Wie Fridays for Future an alte Erfolge anknüpfen will
Süddeutsche Zeitung Dossier
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Montag, 6. Mai 2024
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Von Valerie Höhne

mit Tim Frehler und Gabriel Rinaldi

Schnelldurchlauf:

CDU-Parteitag: Wiederwahl und Widersacher +++ Parteien diskutieren besseren Schutz von Politikern +++ Scholz besucht lieber Litauen als Xi Jinping in Paris zu begrüßen +++ Cyberangriffe aus Russland sollen nicht ohne Konsequenzen bleiben +++ Die elektronische Patientenakte wird wohl mit Abstrichen eingeführt +++



Guten Morgen. Hendrik Wüst kam nicht allein ans Brandenburger Tor. Er hatte Michael Kretschmer dabei. Dass die beiden CDU-Ministerpräsidenten aus Nordrhein-Westfalen und Sachsen auf der spontan organisierten Demonstration waren, ist nicht selbstverständlich. Sie war von einem Bündnis gegen rechts organisiert, das sich Grünen und SPD näher fühlt.


Im Publikum wurden Fahnen beider Parteien geschwenkt, EU-Flaggen waren dabei und eine Regenbogenfahne. Eine der CDU suchte man vergeblich. Die „Regeln der Demokratie“ gäben „unglaublich viel Raum“ für unterschiedliche Meinungen, sagte Wüst. Doch wenn Politiker angegriffen würden, wie der Europaabgeordnete Matthias Ecke Freitagnacht in Dresden beim Plakatieren, dann müssten Demokraten zusammenstehen.


Es sei beinahe zu spät dafür, den Anfängen zu wehren, sagte Wüst. Er wurde meist freundlich beklatscht, einmal auch lauter: „Die denken wie Nazis. Die reden wie Nazis“, sagte er, und dann: „Die AfD ist eine Nazi-Partei.“ Das fanden die rund 3500 Demokratinnen und Demokraten dann doch ziemlich gut. Trotzdem war mehr los, als Juso-Chef Philipp Türmer „Alerta, alerta antifascista“ rief. Wer zu den Demokraten zählt, ist keine Frage fürs Applausometer.


Die FDP fehlte, war von den Organisatoren aber nicht aktiv eingeladen worden – und wäre, sagte uns FDP-Vizechef Johannes Vogel, derzeit in NRW, dennoch gekommen, wenn es logistisch möglich gewesen wäre. Willkommen am Platz der Republik.


Was wichtig wird

1.

Wiederwahl und Widersacher

Den Parteitag der CDU, ab heute im Neuköllner Estrel-Hotel, hat die Führung mit dem Ziel orchestriert, die Partei mit personeller, inhaltlicher und am besten auch taktischer Sicherheit und Einigkeit auszustatten vor den Landtagswahlen im Herbst, schreiben Gabriel Rinaldi und Florian Eder.


Also: Heute Wiederwahl des Vorsitzenden und Neuwahl des Bundesvorstands. Am Dienstag Neuerfindung der Partei durch ein Grundsatzprogramm, das mit der Merkel-CDU bricht, entsprechende Klarheit über Richtung und Koalitionsoptionen auch durch Einigkeit der führenden Stimmen. Der Mittwoch steht im Zeichen der Europawahl.


Worauf wir auf dem Parteitag achten:


Das Wahlergebnis von Friedrich Merz wird ab 14:15 Uhr erwartet. Ein gewisser Erwartungskorridor zeichnet sich unter den Parteifreunden ab: Weniger als 80 Prozent wären ein Desaster, über 90 Prozent sehr gut – „und alles dazwischen nicht schön, aber noch einigermaßen vermittelbar“, schreibt mein Kollege Robert Roßmann. Die Frage dahinter und ebenso hinter dem neuen Grundsatzprogramm: Wie weit folgt die Partei ihrem Vorsitzenden bei der Emanzipation von Angela Merkel?


