Das Dilemma der bedrohten Kommunalpolitiker
Süddeutsche Zeitung Dossier
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Mittwoch, 8. Mai 2024
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Von Valerie Höhne

mit Tim Frehler und Gabriel Rinaldi

Schnelldurchlauf:

Das Rentenpaket muss warten +++ So schlecht ist der Bundestag von innen geschützt +++ Urteil im AfD-Verfahren am Montag erwartet +++ Strafzahlungen drohen: Bundesregierung einigt sich auf Umsetzung der Cybersicherheits-Verordnung +++ Frankreichs strategisches Verständnis von Außenpolitik +++ Tag der Befreiung



Guten Morgen. Die Delegierten standen, noch bevor Markus Söder ein Wort gesagt hatte. Enttäuscht konnte nur werden, wer die doppelten Böden in Söders Reden kennt und sie daher auch in den etwa 45 Minuten des längsten Grußworts der Geschichte entdeckte. Drei Szenen.


Es sei ein „starkes, deutliches Signal“, dass Friedrich Merz mit 89,81 Prozent zum Vorsitzenden wiedergewählt worden sei. Kommentatoren, die schrieben, da habe 0,1 Prozent gefehlt, hielt Söder wacker entgegen: Kein Ampel-Chef habe ein so gutes Ergebnis. Hätte er die Kommentare unerwähnt lassen können? Hätte hätte.


Die Rede war für Merz eine Wohltat, „freundschaftlich“ nannte Söder das Verhältnis. „Wir werden diese Frage gemeinsam lösen“, sagte der CSU-Chef zur gemeinsamen Kanzlerkandidatur der Unionsparteien. „Ich verspreche euch: An mir wird der Erfolg 2025 nicht scheitern.“ Versprechen oder Drohung?


Merz brachte Söder einen Berliner Bären im neuen CDU-blau mit, und verglich ihn mit dem bayerischen Löwen. Der Löwe sei „leichter, kleiner“, sagte er, Söder wog den Kopf. Der Bär größer und schwerer. Löwe und Bär legten sich in der Regel nicht miteinander an – alle anderen sollten sich weder mit dem einen noch mit dem anderen anlegen.


Die Freundschaft hält, vorerst. Willkommen am Platz der Republik. Das nächste Mal lesen Sie uns am Freitag.

Was wichtig wird

1.

Das Rentenpaket muss warten

Eigentlich sollte an diesem Morgen das Rentenpaket II das Kabinett passieren. Dass daraus nichts wird, hat mit dem Haushalt zu tun – und den sozialdemokratischen Ministern, berichtet mein Kollege Claus Hulverscheidt. Es sind nicht nur Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), Innenministerin Nancy Faeser (SPD) und Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD), die die Sparmaßnahmen ablehnen, sondern beinahe alle SPD-geführten Ministerien. Nicht nur das: Sie meldeten zusätzliche Ausgabenwünsche an.


Wenn der Gesamtkontext nicht wäre! Finanzminister Christian Lindner (FDP) sagte, einzelne Ressorts hätten „exorbitante Wunschzettel“ eingereicht. Das sei „nicht akzeptabel“. Aus dem Finanzministerium hieß es, vielleicht eleganter, aber nicht minder klar als vom Chef selber zum Stopp des Rentenpakets: „Aufgrund hoher Anmeldungen für den Haushalt 2025 müssen aktuelle Vorhaben neu in den Gesamtkontext eingeordnet werden.“ Für Mitte Mai sei die Verabschiedung nun geplant.


Rund 15 Milliarden Euro Mehrausgaben: Neben Faeser argumentiert auch Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), dass die Weltlage sich dramatisch verändert habe, und der im Sommer 2023 beschlossene Finanzplan mit der Realität kaum etwas zu tun habe. Die zusätzlichen Ausgabenwünsche dürften rund 15 Milliarden Euro erreichen. Eine Besprechung zwischen den drei Ampel-Oberen gestern blieb, zumindest öffentlich, ergebnislos.


Taktikzettel: Für Lindner, der das Rentenpaket II bei der Vorstellung als „echten Paradigmenwechsel“ bezeichnete, hat die Verknüpfung von Rente und Sparmaßgaben einen Vorteil. Seine FDP, insbesondere Vize-Chef Johannes Vogel, hatte sich öffentlich beschwert, das Paket entspreche nicht der Generationengerechtigkeit. Vogel sagte der FAZ, er wolle den Einstieg in eine „echte Aktienrente“ schaffen. Das „Generationenkapital“ ist die neue kapitalgedeckte Komponente der Rentenversicherung, die die Ampel schaffen will und die der FDP nicht reicht.

