immer glücklich gewesen. Mahmut Özdemir, parlamentarischer Staatssekretär im Innenministerium und Abgeordneter, hatte die Parteiführung vor wenigen Tagen auf Facebook scharf kritisiert, „Führungsriegen“ müssten „ihre Verantwortung erkennen“, die Lage müsse „ehrlich“ beschrieben werden. Er soll sich geäußert haben, als Entschuldigung konnte es, musste es aber offenbar nicht interpretiert werden.
Beziehungsstatus: Scholz soll sich erklären. Auch das Ergebnis der Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen bot Anlass zu Wortmeldungen, über 30 habe es während der Aussprache mit dem Kanzler gegeben, heißt es aus Fraktionskreisen. „Ich kann dem Kanzler nur empfehlen, in dieser Situation eine große Rede an die Menschen im Land zu halten“, sagte der nordrhein-westfälische Abgeordnete Axel Schäfer SZ Dossier.
Desinformation aus dem Kreml: Dem US-Justizministerium ist ein Schlag gegen die seit gut zwei Jahren laufende russische „Doppelgänger“-Kampagne gelungen. Wie t-online berichtet, führt die Spur bis in die Spitze des Kremls. Die Kampagne hat wohl auch zum Ziel, die AfD zu unterstützen: „Wir unterstützen die Partei mit allen Mitteln“, heißt es demnach in einem Dokument. Für die Operation wurden Medien-Websites sehr realistisch nachgebaut und mit pro-russischen Fake News versehen.
Deutschland wird als besonders anfällig beschrieben. Ein russisches Dokument, das in den Akten zitiert wird, wies darauf hin, dass Deutschland aufgrund seiner starken wirtschaftlichen Abhängigkeit anfälliger für Einflussnahmen sei als andere europäische Länder. Das mache es zu einem vorrangigen Ziel für russische Propaganda. Ein russisches Memo sprach gar von der Notwendigkeit, die USA, Großbritannien und die Nato zu diskreditieren und die Deutschen gleichzeitig dazu zu bewegen, die „ineffiziente Sanktionspolitik“ gegenüber Moskau infrage zu stellen.
Unter eins
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich auf die Frage, ob er für mehr Disziplin in der Fraktion sorgen müsse
Zu guter Letzt
„Und das ist auch richtig so“, sagte Hubertus Heil, als er diese Woche die in der Berechnungssystematik bereits vorgesehene Nullrunde beim Bürgergeld verkündete. „Und das ist auch gut so“, sagte Katja Wolf, als sie die Beteiligung Sahra Wagenknechts bloß an einem welt- und friedenspolitischen Gesprächskreis am Rande der Regierungsbildung in Thüringen bekanntgab.
Das kommt uns gering vor, für die Formulierung, wobei Kommentarseiten von Zeitungen regelmäßig auch noch kleinere Gut-so-Blüten hervorbringen. Klaus Wowereit jedenfalls versah schließlich etwas damals gänzlich Unerhörtes mit Emphase, Normalität und Feierlaune, als er der Republik 2001 mitteilte: „Ich bin schwul – und das ist auch gut so!“
Andererseits: Eine SPD, die merkt, dass ihre Stammklientel die Entstigmatisierung von Transferleistungen gar nicht schätzt, die der Bürgergeld-Euphemismus bringen sollte, und eine BSW-Spitzenkandidatin, die sich die Patronin vom Hals hält – auch was Neues.
Danke! Ans Team in Berlin und Australien.