Keine Liebe: Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst warb im vergangenen Jahr einmal in einem Gastbeitrag in der FAZ für den Kurs der früheren Bundeskanzlerin Angela Merkel. Das ist insofern relevant, als Merz darüber die Fassung verloren haben soll, wie der Spiegel berichtete; weil 1001 Delegierte zur Parteitagsvorbereitung am Wochenende die Geschichte gelesen haben werden – und weil der Bericht von Zitaten aus Merz’ sehr engem Umfeld lebt.


Noch eine Pflichtlektüre: Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther warb in der FAZ nicht nur dafür, die Mitte nicht zu vergessen, sondern auch für einen offeneren Umgang mit der Linkspartei, was der Stratege und Generalsekretär Carsten Linnemann falsch fand. Er sagte gar am Freitag vor Journalisten, Schwarz-Grün sei mit „diesen Grünen“ nicht möglich (nach einer Wahl rede man freilich mit allen). Die CDU spiele bei allen Landtagswahlen auf Sieg, sagte der Generalsekretär.


Dixit Linnemann: Womöglich freut er sich dann im Herbst noch über die Beinfreiheit, die Günther dem Vorsitzenden und seiner Crew per Interview zu verschaffen suchte. Es sieht zwar etwa in Thüringen durchaus nicht nach einem CDU-Wahlsieg aus, aber wenn der Anspruch aufs Ministerpräsidentenamt ernst gemeint sein sollte, könnte sich die Frage ergeben: Wie soll das gehen, ohne sich entweder von der Linken und dem, pssst, geschätzten Bodo Ramelow (oder der AfD) wählen oder tolerieren zu lassen?


Die Ironie der Äquidistanz: Ein diesbezüglich reines Gewissen der CDU ist Ramelows beste Chance auf den Verbleib im Amt. Und Thüringen hat schon die Ambitionen einer anderen CDU-Kanzlerkandidatin in spe beendet.


Kreuzberg statt Cadenabbia: Gefeiert wird auch, und zwar beim Berliner Abend am Dienstag auf verschiedenen Floors. Joe Chialo, Berliner Kultursenator, wird als DJ auflegen. Selbst einen Späti plant die CDU. Man ist schließlich in Berlin.

2.

Parteien diskutieren bessere Schutzmaßnahmen für Politiker

„Wir erleben eine neue Dimension antidemokratischer Gewalt“, sagte Innenministerin Nancy Faeser (SPD) der SZ. Matthias Ecke war am Freitagabend krankenhausreif geschlagen worden, SPD-Chef Lars Klingbeil las bei der Demonstration am Brandenburger Tor eine Nachricht von ihm vor. Er sei „ein bisschen Projektionsfläche“, sagte er, denn die Bedrohung habe nichts mit seinem Mandat als Europaabgeordneten zu tun, so gehe es auch vielen Ehrenamtlichen. „Mir wäre wichtig, dass es nicht nur um den Schutz von Berufspolitikern, sondern um den Schutz von Ehrenamtlern geht. Alle müssen sich sicher fühlen“, schrieb er.


Gewalt im Wahlkampf häuft sich: Im Fall Ecke stellte sich gestern Abend ein 17-Jähriger. Am Donnerstagabend waren bereits zwei Grünen-Politiker in Essen attackiert worden.


Nie wieder ist jetzt: Grünen-Innenpolitiker Konstantin von Notz sieht beim Innenministerium „vor allem“ Verantwortung. „Wir müssen den Schutz politischer Mandatsträger ausbauen und verbessern“, sagte von Notz SZ Dossier. Die Innenministerkonferenz müsse sich „umgehend auf einen konkreten Plan verständigen“, um Politikerinnen und Politiker besser zu schützen. „Nie wieder dürfen in Deutschland Demokratieverächter damit Erfolg haben, durch Angriffe und Einschüchterungen demokratisches Engagement und freie Wahlen zu attackieren“, sagte von Notz.


Schutz aus den Parteien: Sowohl Grüne als auch SPD werden sich während ihrer Gremiensitzungen heute Vormittag mit möglichen Maßnahmen beschäftigen. Aus der SPD hieß es, es sei möglich, dass in den nächsten Tagen Empfehlungen an weitere Gliederungen kommuniziert werden. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sagte der taz, die Sozialdemokraten würden zum Selbstschutz „Mindestteilnehmerzahlen für Aktionen für Plakatierungen und Stände festlegen müssen“.