2.

So schlecht ist der Bundestag geschützt

Am Dienstagnachmittag ist die Berliner Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) bei einem Angriff im Stadtteil Rudow leicht verletzt worden. Ein Mann habe die frühere Regierende Bürgermeisterin in einer Bibliothek unvermittelt „von hinten mit einem Beutel, gefüllt mit hartem Inhalt, attackiert und am Kopf sowie am Nacken getroffen“. Das teilten Polizei und Staatsanwaltschaft Berlin in der Nacht zu Mittwoch mit.


Verschärfung des Strafrechts: Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und die Innenminister der Länder prüfen wegen der Angriffe auf Politiker eine Verschärfung des Strafrechts. Die Bedrohung für Amts- und Mandatsträger und Ehrenamtliche sei mit den geltenden Gesetzen „nicht mehr hinreichend“ abzubilden, sagte Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen nach der Sondersitzung der Innenministerkonferenz am Abend. Ein „deutliches Stopp-Signal“ nach der Gewalttat gegen den sächsischen Europaabgeordneten Matthias Ecke (SPD) forderte Faeser. Recherchen der SZ zeigten, dass drei der vier mutmaßlichen Täter Verbindungen zu der rechtsextremen Gruppierung „Elblandrevolte“ hätten. Faeser sprach sich für mehr Polizeipräsenz aus und versprach Unterstützung durch die Bundespolizei.


Schlechter Schutz im Parlament: Politiker sind nicht nur in ihren Wahlkreisen potenziellen Anfeindungen ausgesetzt. Im Bundestag sind die Schutzmaßnahmen dürftig. Recherchen des BR zeigten im März, dass die AfD im Bundestag mehr als 100 Mitarbeiter aus dem rechtsextremen Milieu beschäftige. Doch viel tun kann die Verwaltung dagegen nicht. Auch, weil die Abgeordneten selbstständig über ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entscheiden. Es gilt das freie Mandat, schrieb die Verwaltung auf Anfrage von SZ Dossier. „Es bestehen keine arbeitsrechtlichen Beziehungen zwischen der Bundestagsverwaltung und den Abgeordnetenmitarbeitern.“


Einen möglichen Hebel gebe es: Damit die Mitarbeiter durch die Verwaltung bezahlt werden können, müsse zu Beginn der Tätigkeit ein polizeiliches Führungszeugnis vorliegen. Vor einigen Wochen wurde etwa überlegt, Extremisten von der Bezahlung durch den Bundestag auszuschließen, die Abgeordneten müssten sie dann aus eigener Kasse bezahlen. Es blieb bei der Überlegung. Eine sogenannte sicherheitsempfindliche Tätigkeit, etwa Zugang zu Verschlusssachen, dürfe nur dann übertragen werden, wenn vorher eine weitgehendere Sicherheitsüberprüfung stattgefunden habe.


Vom Verfassungsschutz beobachtet? Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) sei dazu in Gesprächen. Möglicherweise könnte der Bundestag künftig beim Verfassungsschutz nachfragen, ob er Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beobachtet. Das geht bislang nicht.

3.

Das Urteil kommt bald

Was will er mehr im Wahlkampf: Maximilian Krah schafft es in diesen Tagen kaum aus den Schlagzeilen. Gestern waren Ermittler beim AfD-EU-Spitzenkandidaten zu Besuch in Brüssel, die Bundesanwaltschaft ließ die Büroräume durchsuchen. Seinem Mitarbeiter Jian G. wird vorgeworfen, für einen chinesischen Geheimdienst spioniert zu haben. Krah gilt nicht als Beschuldigter, sondern als Zeuge.


Urteil am Montag erwartet: Auch als Zeugen schickte ihn seine Partei Mitte April nach Münster, vor dem dortigen Oberverwaltungsgericht wehrt sich die AfD dagegen, dass der Verfassungsschutz die gesamte Partei als rechtsextremistischen Verdachtsfall führt. Krah sagte zum Volksbegriff der AfD aus; für ihn ist der demnach unproblematisch. Neulich ließ er noch verlauten, Menschen anderer Kulturen seien intellektuell nicht fähig, sich an großen Flughäfen zurechtzufinden. Klingt rassistisch? So ist es auch gemeint.


Die AfD hat viel dafür getan, das Verfahren in die Länge zu ziehen. Doch gestern, nach sieben Verhandlungstagen, schloss der Vorsitzende Richter die mündliche Verhandlung. Das Urteil soll am Montag fallen. Der AfD drohen schwerwiegende Konsequenzen: Auch vom Ausgang dieses Verfahrens wird abhängen, ob sie als gesichert rechtsextrem hochgestuft wird.


4.

Bundesregierung einigt sich im letzten Moment

Nach monatelangem Streit hat sich die Bundesregierung nun darauf geeinigt, wie sie die europäische NIS-2-Verordnung zu Cybersicherheit umsetzen will. Die Bundesressorts haben gestern einen Entwurf verschickt, nun sind die Länder und Verbände am Zug und können bis Ende Mai Stellung beziehen. Im Juni findet dann eine Expertenanhörung statt. Der Scoop gehörte Matthias Punz und Selina Bettendorf von unserem Dossier Digitalwende: Leserinnen und Leser wussten am Montagmorgen als erste von dem Durchbruch.


Tiefgreifender Umbau: Die Verordnung macht umfassende Vorgaben zu Cybersicherheit und soll Staaten und kritische Infrastrukturen resilienter machen. Umsetzungsfrist ist Mitte Oktober, Deutschland wird sie reißen. Es drohen Strafzahlungen.


Ciso ohne Heimat: Die Digitalwende berichtet in der heutigen Ausgabe, dass es noch Unklarheiten in Bezug auf einen Posten gibt, den die Bundesregierung laut der Verordnung schaffen muss. Im Fachjargon: die des Chief Information Security Officers, kurz Ciso – der neue IT-Sicherheitschef der Regierung. Im Entwurf ist noch nicht geklärt, wo diese Stelle angesiedelt wird. Das muss das Bundeskabinett per Beschluss klären. Wohl keine einfache Debatte, weil die Person die anderen Ressorts kontrollieren darf.


Immer die anderen: Sebastian Hartmann, innenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, schob die Verantwortung für den bisherigen Streit um das Gesetz den anderen beiden Ampel-Parteien zu: „Endlich haben auch die Ressorts unserer Koalitionspartner die Dringlichkeit der Verbesserung unserer Cyberabwehr erkannt und blockieren nicht mehr.“ Bedenken hatten zuvor das Finanz- und das Justizressort sowie das Auswärtige Amt. Aus Hartmanns Sicht also Grüne und FDP.

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Tiefgang

Das Dilemma der bedrohten Kommunalpolitiker

Es war im April vergangenen Jahres, als Florian Liening-Ewert die Schweinekopfhälften fand. Abgetrennt lagen sie vor seiner Haustür. Sein Sohn war gerade auf dem Weg in die Schule, sagt Liening-Ewert. Der damals achtjährige Junge hat sie also als erster gesehen. Das sei eigentlich das Schlimmste: Er selbst sei als Bürgermeister ja eine Person des öffentlichen Lebens, „natürlich kann man von mir erwarten, dass ich ein bisschen etwas aushalte“. Aber was hat die Familie damit zu tun?


Liening-Ewert ist CSU-Bürgermeister in Hendungen, einer kleinen Gemeinde in Unterfranken. Auch sein Stellvertreter wurde mit einem Schweinekopf bedacht, aufgespießt auf dem Gartenzaun. Wer dahintersteckte? Bis heute ist das unklar, auch warum die Schweineköpfe vor den Häusern der beiden Kommunalpolitiker platziert wurden, weiß Liening-Ewert nicht. Fest steht aber: „Das macht etwas mit einem – psychisch“, sagt der 40-Jährige. In der Zeit nach dem Vorfall habe er sich ständig umgeschaut, wenn er etwa abends von den Gemeinderatssitzungen nach Hause gelaufen ist.


Seit den Angriffen auf den SPD-Politiker Matthias Ecke in Dresden und die Grünen-Politiker Kai Gehring und Rolf Fliß in Essen stellt sich folgende Frage mit neuer Vehemenz: Wie können Politikerinnen und Politiker bei ihrer Arbeit geschützt werden? In neun Bundesländern sind dieses Jahr Kommunalwahlen, dazu drei Landtagswahlen, die Europawahl. Soll die Polizei jedes Mal Streife fahren, wenn Wahlkampfhelfer Plakate aufhängen?