Zu wenig Personal: Grünen-Geschäftsführerin Emily Büning mahnte ihre Kreisverbände, jede Veranstaltung den Sicherheitsbehörden zu melden. Die Zusammenarbeit mit den lokalen Behörden sei „essenziell“. Armin Schuster (CDU), sächsischer Innenminister, warnte, dass man „sicherlich nicht jeden einzelnen Wahlkämpfer beschützen“ könne, das gehe „rein zahlenmäßig nicht“.


Politiker-Stalking als Straftatbestand: Sachsens Justizministerium hat bereits vor einigen Wochen vorgeschlagen, einen Stalking-Paragrafen für Politiker einzuführen, berichtet der MDR. Damit könnten Regelungslücken erfasst werden, beispielsweise Demonstrationen, die absichtlich vor den Häusern von Politikern abgehalten werden. Vorgeschlagen werde, einen „§ 106a - 'Beeinflussung staatlicher Entscheidungsträger' ins Strafgesetzbuch einzufügen. Strafandrohung: Geldstrafe oder bis zu maximal drei Jahren Freiheitsstrafe“, zitierte der Sender das Ministerium.

3.

Lieber Pabradė als Paris

Wenn Kanzler Olaf Scholz (SPD) schon in Litauen ist, will er auch die deutschen Soldatinnen und Soldaten sehen, die derzeit dort an der größten Nato-Übung seit Ende des Kalten Krieges teilnehmen. Steadfast Defender heißt sie, auf Deutsch: standhafter Verteidiger. 90.000 Soldatinnen und Soldaten aus allen 32 Nato-Staaten sind beteiligt, dazu 6000 Fahrzeuge. Scholz besucht die Soldatinnen und Soldaten unter Führung der 10. Panzerdivision heute während seines kurzen Besuchs in Litauen und Lettland.


Xi abgesagt: Scholz hätte auch nach Frankreich reisen können, um gemeinsam mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron den chinesischen Staatschef Xi Jinping zu empfangen, der gestern in Paris ankam. Die Einladung stand, doch Scholz sagte ab. Das Baltikum sei zu wichtig – und mit Xi hat Scholz sich ja neulich schon ausführlich unterhalten. Mit Macron selbstredend auch. Also wird Scholz statt in Paris in Pabradė auf dem größten Truppenübungsplatz Litauens Soldatinnen und Soldaten dabei zuschauen, wie sie sich auf einen möglichen Angriffskrieg vorbereiten.


Realistisches Szenario: Aus dem Nordosten, Osten und Südosten wird das europäische Nato-Gebiet angegriffen, so das Szenario. „Beängstigend, aber nicht unrealistisch“, schreibt die Bundeswehr auf ihrer Website. Material und amerikanische Soldaten können über den Atlantik nach Europa transportiert werden und dort mit europäischen Verbündeten kämpfen. Seit Januar bis Ende Mai trainieren die Soldatinnen und Soldaten gemeinsam, 12.000 Bundeswehrstreitkräfte sind dabei. Die Bundeswehr führt als Beitrag die Übung Quadriga 24 durch, die die strategische Verteidigung der Nato-Ostflanke durchspielt. Das Ziel sei Abschreckung. Die Bundeswehr schreibt: „Russland soll sehen, was es bei einem Angriff auf das Bündnisgebiet zu erwarten hätte.“

4.

So twittert der Bundestag

Auch in dieser Woche blicken wir gemeinsam mit der Bundesdatenschau darauf, wie die Bundestagsabgeordneten auf Twitter/X performt haben. Die Kollegen analysieren, wer im Vergleich zu den Vorwochen durchschnittlich besser oder schlechter abgeschnitten hat. In dieser Woche besonders erfolgreich getwittert haben Sara Nanni (Grüne), Norbert Kleinwächter (AfD) und Volker Wissing (FDP).


Twitter-Trends der Woche
in Kooperation mitBundesdatenschau

Virale Themen: Während Nanni, selbst Verteidigungspolitikerin, in einem erfolgreichen Tweet schrieb, sie sei „lieber Kaliberexpertin als RusslandConnection“, ging Kleinwächter auf einen Bericht der Bild zur Arbeit des Verfassungsschutzes ein. Wissing lobte zum Geburtstag das Deutschlandticket.

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Tiefgang

Wie Fridays for Future an alte Erfolge anknüpfen will

Freitagmittag in einem Hinterhofgebäude in Berlin-Mitte: Vier junge Frauen sitzen an einem Tisch. Vor ihnen das Banner mit der Botschaft, um die es gleich gehen wird: #ReclaimTiktok steht darauf – Tiktok zurückgewinnen. Fridays for Future will skizzieren, mit welchem Plan sie in den Europawahlkampf ziehen werden, um Wähler für ihre Anliegen zu sensibilisieren. Ein guter Plan tut Not, die großen Klimademonstrationen sind inzwischen Jahre her. Die Frauen auf dem Podium, das sind die Klimaaktivistinnen Helena Marschall, Annika Kruse, Luisa Neubauer und Magdalena Hess. Zentraler Baustein der Kampagne: die Plattform Tiktok.


Erstmals dürfen bei der Europawahl in Deutschland auch 16-Jährige ihre Stimme abgeben. Eine Altersgruppe, die besonders häufig Tiktok nutzt. Und laut der Studie „Jugend in Deutschland“ rechter wählt als noch vor wenigen Jahren. In der Befragung gaben dieses Jahr 22 Prozent der 14- bis 29-Jährigen an, die AfD zu wählen, wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre. 2023 waren es noch zwölf Prozent, 2022 neun.


Kaum vorstellbar, dass die Fridays den politischen Druck erzeugen können, den sie vor fünf Jahren aufbauen konnten. Vor der Europawahl 2019 gelang es ihnen, das Thema Klima an die Spitze der politischen Tagesordnung zu setzen. Jugendliche schwänzten die Schule und gingen stattdessen demonstrieren. „Parteien mussten sich zum ersten Mal mit der Klimakrise beschäftigen“, sagt Luisa Neubauer. Außerdem seien „so viele junge Menschen wie noch nie wählen gegangen“. Erfolge, die die Fridays weitestgehend „offline“ eingefahren hätten, sagt Neubauer. Die kommende Wahl hingegen werde „massiv auf TikTok entschieden“. Dort hat allerdings die AfD die Vorherrschaft. „Sieben der zehn größten Politikaccounts in Deutschland auf Tiktok gehören der AfD“, sagt Magdalena Hess.


Daher: Reclaim Tiktok. Wie? Ein Rätsel, das derzeit Politikberater bis hinein ins Kanzleramt beschäftigt. Die Fridays versuchen, nachzuarbeiten: Neubauer erzählt, sie hätten sich gefragt, wie man Viralität organisieren könne – wie es also gelingt, Inhalte massenhaft in sozialen Medien zu verbreiten. Hierbei unterscheidet sich Tiktok von anderen Plattformen. Die Zahl der Follower spielt dort nur eine untergeordnete Rolle. Entscheidend ist, welche Inhalte den Nutzerinnen und Nutzern gefallen, oder andere starke Reaktionen bei ihnen auslösen. Der Algorithmus merkt sich diese Vorlieben, wer weiterwischt, bekommt ähnliche Videos angezeigt – und muss dafür dem Account nicht folgen.


„Wir gehen sehr auf Masse“, sagt Neubauer, sie spricht von „hunderten dezentraler Accounts“, die man mobilisieren wolle. Ihr Plan sieht vor, möglichst viele Nutzerinnen und Nutzer anzustacheln, selbst eigene – natürlich klimabezogene – Videos mit dem Hashtag Reclaim Tiktok zu posten, und dadurch eine so große Menge zu produzieren, dass ihnen nur schwer zu entkommen ist. Der Flut rechter und rechter Inhalte soll also eine eigene Welle entgegengesetzt werden.