Es ist ein Dilemma, hauptsächlich bei Kommunalpolitikern: Hendungen, Liening-Ewerts Gemeinde, zählt keine 1000 Einwohner. Hier kennt man sich, weiß, wo der Bürgermeister wohnt. Diese Nähe ist das, was Kommunalpolitik ausmacht. Wenn er jetzt ständig Personenschützer dabeihätte, „das funktioniert ja nicht“, sagt Liening-Ewert.


Diese Nähe kann aber auch zum Problem werden. Dorothea Schneider weiß das. Schneider engagiert sich gegen Rechtsextremismus, ist Vorsitzende des Vereins „Augen auf – Zivilcourage zeigen“ im sächsischen Zittau. Seit Fremde sie fotografierten, als sie mit ihren Kindern im Garten war und die Bilder anschließend mit Adresse veröffentlichten, wird ihr Haus von Videokameras überwacht. Die Angriffe vom vergangenen Wochenende haben Schneider daher nicht überrascht: „Es ist jetzt nicht so, dass man nicht absehen konnte, dass es so weit kommt“, sagt sie.


Seit den Correctiv-Recherchen über das Treffen von AfD-Politikern mit Rechtsextremisten in Potsdam organisiert Schneider regelmäßig Demonstrationen gegen Rechtsextremismus in Zittau, zuletzt wieder am Montagabend. Die Polizei sei dieses Mal sensibler gewesen, berichtet Schneider. Doch trotz der Anwesenheit der Beamten seien etwa 20 Menschen aus dem rechtsextremen Spektrum bei ihrer Veranstaltung aufmarschiert. Schneider schätzt, sie seien zwischen 14 und 24 Jahre alt gewesen.


Die Polizei habe die Gruppen stärker im Blick gehabt, aber es sei ihnen dennoch gelungen, Demoteilnehmer zu fotografieren, sagt Schneider. Nicht immer fühlt sie sich von den Beamten ernst genommen – vor allem mit Blick auf die Präsenz der rechten Gruppen am Rand ihrer Demos. „Wenn ich zur Polizei gehe und sage, dass die hier nicht stehen können, lacht mich der Einsatzleiter teilweise aus.“ Es seien doch nur Kinder, bekomme sie dann zu hören. „20 Minuten später braucht die Polizei vier Beamte, um eins von den Kindern zu bändigen, weil es die Polizei angegriffen hat.“



Nicht das einzige Problem: Schneider organisiert auch Veranstaltungen zur politischen Bildung. Ende Mai wieder eine, bei der es um die rechtsextremen Freien Sachsen gehen soll. Die Referenten, die dort sprechen sollen, fordern, dass Sicherheitspersonal vor Ort ist. Doch dafür fehle oft das Geld, sagt Schneider.


Aber was hilft? In Sachsen will die Landesregierung einen Gesetzentwurf im Bundesrat auf den Weg bringen, der bei Florian Liening-Ewert, dem Bürgermeister aus Hendungen, gut ankommt. Ziel ist es, einen neuen Straftatbestand zu schaffen, der bestimmte Bedrohungen von Ehrenamtlern sowie Amts- und Mandatsträgern umfasst.


Im Kern geht es dabei um sogenanntes politisches Stalking, bei dem Politiker durch bedrohliche Übergriffe eingeschüchtert werden sollen. Fälle, die bislang straflos geblieben seien, „sollen damit durch das Strafrecht besser erfasst werden“, teilte das sächsische Justizministerium gestern mit. Also Fälle, wie jener von Florian Liening-Ewert. Genau richtig, findet der das Vorgehen daher. In seinem Fall seien die Ermittlungen schließlich in Richtung Beleidigung gegangen, was ja „recht schwammig“ sei. Und richtig zugetroffen habe es auch nicht. Tim Frehler

Fast übersehen

5.

Erst Scholz, dann Xi – und Hofreiter: Nicht nur Staatschefs weilen dieser Tage in Paris, auch Anton Hofreiter (Grüne), Europaausschussvorsitzender im Bundestag, war zu Gesprächen in Frankreichs Hauptstadt, er traf sich mit Vertretern des Verteidigungsministeriums, des Außenministeriums und mit Abgeordneten. Es sei vor allem um Sicherheit gegangen, erzählte er uns.


Contrariété française: „Was sie irritiert, ist, dass die Bundesregierung in außenpolitischen Fragen immer auf die USA rekurriert. Zum Beispiel bei der Unterstützung der Ukraine“, sagte er. Vieles, zum Beispiel Panzerlieferungen, hätte man aus französischer Sicht auch auf europäischer Ebene entscheiden können. Die zögerliche Haltung der Bundesregierung bei der Ukraine-Unterstützung falle den Franzosen auf. „Wenn man sie damit konfrontiert, dass wir mehr liefern als sie, sagen sie offen, sie hätten ein finanzielles Problem“, sagte er.