AfD-Politiker spielen in ihren Videos mit starken Emotionen, wie Angst und Wut. Wie wollen die Klimaaktivisten dem etwas entgegensetzen? „Unserer Erfahrung nach Wünschen sich Menschen Informationen“, sagt Helena Marschall.


Neu ist das, was die Fridays jetzt machen, nicht. Der Erfolg der AfD auf Tiktok basiert in Teilen auch darauf, dass ihre Posts von ihrer sehr aktiven Community geliked und geteilt werden und sich auf diesem Weg massenhaft verbreiten. Die Klimaaktivisten haben sich also etwas bei den extremen Rechten abgeschaut. Und sie haben sich bei der Entwicklung ihrer Strategie fremde Hilfe geholt. Neubauer sagt, sie hätten mit diversen Agenturen gesprochen, internationale Vernetzungstreffen besucht und sich mit Vertretern aus der US-Politik ausgetauscht, etwa „Gen-Z for Change“, einem Zusammenschluss hunderter junger Influencer, die sich progressiven Inhalten verschrieben haben. Gegründet wurde die Initiative 2020 unter dem Namen „Tiktok for Biden“. All das habe man dann „erstmals aktivistisch übersetzt, ohne dass es rechtsradikal ist“, sagt Neubauer.


Der Ansatz der Fridays ist beliebt. Politische Jugendorganisationen fragten immer wieder, ob die Aktivistinnen und Aktivisten ihnen nicht mit Rat helfen könnten. Tim Frehler

Fast übersehen

5.

Im Visier russischer Hacker: Die Nato, die EU und das Auswärtige Amt haben am Freitag russische Cyberangriffe auf Deutschland aufs Schärfste verurteilt. Außenministerin Baerbock sagte, das sei völlig inakzeptabel und werde nicht ohne Konsequenzen bleiben. Das Auswärtige Amt bestellte einen hochrangigen russischen Diplomaten ein, um „Moskau klarzumachen, dass wir dieses Vorgehen nicht akzeptieren, deutlich verurteilen und uns da auch Konsequenzen vorbehalten“, sagte der Sprecher des Auswärtigen Amts, Christian Wagner, am Freitag. Weitere Sanktionen würden diskutiert.


Diesmal anders: Dass es russische Cyberangriffe auf Deutschland gibt, ist kritisch, vor allem angesichts der bevorstehenden Wahlen. Es ist aber nichts Neues, vor allem nicht seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine. Neu ist aber, dass die Bundesregierung den Angreifer so klar und öffentlich benennt.


Was war passiert? Im vergangenen Jahr wurden Cyberangriffe auf E-Mail-Konten des SPD-Parteivorstands öffentlich. Außerdem gab es Angriffe auf deutsche Unternehmen sowie gegen Stiftungen, Verbände und kritische Infrastrukturen. Das sogenannte nationale Attribuierungsverfahren der Bundesregierung hat nun ergeben, dass der Cyberakteur APT 28, der dem russischen Militärgeheimdienst GRU zuzuordnen ist, dafür verantwortlich ist, berichtet Selina Bettendorf vom Dossier Digitalwende.

6.

China warnt: China hat die Bundesregierung davor gewarnt, bei der Großübung „Pacific Skies“ die Fregatte „Baden-Württemberg“ durch die Straße von Taiwan fahren zu lassen. Auf Anfrage der SZ hieß es aus der Botschaft Pekings in Berlin, man begrüße es, „wenn Länder von außerhalb der Region durch ihr Wirken zu Frieden und Stabilität vor Ort beitragen“. Was man aber strikt ablehne, sei eine Gefährdung dieser Entwicklung „unter dem Vorwand der freien Schifffahrt“.


Hört die Bundesregierung darauf? Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sagte bei einem Termin in Auckland, Neuseeland, das „Recht der friedlichen Durchfahrt“ gelte auch für die Straße von Taiwan – ob das Kriegsschiff diese Route nehmen wird, ist aber offen.


„Pacific Skies“: An der Großübung im Indopazifik nehmen erstmals Deutschland, Frankreich und Spanien gemeinsam teil. Deutschland schickt, neben 32 Flugzeugen, die Fregatte „Baden-Württemberg“ und den Einsatzgruppenversorger „Frankfurt am Main“. Man will der USA zeigen, dass man mehr Verantwortung in der Region übernimmt. „Mit Pacific Skies zeigt die Luftwaffe erneut, wie einsatzbereit sie ist – und das weltweit“, sagte der Inspekteur der Deutschen Luftwaffe, Ingo Gerhartz, dem Kollegen Georg Ismar.

7.

Knapper Zeitplan: Die elektronische Patientenakte soll am 15. Januar 2025 eingeführt werden, doch um den Termin einzuhalten, wird sie aller Voraussicht nach mit Abstrichen eingeführt, berichtet Miriam Dahlinger vom Dossier Digitalwende. Eigentlich hatte Gesundheitsminister Karl Lauterbach eine „geordnete Übersicht über Arztbriefe, Befunde, Medikamente“ versprochen, doch nun wird es zu Beginn keine Volltextsuche geben. Für Ärztinnen und Ärzte ist diese aber besonders wichtig, weil sie laut Markus Holzbrecher-Morys von der Deutschen Krankenhausgesellschaft schlicht „keine Zeit haben, sich tausende Dokumente anzusehen“.


Fehlende Nutzerzentrierung: Mark Langguth, früherer Produktmanager bei der Gematik GmbH, die Vorgaben zur Umsetzung der elektronischen Patientenakte macht, findet, es gebe strukturelle Probleme. Die Vorgaben passten „eher gar nicht“ zu moderner Softwareentwicklung, sagte er SZ Dossier. In Deutschland liefen Digitalvorhaben durch das vorgegebene Rahmenwerk oft zu unflexibel ab, „um auf neue Erkenntnisse reagieren zu können“. Zudem fehle ihm die Nutzerzentrierung: „Eine aktive Einbindung der Endnutzer in die Konzeption und Entwicklung war ausdrücklich nicht erwünscht.“ Die Ergebnisse seien deswegen auf die Interessen der Spitzenverbände ausgerichtet – und auf „Sicherheit um jeden Preis“.


Unser Dossier Digitalwende können Sie hier testen.

Zitat des Tages

Die Opposition muss sich so aufstellen, dass sie wieder regieren könnte. Und die aktuelle Regierung muss so schlecht sein, dass ein Wechselwunsch da ist.

Der frühere CDU-Chef und Kanzlerkandidat Armin Laschet über die Voraussetzungen für eine – aus CDU-Sicht – erfolgreiche Bundestagswahl 2025

Zu guter Letzt

Olaf Scholz hat gelacht. Das kann, wie wir spätestens seit Armin Laschets Entgleisung im Wahlkampf 2021 wissen, zum politischen Fauxpas werden. Die Union witterte ihre Chance, denn Scholz kicherte, als er über mögliche Taurus-Lieferungen an die Ukraine sprach.


Es gebe Waffen, die könne man nur liefern, wenn man über alles, was damit gemacht werde, die Kontrolle behalte, hatte Scholz bei einem Bürgerdialog in Lüneburg gesagt – so weit, so bekannt. Doch nun tauchte das Video der Szene auf. Scholz sagte: „Da kann man auch nicht so eine Debatte führen, wie man sie unter Freunden führt: Traust Du mir nicht? Natürlich traue ich meinen Freunden. Trotzdem würde ich nicht jedem alle Waffen geben. So.“ Hehe.


Als „Kicher-Kanzler“ bezeichnete ihn daraufhin CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann. Das ist fast so gut wie das „schlumpfige Herumgegrinse“, das CSU-Chef Markus Söder dem Kanzler einst während einer Corona-Sitzung vorwarf.


Ob Scholz das stört? Es darf bezweifelt werden, zumal so seiner Haltung zu Taurus-Lieferungen abermals mehr Raum gegeben wird.


Vielen Dank! An Florian Eder fürs Redigat, Tim Frehler und Gabriel Rinaldi für die Beiträge, Constanze von Bullion und Team für ihre Recherche. Und an Sabrina Frangos und Team in Australien für Schlusskorrektur und Produktion.

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