Souveraineté européenne: Die Frage europäischer Souveränität sei eine, die Frankreich umtreibt. „Frankreich hat ein strategisches Verständnis für Außenpolitik, dass die Deutschen so nicht haben“, sagte er, „sie sagen, wir haben das Verständnis, ihr habt die Mittel“. Die Mittel? Im Sparhaushalt? „Die Schuldenbremse in Zeiten drohender akuter Kriegsgefahr einzuhalten, finden die Franzosen eine bizarre deutsche Marotte“, sagte Hofreiter.

6.

Tag der Befreiung: In der Nacht vom 8. auf den 9. Mai endete der Zweite Weltkrieg in Europa. In sechs Jahren sind dabei über 65 Millionen Menschen umgekommen, über sechs Millionen Jüdinnen und Juden wurden ermordet. Zum 79. Jahrestag sind heute in Berlin mehrere Demonstrationen angemeldet. Eine darunter ist bemerkenswert.


Mit Pferden nach Jerusalem: Vor fünf Jahren traf sich eine Gruppe im Pfarrhaus Brück südlich von Berlin, um einen Verein zu gründen: Friedensglocken e.V. Aus Kriegsschrott wurde eine Glocke gegossen, die mit Pferden durch Europa nach Jerusalem gebracht werden soll – zum 80. Jahrestag der Befreiung, also 2025. Der Zug soll durch Deutschland, Tschechien, Österreich, Slowakei, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Griechenland, die Türkei, Syrien und Jordanien führen. Zu Weihnachten 2025 wollen sie in Israel ankommen.

7.

Große Unsicherheit: Israelische Panzer sollen in einen Vorort von Rafah eingedrungen sein, es soll sich dabei um eine begrenzte Operation handeln. Eine israelische Arbeitsdelegation wurde zu weiteren Gesprächen entsandt, die Operation in Rafah aber fortgesetzt. Aus dem Auswärtigen Amt hieß es, Israel habe „das Recht, sich gegen die Hamas zu verteidigen. Dabei bleibt der Schutz der Zivilbevölkerung oberstes Gebot – wie dies in einer Situation wie in Rafah gelingen soll, ist schwer bis gar nicht vorstellbar“. Es zeigt, wie groß die Sorgen sind.

Zitat des Tages

Der ESC ist in jedem Jahr in irgendeiner Form politisch.

Die Berliner Moderatorin Alina Stiegler über Boykottaufrufe gegen Israels Teilnehmerin Eden Golan und die Sicherheitsvorkehrungen im schwedischen Malmö, wo der Eurovision Song Contest an diesem Samstag stattfindet

Zu guter Letzt

Kein Politiker sagt es laut, aber freuen werden sich die meisten in der Mitte ein wenig über diese Zahlen. Die Autorinnen und Autoren der „Eupinions“-Studie der Bertelsmann-Stiftung haben in einer repräsentativen Umfrage herausgefunden, dass Befragte, die sich selbst als „rechtsextrem“ bezeichnen „im Durchschnitt seltener zur Wahl gehen als Menschen mit anderen politischen Einstellungen“.


Europaweit wollten 53 Prozent der extremen Rechten wählen. In keiner anderen Gruppe innerhalb des politischen Spektrums ist der Wert so niedrig. Am höchsten liegt er bei denen, die sich selbst als „links“ einstufen, unter ihnen wollen laut Umfrage 66 Prozent zur Wahl gehen.


Zudem gebe es, Konservative aufgepasst, einen „Von-der-Leyen-Effekt“. 75 Prozent der Europäerinnen und Europäer könnten EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) korrekt identifizieren. Es sei ihr gelungen, das Profil ihres Amtes „auf der internationalen Bühne zu schärfen“. Die Leistung der Kommissionspräsidentin aber könnten weniger als ein Drittel beurteilen. Die Studie nennt das: „Hohe Sichtbarkeit, schwache Legitimität.“


Vielen Dank! An Florian Eder fürs Redigat, an Tim Frehler und Gabriel Rinaldi für ihre Beiträge. An Claus Hulverscheidt für die Recherche. Und an Sabrina Frangos und Team ins Australien für Schlusskorrektur und Produktion.

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